Nach den innovativen und beliebten Formaten Computer Corner, Technik 2000 und Komm Puter , war die Sendereihe „TIN – Treffpunkt im Netz“ das vierte Format, mit dem Klaus Möller Begeisterung für Technik unter die Jugendlichen in Deutschland gebracht hat.
TIN ist vor allen Dingen deshalb interessant, weil im Jahr der Erstausstrahlung dieser Sendung das Internet erstmalig ein Begriff in Deutschland wurde. Ein gutes Beispiel dafür, wie nah Klaus Möller auch mit dieser Sendung wieder einmal am Puls der Zeit war. 1993 gab es in Deutschland noch kein Internet wie wir es heute kennen. Und auch die Kommunikation mit E-Mail war hierzulande noch kaum verbreitet. Wie hat unser Land hier die ersten Schritte erlebt? Und welchen Beitrag konnte TIN dazu leisten? Blicken wir nun gemeinsam zurück in die Kinderstube des deutschen Internet.
Es folgt der Originaltext von Klaus Möller.
Zuwachs im Kinderprogramm
Die ZDF-Sendereihe TIN – Treffpunkt im Netz wurde angeregt durch die neue Datenwelt. Seinerzeit gab es in Deutschland bereits den Bildschirmtext (seit 1983), der bereits wieder auf dem absteigenden Ast war und CompuServe (1969-2009), einen proprietären Datendienst aus Amerika. Das Internet war in Deutschland für die allgemeine Öffentlichkeit noch kein Thema.
Lediglich durch jugendliche Fans, die sich mit der Einrichtung von Mailboxen mittels Telefonleitungen und Akustikkopplern, bereits damals vernetzten, gab es erste noch zaghafte Schritte in das virtuelle Datennetz.
Schwerpunkt in der damaligen Zeit waren Spiele und Büroanwendungen auf den Rechnern. Es gab noch eine Trennung von Spielkonsolen und Personalcomputern. Während in Amerika bereits das Internet mit dem ersten grafischen Internet Browser Mosaic (erschien erstmalig April 1993) an Schulen angewendet wurde, sich Pädagogen und Schüler vermehrt mit den neuen Technologien befassten, war Deutschland diesbezüglich auf dem Status eines Entwicklungslandes.
Nur schwer zogen die neuen Medien in die Gedankenwelt der Kultusministerien ein, Softwareprozesse konnten im Rechtsbereich nicht beendet werden, da Richter und Anwälte nur ungenügend über die Möglichkeiten der Computertechnologie im Rahmen der Vernetzung informiert waren.
Viele Lehrer verweigerten sich den neuen Medien und dem aufkeimenden Pflänzchen Internet. In dieser Situation beschlossen wir gemeinsam mit der Filmproduktionsfirma PSF – Pickert software & film, eine Serie für Kinder und Jugendliche anzubieten, in deren Mittelpunkt das Internet stehen sollte. Hierzu arbeiteten wir mit dem Datendienst CompuServe und diversen amerikanischen und deutschen Schulen zusammen.
Erste elektronische Freundschaften
Als Modellschule für den Datentransfer war in Deutschland das Franziskaner Gymnasium in Gross Krotzenburg Hessen vorgesehen. Gemeinsam mit Schülern und Lehrern konnten wir so 13 Sendungen erstellen, die in unterhaltender Form Möglichkeiten gemeinsamen Datenaustausches untereinander und mit den USA möglich machten und gleichzeitig den Fernsehzuschauern auch Appetit auf die neuen Medien und die damit verbundene Datenkommunikation machten.
Wir vermittelten E-Mail Freundschaften zum ersten Mal in der Geschichte des Fernsehens weltweit! Dies war ein Hauptschwerpunkt der Sendung. Die Vermittlung elektronischer Freundschaften war in der damaligen Zeit etwas ganz Neues und wir haben sehr viel Zeit darauf in der Sendung verwandt. Wir waren bei den Kindern zu Hause und haben über ihr Lebensumfeld berichtet, über ihre Hobbys und wie sie ins Netz kommen. Ob über Schule, die Eltern oder sonstige Quellen.
Daneben gab es auch Musikvideos namhafter Gruppen und Berichte über technische Entwicklungen, die das damals noch völlig unbekannte Internet betrafen. Wir gaben Tipps, wie man mit einem Modem und einem Computer sich bei CompuServe anmelden und wie man durch Nachfragen an den Schulen weitere Hilfestellungen erhalten konnte.
Deutschland war aus Sicht der Technologie auf dem Status eines Entwicklungslandes. Nur schwer zogen die neuen Medien in die Gedankenwelt der Kultusministerien ein.
Klaus Möller
Dramaturgisch war die Sendung von einem Song umrahmt, bei dem der Schulchor des Franziskaner Gymnasiums ein „Brückenlied“ sang, welches die Verbindung der Jugendlichen durch das Internet demonstrieren sollte. Es gab Interviews mit Erwachsenen, die sich stark für die Kinder- und Jugendarbeit im Zusammenhang mit dem Einstieg in die Entwicklung des Internets gaben. Und natürlich auch eine eigene Mailbox, bei der die Informationen der Sendung abgerufen werden konnten und ein eigenes Account bei CompuServe.
Letzteres wurde dann 1995 auch zum ersten Mal im Deutschen Fernsehen bei einer Unterhaltungssendung, nämlich im ZDF Fernsehgarten im Computer Park eingeführt. So erwuchs aus TIN dann die entsprechende erstmalige Nutzung der Möglichkeit mit dem ZDF elektronisch Verbindung via E-Mail aufzunehmen.
TIN wurde in insgesamt 13 Folgen mit je 25 Minuten Sendezeit im ZDF ausgestrahlt. An der Konzeption von TIN waren beteiligt Hans Pickert, Produzent und Filmemacher, Sandy Jilg, Moderatorin und Kamera Holger Nissen.
Um unsere Sendung gut zu bebildern mietete unser Team für eine Sendung einen großen Hubkran, der uns das Filmen aus großer Höhe ermöglichte. Trotz bester Vorbereitung war seinerzeit der Wettergott nicht auf unserer Seite und entgegen anderslautender Prognosen hatten wir just an jenem Tag im März schlechtes Wetter, als die Hauptdreharbeiten anstanden.
In unserer Verzweiflung über das schwindende Budget hinsichtlich des Hubkrans und der Darsteller und Moderatoren, riefen wir seinerzeit beim Wetteramt an. Wir kauften uns für die stattliche Summe von 20 Mark konkrete und ortsgenaue Vorhersagen, ob und wann es schneien und regnen würde und wenn ja in welcher Region, die wir mit dem Hubkran schnell erreichen konnten. So schafften wir es, dank der punktgenauen Prognosen in einer regen und schneefreien Zone unsere Aufnahmen an jenem Tag in den „Kasten“ zu bekommen.
Aus unseren Sendungen gingen via E-Mails sehr viele Kontakte und Freundschaften zwischen Schülerinnen und Schülern hervor.
Klaus Möller
Trotz mehrfacher Versuche in Deutschland das Modell „Teach the Teacher“ zu etablieren ist es unserer Crew nicht gelungen, deutsche Lehrer davon zu überzeugen, dass sie in Sachen Informatik von ihren Schülern auch etwas hätten lernen können, wie es dieses hervorragende Modell in Amerika geschafft hatte.
Dort gab es eine Initiative mit dem Namen „Teach the Teacher“ bei dem Schüler die Aufmerksamkeitsdefizite ihrer eigenen Lehrer mit Billigung des Direktorats aufarbeiten durften – ein sehr erfolgreiches und interessantes Modell. Leider ließen sich deutsche Lehrer damals nicht von diesem Modell überzeugen, weil sie glaubten, sie würden dadurch ihren Stellenwert als Lehrer gegenüber ihren Schülern verlieren, ihr „Gesicht“ also. Schade drum!
Wir waren unserer Zeit damals weit voraus und fanden vermutlich daher für eine längere Produktionszeit keine Unterstützung mehr. Blickt man aber einmal zurück, so können wir zurecht von uns sagen, dass wir im ZDF seinerzeit für Kinder und Jugendliche die Ersten waren, die die Möglichkeiten von E-Mail und Datenkommunikation in den Vordergrund des Interesses stellten.
Aus unseren Sendungen gingen via Leserbriefen und E-Mails sehr viele Kontakte und Freundschaften zwischen Schülerinnen und Schülern hervor, sowohl in Deutschland als auch in den USA.
Die endgültig letzte Folge von TIN – Treffpunkt im Netz, wurde in der Mitte des Jahres 1994 im ZDF ausgestrahlt.
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