Was zum Kuckuck bedeutet “immersiv” in Computerspielen?

Von Ferdi am
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Neulich auf der A5. Ich bin beruflich mit dem Auto von Kassel nach Frankfurt unterwegs. Ich hatte es nicht eilig, denn ich hörte einen Podcast von zwei alten Männern über alte Spiele.

Die beiden unterhalten sich gerade über die Spiele-Reihen Wing Commander und X-Wing, als ich plötzlich stutzig werde und innehalte. Wovon reden die da? In einem Satz kamen gleich zwei Begriffe vor, mit denen ich nicht so recht etwas anfangen konnte.

Der Satz lautete in etwa so: „Das Spiel hat eine narrative Struktur und spielt sich immersiv“.

Häh, habe ich etwas verpasst? Ich bin kein Freund von Anglizismen, vor allem wenn es eine griffigere Deutsche Beschreibung dafür gibt, oder wenn sie inflationär eingesetzt werden. Wenn aber Gunnar Lott und Christian Schmidt diese Begriffe verwenden, lässt mich das aufhorchen. Ich schätze beide sehr und höre ihnen gerne zu. Sie wissen wovon sie reden, können sich dabei gut artikulieren und ergänzen sich perfekt. Auch, oder gerade wenn sie völlig unterschiedlicher Meinung sind (die wenigen auf der VSG, die den Podcast von Stay Forever nicht kennen; unbedingt reinhören). Die beiden sagen solche Begriffe nicht einfach so. Also habe ich am Abend recherchiert.

Narrativ ist abgeleitet vom dem lateinischen „narrare“ und bedeutet „erzählen“. Ich kannte den Begriff bisher nur in Verbindung mit Filmen. Und „immersiv“? Es leitet sich vom englischen „immersion“ ab und bedeutet „Eintauchen“. Aha.

Soweit so gut. Aber was ist damit bei einem Computerspiel gemeint? Wann also ist ein Spiel immersiv? Gab es bereits in den 80er und 90er Jahren immersive Spiele (8-Bit/16-Bit)? Ist mein Lieblingsspiel auf dem C64, Elite, immersiv?

Fragen über Fragen. Ich habe mich auf die Suche nach Antworten gemacht.

Rückblick; die 80er und 90er Jahre. Spiele wurden nach Grafik, Sound und Spielspaß beurteilt und bekamen üblicherweise eine Wertung für Grafik, Sound und eine abschließend Gesamtwertung, in die noch der Spielspaß eingeflossen ist. Von „immersiv“ oder „narrativ“ war nie die Rede. Ein Spiel musste in erste Linie Spaß machen.

Hier exemplarisch die Bewertung des Spiel Populous in der Happy Computer Ausgabe 5/1989. Grafik 81 Punkte, Sound 71 Punkte, Gesamtwertung 92 Punkte.

(Bild: Markt und Technik)
(Bild: Markt und Technik)

EIN DEFINITIONSVERSUCH VON “IMMERSION (VIRTUELLE REALITÄT)” IN WIKIPEDIA

“Immersion beschreibt den Eindruck, in eine virtuelle Welt quasi einzutauchen – anstelle der Wahrnehmung der eigenen Person in der realen Welt tritt die Identifikation mit einer Person in der virtuellen Welt, was je nach Glaubwürdigkeit der virtuellen Welt verschieden stark ausgeprägt sein kann.”

Solche Illustrationen und Informationen haben dazu beigetragen eine glaubwürdige uns stimmige Welt in meiner Fantasie zu erzeugen. Aus dem Handbuch: "Ein Teil des Laderaums eines Interstellaren Frachters der Anaconda Klasse. Es ist der größte bekannte Frachter mit einer Ladekapazität von 750 Tonnen, der vor allem auf sicheren Handelsrouten eingesetzt wird." (Bild: Firebird)
Solche Illustrationen und Informationen haben dazu beigetragen eine glaubwürdige uns stimmige Welt in meiner Fantasie zu erzeugen. Aus dem Handbuch: “Ein Teil des Laderaums eines Interstellaren Frachters der Anaconda Klasse. Es ist der größte bekannte Frachter mit einer Ladekapazität von 750 Tonnen, der vor allem auf sicheren Handelsrouten eingesetzt wird.” (Bild: Firebird)

Immersive Spiele müssen demnach ganz besondere Spiele sein. Denn ein Spiel, dass mich die Umwelt um mich herum völlig vergessen lässt; das mich dermaßen packt, dass ich komplett in die Spielwelt eintauche; bei dem ich eins bin mit der Spielfigur und der Spielumgebung. Das muss wahrlich ein herausragendes Spiel sein.

Solche Momente kenne ich noch aus Zeiten, als ich etwa 14 Jahre alt war. Ich saß wie so oft vor dem Nordmende-Röhrenfernseher und war gemeinsam mit meinem C64 in ein Spiel vertieft. Völlig abgetaucht sogar. Ich spielte „Seven Cities of Gold“. Um mich herum habe ich nichts wahrgenommen. Auch nicht meine Mutter, die in mein Zimmer kam, mir auf die Schulter tippte und sagte: „Essen ist fertig“. Augenblick war ich in der Realität; im Hier und Jetzt. Zu Tode erschrocken bin ich fast vom Stuhl gekippt. War das immersiv? Keine Ahnung.

Die Definition aus Wikipedia klingt für mich noch sehr vage und allumfassend. Nach dieser Definition ist auch das über 30 Jahre alte Spiel Elite immersiv. Jedenfalls für mich. Trotz (noch) ungefüllter 3D-Vektorgrafik war ich mitten drin in der virtuellen Welt und bin abgetaucht in das Elite-Universum. Ganz ohne 4k-HDR 10 Flachbildschirm, sondern mit dem alten, ausrangierten Nordmende-Röhrenfernseher meiner Eltern, der gefühlt drei Zentner schwer war. Ich war der Kapitän der Cobra MkIII. Das Handels- und Kampfraumschiff ist ein Produkt der Firma Faulcon deLacy Spaceways und wurde mir von der Galaktischen Kooperative der Welten zur Verfügung gestellt.

Das Schiff ist extrem manövrierfähig, zeichnet sich durch einen guten C-Widerstandsfaktor (Materialbeständigkeit) bei Hyperraumsprüngen aus, verfügt über genügend Quirium-H-Treibstoff (maximale Reichweite bei Direktsprung: 7 Lichtjahre) und ist mit einem speziellen ATSL (Autokopplungssystem) für Raumstationen ausgestattet.

Was will ich mit diesen übertriebenen Detailangaben – von denen viele für das Spiel überhaupt nicht relevant sind – sagen? Elite hat dadurch eine eigene, glaubwürdige und stimmige Welt erschaffen. Auch wenn die grafischen Möglichkeiten begrenzt waren, und man die im Handbuch detailliert beschriebenen, hochtechnischen Antriebs- und Waffensysteme meiner MkIII gar nicht sehen konnte, so waren sie doch da. Wenn auch nicht auf dem Nordmende-Fernseher, so aber in meiner Fantasie!

Die Raumschiffbeschreibung stammt aus dem Handbuch. Toll, nicht wahr. Die Thargoiden in Elite fand ich schon immer faszinierend. Noch heute übrigens. Aus dem Handbuch: "Thargoiden kämpfen immer, und einige von ihnen sind menschlichen Piloten vom Status Elite ebenbürtig. Thargoiden sind Ihr gefährlichster Gegner, der neben seiner schiffseigenen Feuerkraft auch ferngesteuerte Killerraumer, sogenannte 'Thargonen' aktivieren kann. Zerstören Sie jedoch das achtseitige Mutterschiff, werden die 'Thargonen' deaktiviert." (Bild: Firebird)

Die Raumschiffbeschreibung stammt aus dem Handbuch. Toll, nicht wahr. Die Thargoiden in Elite fand ich schon immer faszinierend. Noch heute übrigens. Aus dem Handbuch: “Thargoiden kämpfen immer, und einige von ihnen sind menschlichen Piloten vom Status Elite ebenbürtig. Thargoiden sind Ihr gefährlichster Gegner, der neben seiner schiffseigenen Feuerkraft auch ferngesteuerte Killerraumer, sogenannte ‘Thargonen’ aktivieren kann. Zerstören Sie jedoch das achtseitige Mutterschiff, werden die ‘Thargonen’ deaktiviert.” (Bild: Firebird)

Damals, als die Spiele noch richtige Verpackungen zum Anfassen hatten. Und jede Menge Beilagen! (Bild: StiGGys Blog)
Damals, als die Spiele noch richtige Verpackungen zum Anfassen hatten. Und jede Menge Beilagen! (Bild: StiGGys Blog)

Auf der Suche nach „griffigeren“ Definitionen

Selim Baykara von Giga.de geht bei dem Versuch „immersiv“ zu definieren noch einen Schritt weiter und listet die Eigenschaften auf, die diesen Effekt hervorrufen sollen. Nach seiner Auffassung zählen in Computerspielen dazu vor allem:

  • Stimmigkeit und innere Geschlossenheit der fiktiven Umgebung
  • Realistisches Verhalten von computergesteuerten Figuren
  • Vielfältige Möglichkeiten mit der Spielwelt zu interagieren
  • Hoher grafischer Detailgrad

Erfüllt ein Spiel diese Eigenschaften ist es “immersiv” – der Spieler vergisst die reale Welt um sich herum und taucht komplett ins Spiel ein. Die virtuelle Umgebung wird für die Dauer des Spiels zur Primär-Realität – ähnlich wie in einem Traum. Dabei ist natürlich egal, ob die Spielwelt den Gesetzmäßigkeiten unserer eigenen Welt folgt.“

Endlich mal eine griffige Punktetabelle, anhand derer ich prüfen kann, ob mein Elite „immersiv“ ist oder nicht. Na dann mal los; gehen wir die Punkte einzeln durch:

Stimmigkeit und innere Geschlossenheit der fiktiven Umgebung

Das hake ich mal als erfüllt ab. Aus dem Handbuch: „Es gibt acht Galaxien und über 250 bekannte Planeten in jeder Galaxis. Ein so gewaltiges Universum enthält wenig was absolut vorhersagbar wäre. Es bietet unendliche Möglichkeiten für Abenteuer.“ Als Spieler in Elite ist man ein Weltraumabenteurer, der zwischen Sternsystemen Handel treiben, sich als Kopfgeldjäger verdingen oder ein Dasein als Pirat ausleben kann. Wie genau man dabei vorgeht, ist einem selbst überlassen. Während viele Computerspiele dieser Zeit genau vorgeben haben, welcher Weg einzuschlagen ist, bietet Elite vor allem eines: unbegrenzte Freiheit. Es gilt, die eigene Geschichte zu schreiben. Das ganze Universum ist dabei mehr als nur eine Spielumgebung, es ist Projektionsfläche der eigenen Fantasie, in der man sich selbst verlieren kann.

Realistisches Verhalten von computergesteuerten Figuren

Ganz klar erfüllt! Aus dem Handbuch: „Nicht alle Schiffe in der Tiefe des Raums, auch nicht kleine Kampf- Raumer, sind Piratenschiffe. Die meisten Raumfahrzeuge werden auf feindselige Handlungen feindselig reagieren. Greifen Sie einen Polizeiraumer an, oder handeln Sie mit illegalen Waren (siehe Kapitel HANDEL), wird Ihre Einstufung in VERBRECHER (Gefährlich) oder noch höher umgewandelt. Zerstören Sie Piratenschiffe oder eliminieren Sie Thargoidische Eindringlinge (oder Asteroiden), bekommen Sie eine Prämie als Belohnung. Schießen Sie auf die Coriolis-Raumstation, werden Sie von deren Abfangjägern (Viper Kampfraumer) angegriffen.“

Vielfältige Möglichkeiten mit der Spielwelt zu interagieren

Auch erfüllt. Aus dem Handbuch: „Ob Sie nun durch Kopfgeldjagd zu Reichtum kommen oder den ungefährlicheren Weg des traditionellen Händlers beschreiten, allenfalls sich verteidigen wollen – die politische wie wirtschaftliche Infrastruktur der Planeten sind für Ihre Reise durch die Galaxis kursbestimmend.“

„Handel: Die meisten Raumstationen haben die Handelsabwicklung erheblich vereinfacht, um die Umschlagsgeschwindigkeit bei Schiffen und Waren zu beschleunigen.“

„Bergbau: Wer Bergbau auf Asteroiden betreiben will, benötigt Raumgreifer und einen speziellen Asteroiden-Laser auf dem Schiff. Damit ausgestattete Schiffe werden als “Belter” bezeichnet. Sie suchen nach Asteroiden, zerlegen sie mittels Laser in kleine Stücke, die in den Laderaum verfrachtet werden können.“

„Piraterie: Piraterie ist ein großes, ertragreiches Geschäft. Vorausgesetzt, dass das Piratenschiff mit einem Raumgreifer ausgestattet ist, können die treibenden Container zerstörter Frachter geborgen und verkauft werden. Um als Pirat zu überleben, Frachterkonvois und kleine Schiffe zu überfallen, braucht man sehr große Kampferfahrung. Denn nicht nur Polizei-Viper verfolgen einen, sondern auch andere Piratenschiffe und Prämienjäger lauern.“

Hoher grafischer Detailgrad

Oje, damit kann Elite nicht punkten. Die Voraussetzung ist objektiv betrachtet nicht erfüllt. Das ungeschulte Auge sieht ja nur Linien.

Eine Coriolis Raumstation in Elite, oder nur eine Handvoll Linien? (Bild: Firebird)
Eine Coriolis Raumstation in Elite, oder nur eine Handvoll Linien? (Bild: Firebird)

Dabei haben David Braben und Ian Bell mit vielen Tricks und Kniffen alles (und noch viel mehr) aus dem C64 herausgequetscht, um das Unmögliche möglich zu machen: Flüssige 3D-Vektorgrafik in Echtzeit auf einem Prozessor darzustellen, der nie dafür konzipiert worden war. Der C64 ist mit seinem 1 MHz getakteten MOS 6510-Prozessor wahrlich kein Rechenkünstler.

Die Objekte wurden als monochromes Gittermodell unter Berücksichtigung verdeckter Kanten dargestellt. Also nur diejenigen Linien, die der Spieler von einem Objekt sehen konnte, waren sichtbar. Um die Performance weiter zu erhöhen, wurden ausschließlich konvexe, möglichst symmetrische Formen für die Objekte verwendet. Zudem hatten alle Raumschiffe nur Ausbuchtungen nach außen, nie nach innen. Das hat lt. Braben die Geschwindigkeit um 40% erhöht.

Die horizontale Auflösung wurde auf 256 Pixel (von möglichen 320 Pixel) reduziert, um die Performance um weitere ca. 20% zu verbessern. Doch dass alles reichte noch nicht. Es dauerte auf dem C64 zu lang zwischen zwei Renderings den Bildschirm zu löschen. Aus Speichergründen konnte der Bildschirminhalt auch nicht doppelt gepuffert werden. Daher wurde die Raumschiffe Linie für Linie gezeichnet und anschließend mit der gleichen –nur invertieren- Routine wieder Linie für Linie gelöscht. Das kann man manchmal auch sehen (flimmern der Linien bzw. seltener sogar fehlende Linien).

David Braben höchst persönlich hat in einem Vortrag auf der GDC 2011 (Game Developers Conferences) in San Francisco über die Entstehung von Elite berichtet. Wen es interessiert: Das Video dazu findet ihr hier. Die Original Power-Point-Präsentation von David Braben kann man hier downloaden.

Schade, fast hätte es Elite geschafft. Das war aber knapp. Aber beim letzten Punkt (Hoher grafischer Detailgrad) muss Elite leider passen. Jedenfalls nach dieser Definition. Nach meiner Lesart kann der fehlende grafische Detailgrad durch die Fantasie des Spielers ersetzt werden. Dann wiederum erfüllt Elite diese Definition; bei mir zumindest.

Der Medienwissenschaftler Dr. Jan-Noël Thon widmet dieser Thematik gleich ein ganzes Buch mit dem Titel: „Immersion revisited : Varianten von Immersion im Computerspiel des 21. Jahrhunderts“. Er schreibt:

Es ist sicherlich plausibel, dass die dreidimensionalen Räume heutiger Computerspiele mit ihren hochauflösenden Grafiken und den die Raumerfahrung verstärkenden Soundeffekten die Immersion in diese Räume erleichtern.

Allerdings ist für das Entstehen von räumlicher Immersion nicht unbedingt eine realistische audiovisuelle Darstellung der Schauplätze notwendig.

Dr. Jan-Noël Thon

Aha. Die fehlende Eigenschaft (Hoher grafischer Detailgrad) aus dem Pflichtenheft von Selim Baykara ist also für die räumliche Immersion gar nicht unbedingt notwendig. Wenn das so ist, dann ist Elite auf dem C64 aus dem Jahre 1985 trotz dieser fehlenden Eigenschaft ja doch „immersiv“.

Apropos Eigenschaft. Elena Gorfinkel stellt fest, dass Immersion keine Eigenschaft eines Computerspiels, sondern ein Effekt ist, den dieses Spiel im Spieler produziert. (Elena Gorfinkel, zitiert nach Salen und Zimmerman: Rules of Play, S. 453)

Auweia. Auch das noch! Wenn Immersion keine Eigenschaft eines Computerspiels ist, wie kann man dann immersive Spiele über Eigenschaften definieren, wie es Selim Baykara von Giga.de tut. Wie war das noch? „Erfüllt ein Spiel diese Eigenschaften ist es “immersiv“. Ich verstehe das so: Nicht die Grafik- und Soundeigenschaften sind es auf die es ankommt, sondern das was das Spiel in meinem Kopf auslöst.

Dr. Elena Gorfinkel ist nicht irgendwer. Sie ist Associate Professor Department of Art History and Film Studies Program, University of Wisconsin-Milwaukee. Aber egal, wir wollen ja nicht kleinlich sein.

Selim Baykara nennt übrigens als gelungenes Beispiel für ein immersives Spiel an erster Stelle Thief: The Dark Project. Dem stimme ich zu, bis auf den Punkt, an dem auch Elite nach seiner eigenen Definition scheitern würde (Hoher grafischer Detailgrad). Die Grafik ist fürchterlich (war sie im Grunde schon bei seinem Erscheinen) und besticht schon gar nicht durch einen hohen Detailgrad. Von den bauklotzartigen Wachen ohne Finger ganz zu schweigen. Ob hier die Fantasie helfen kann?

Eine typische Szene aus Thief 1. Urteilt selbst: Erfüllt Thief die immersive Eigenschaft "Hoher grafischer Detailgrad"? (Bild: Looking Glass Studios)
Eine typische Szene aus Thief 1. Urteilt selbst: Erfüllt Thief die immersive Eigenschaft “Hoher grafischer Detailgrad”? (Bild: Looking Glass Studios)

Thief geht dennoch auch bei mir als „immersiv“ durch. Dazu tragen die Ego-Perspektive (Garrett ist mein Avatar) und die fiktive Stadt bei, die durch die stimmungsvolle, mittelalterlich düstere Atmosphäre geprägt ist. Die Licht- und Schattenumgebung ändert sich, wenn ich eine Fackel mit einem Wasserpfeil lösche. Die Soundkulisse ist dicht und die Stadt; na ja, lebendig ist jetzt übertrieben. Aber es laufen Bewohner und Wachen umher und unterhalten sich. Sie reagieren auf meine (zu lauten) Schritte. Dagegen helfen übrigens Moospfeile, die Gunnar Lott so liebt (über das Spiel haben Stay Forever einen hörenswerten Podcast aufgenommen).

Die Moospfeile sind tatsächlich lächerlich und machen ein Teil der Immersion wieder kaputt. Da hat Gunnar Lott schon völlig recht; wieso zieht er sich nicht einfach Filzschuhe an? Bei Thief fehlt es aber auch am „Flow“. Thief kann man nicht so spielen, wie z.B. Quake. Quake hat diesen „Flow“. Der Spielfluss wird nicht unterbrochen wie es bei Thief der Fall ist. Spielstand neu laden kommt bei Quake selten vor. Auch Half Life 2 hat diesen „Flow“. Selbst wenn ein Spielabschnitt beendet ist, wird der Spielfluss nicht unterbrochen; der folgende Abschnitt fügt sich meist nahtlos und flüssig ein. Und die Balance passt. Es unterfordert mich nicht und ist dabei nie zu schwer oder unfair. Es flutsch einfach. Bei Thief ist Speichern und Spielstand neu laden Pflicht, sonst führt es schnell zu Frustration. Der Medienwissenschaftler Dr. Jan-Noël Thon schreibt dazu:

Wie sich Flow nur einstellt, wenn der Herausforderungsgrad einer Tätigkeit den Handelnden weder überfordert (was früher oder später zu Frustration führt) noch unterfordert (was letztlich in Langeweile resultiert), so stellt sich ludische Immersion nur ein, wenn der Spieler das Interface beherrscht und seine Fähigkeiten dem Anforderungsgrad des Spiels entsprechen, er also gefordert wird ohne überfordert zu werden.”

Dr. Jan-Noël Thon

Der Artikel listet folgende Spiele auf, „die immer wieder als besonders immersiv angeführt werden“:

  • Thief: The Dark Projekt
  • Deus Ex
  • Elder-Scrolls-Reihe (z.B. Skyrim)
  • Fallout 3
  • Metroid Prime
  • Mirrors Edge
  • Dark Souls
  • Witcher 3
  • Assassins-Creed-Reihe

Nanu? Da fehlt ja Elite. Wie konnte denn das passieren? Sicher ein Versehen. Das GTA fehlt, stört mich nicht, das habe ich nie gespielt. Aber damit gerechnet, dass es hier irgendwo auftaucht, habe ich schon. Es liegt mir nicht, die Liste zu kritisieren, aber meine Vorstellung von „besonders immersiven“ Spielen sieht etwas anders aus. Der Begriff „immersiv“ scheint also eher subjektiv besetzt zu sein.

Auffällig ist, dass die Aufzählung nur reine 3D-Spiele aus der Ego- bzw. Third-Person-Perspektive enthält. Immerhin sind drei „ältere“ Spiele dabei. Thief und Fallout 3 sind aus dem Jahr 1998 und Deus Ex aus dem Jahr 2000. Schade, dass kein einziges Spiel aus der 8-Bit/16-Bit Ära dabei ist.

Spiele aus der 8-Bit/16-Bit-Ära waren meist zweidimensional. Oft hat man einen Helden gesteuert, der aus pixeligen Sprites bestand. Da war schon etwas Fantasie gefragt, um sich mit der Figur zu identifizieren und völlig in die Spielwelt abzutauchen.

Aber hey; was hat die Uni-Professorin nochmal gesagt: „Immersion ist keine Eigenschaft eines Computerspiels, sondern ein Effekt, den dieses Spiel im Spieler produziert.“ Nach meiner Lesart sind es also nicht die Grafik- und Soundeigenschaften auf die es ankommt, sondern das was das Spiel im Kopf auslöst.

Immersive Spiele aus der 8-Bit/16-Bit-Ära zu finden, ist offenbar dennoch schwer. Gibt es denn wirklich keine?

Szene aus Simon the Sorcerer. (Bild: Adventure Soft)
Szene aus Simon the Sorcerer. (Bild: Adventure Soft)

Daniel Wagner schreibt im Artikel: “Habe ich das Spielen verlernt?”:

Ich habe gespielt und gefühlt – und das war großartig.

Rechts droht ein gefährlicher Panzer, den pflichtbewusst heranstapfenden Soldaten zu überfahren. (Bild: Beach Head II, Access Software)
Rechts droht ein gefährlicher Panzer, den pflichtbewusst heranstapfenden Soldaten zu überfahren. (Bild: Beach Head II, Access Software)

Ich selbst habe „Simon the Sorcerer“ zwar nie gespielt. Aber Du, im Alter von 15 oder 16 Jahren. So wie Du Deine Erlebnisse beschrieben hast, müsste es für Dich in diesem Alter doch immersiv gewesen sein. Oder wie siehst Du das?

Andreas Wanda schreibt in “Space Invasion sollte es sein, mit Commando kam ich heim”:

Niemand vergisst den Moment, als in Beach Head II der Panzer sich nicht rechtzeitig in eine handvoll Pixel auflösen und den pflichtbewusst heranstapfenden Soldaten vor einem schrecklichen Tod bewahren lässt: „Alles in Ordnung, Andreas?“ riefen die Eltern schon mal ums Eck, ich erblasst und schockstarr. „Immersive“ würde man heute vor einem Kaminfeuer, die Pfeife fest umklammernd, aus der Strickweste heraus wissend urteilen.

Hier hast Du die Frage ja schon selbst beantwortet. Beach Head II hat zumindest immersive Momente.

Koronis Rift. "Danger. Guardian Saucers approaching". (Bild: LucasFilm Games)
Koronis Rift. “Danger. Guardian Saucers approaching”. (Bild: LucasFilm Games)

Im Artikel “30 Jahre Koronis Rift” schreibt Andreas Wanda:

…ich sitze zweifellos in meinem Modular Rover – Mark IV, versteht sich – und werde jedes der zwanzig Rifts nach Reichtümern durchkämmen. Sagenhaft, wie die perfekt realisierte Ego-Perspektive das Kinderzimmer, wo gerade erst eben die Wickie-Bettdecke die schützende Hand auf ein Schulkind legte, zu einem hochtechnisierten Fahrzeug auf gefährlicher Mission verwandelt.

Ich liebe diesen Beitrag von Dir. Wie sieht es mit Koronis Rift aus. Immersiv oder nicht?

André Eymann in “Call of Duty – Ein Wächter der Geschichte”:

Ich habe das Spiel für diesen Artikel noch einmal durchgespielt und mich immer wieder dabei ertappt, die geplante Zeit für jede Session weit überzogen zu haben. Man klebt förmlich am Keyboard und wird mit all seinen Sinnen in das Spiel hineingezogen. Kaum bin ich am Bunkerposten vorbeigekommen, rückt der Nachschub unserer Airborne Division an. Die Deutschen geben Fliegeralarm und ein breiter Sirenenton erfüllt die Luft. Es regnet Fallschirme und im gleichen Moment, in dem meine Jungs landen, eröffnen die Deutschen das MG-Feuer. Ich bin im Gefecht. Ich BIN im Gefecht. ICH BIN IM GEFECHT! Und kämpfe jede Sekunde um mein Überleben.

Bildschirmfoto von Call Of Duty. (Bild: André Eymann)
Bildschirmfoto von Call Of Duty. (Bild: André Eymann)

Ich habe Deinen tollen Gastbeitrag „Call of Duty – Ein Wächter der Geschichte“ auf minkitink.de gelesen. Okay, kein Spiel aus der 8-Bit/16-Bit-Ära, aber schon recht alt. So wie Du es beschreibst, könnte es für Dich immersiv gewesen sein, oder?

Nein, Du kommst hier nicht rein! Das ist kein hilfesuchender, abgestürzter Pilot, sondern ein fieser "Jaggie", der sich gerade mit Gewalt Zutritt verschafft. (Bild: LucasFilm Games).
Nein, Du kommst hier nicht rein! Das ist kein hilfesuchender, abgestürzter Pilot, sondern ein fieser “Jaggie”, der sich gerade mit Gewalt Zutritt verschafft. (Bild: LucasFilm Games).

Elite ist eines der wenigen echten 3D-Spiele aus der 8-Bit/16-Bit-Ära und deshalb – für mich – noch am ehestens als immersiv zu bezeichnen. Obwohl, wenn ich darüber nachdenke, hatten die frühen Spiele von Lucasfilm Games (Ballblazer, Rescue on Fractalus, The Eidolon, Koronis Rift) sogar schon ausgefüllte 3D-Grafik, die zudem noch sehr flüssig war. Das waren aber auch klasse Spiele, gell. Sensationelle Fraktalgrafik eingebettet in frische, unkonventionelle Spielideen. Spiele mit Charme, Witz und mit niedlichen und (nicht immer) friedfertigen Aliens. Immersiv waren sie aber für mich nur bedingt, obwohl es so manche Schrecksekunde gab.

Bei Rescue on Fractalus habe ich mich z. B. ziemlich erschrocken, als ich einen vermeintlich gestrandeten Piloten aufnehmen wollte, der sich aber als fieser Jaggie entpuppte und anfing, wild auf mein Raumschiff einzuschlagen. Bei The Eidolon gab es einen ganz ähnlichen Moment. Zu Tode erschrocken habe ich mich, als mir ein Dings-Bums (keine Ahnung was das war) wie aus dem Nichts plötzlich auf die Scheibe geklatscht hat. Immersive Spiele müssen aber nicht zwangsläufig dreidimensional sein.

Ant Attack für den C64. (Bild: Quicksilva)
Ant Attack für den C64. (Bild: Quicksilva)

Ein weiteres, im weitesten Sinne immersives Spiel, ist für mich Ant Attack von Quicksilva, das 1984 auf dem C64 erschienen ist. Das lag vor allem an den fiesen Riesenameisen. Aber auch an der isometrischen Perspektive und der Möglichkeit den Betrachtungswinkel während des Spiels zu ändern.

Ant Attack spielt in einer (von Menschen) unbewohnten Ruinenstadt, in der es nur so von gefährlichen Riesenameisen wimmelt. Die Ameisen können sich nur auf dem Boden bewegen, während unser Held auch auf Mauern und Gebäude klettern kann, die mehrere Ebenen haben können. Ziel des Spiels ist es, ein vermisstes Mädchen erst zu finden und anschließend sicher aus der Stadt zu geleiten.

Ich war etwas 14-15 Jahre alt, als ich Ant Attack gespielt habe. Vor den Riesenameisen hatte ich echt Schiss. Die waren real und haben sich auch so bewegt. In meiner Fantasy natürlich. Die fiktive Ruinenstadt war stimmig und ich konnte mich auf den Mauern vor den Riesenameisen in Sicherheit bringen. Es kommt einem immersiven Spielerlebnis nach meinem Verständnis schon recht nahe. Nein, ich habe keine Ameisenphobie!

So wie auf dem Cover muss ich mir die Riesenameisen im Spiel im Alter von 14-15 Jahren vorgestellt haben. Sie sahen mit etwas Fantasie ja auch im Spiel ganz genauso aus ;). Soeben habe ich das Mädchen gefunden und sie bittet mich, sie von hier fortzubringen. Natürlich habe ich genau das getan. Ich war ja schließlich ihr Held. (Bild: Quicksilva)
So wie auf dem Cover muss ich mir die Riesenameisen im Spiel im Alter von 14-15 Jahren vorgestellt haben. Sie sahen mit etwas Fantasie ja auch im Spiel ganz genauso aus ;). Soeben habe ich das Mädchen gefunden und sie bittet mich, sie von hier fortzubringen. Natürlich habe ich genau das getan. Ich war ja schließlich ihr Held. (Bild: Quicksilva)

Das ultimative immersive Spiel aus dem Jahr 1983

Dietmar Bertling hat ein Buch über Ataris Spielautomaten geschrieben. Ein Kapitel befasst sich mit der Entstehung von Ataris Star Wars. Der folgende Auszug stammt aus dem Vorwort zu diesem Kapitel. Er beschreibt darin, seine erste Begegnung mit eben diesem Automaten. Es beginnt damit, dass der 13-jährige Dietmar Bertling ein Geldstück aus dem Portemonnaie nahm und es zitternd in den Münzeinwurfschlitz steckte. Dann kletterte er vorsichtig in die Cockpit-Kabine und nahm auf der einladenden Sitzbank Platz.

Der legendäre Star Wars Automat aus dem Jahr 1983 von Atari: "ein wahres Wunder". (Bild: Werbung Atari)
Der legendäre Star Wars Automat aus dem Jahr 1983 von Atari: “ein wahres Wunder”. (Bild: Werbung Atari)

„Mein Puls raste und meine Hände waren so nass, dass ich den Controller nicht einmal richtig zu fassen bekam. Wie gebannt starrte ich auf den Monitor und harrte der Dinge, die jetzt auch mich zukommen würden.

Ich befand mich im Cockpit einer X-Wing und blickte ins Weltall hinaus. Lichtjahre entfernte Sterne leuchteten um mich herum und alles schien friedlich zu sein. Plötzlich tauchten imperiale Raumjäger kreischend aus der Dunkelheit des Alls auf und beschossen mich mit unzähligen sternenförmigen Lasersalven. Sie explodieren so dicht vor meinen Augen, dass ich nicht mehr wusste, wo der Gegner war.

Angriffswelle auf Angriffswelle rollte gnadenlos auf mich zu, doch ich wehrte mich tapfer und schaffte es, die Feinde in ihre Einzelteile zu zerlegen. Da erschien der Todesstern auf dem Bildschirm. Die Schubdüsen meines X-Flüglers heulten auf und ich begann mit dem Anflug auf die riesige Raumstation. Auf der schwer befestigten Oberfläche des Todessterns angekommen, erschienen plötzlich Lasertürme und Geschützbunker auf der Bildfläche und eröffneten augenblicklich das Feuer. Nur mit waghalsigen Flugmanövern gelang es mir, nicht mit ihnen zu kollidieren und ihren tödlichen Feuerbällen auszuweichen.

Nachdem ich die äußeren Verteidigungsanlagen der imperialen Kampfstation durchbrochen hatte, jagte ich nun in rasender Geschwindigkeit durch den Graben des Todessterns. Die Luken der Gabengeschütze öffneten sich und feuerten aus allen Rohren, Barrieren tauchten wie aus dem Nichts auf und versperrten mir den Weg. Der Kampf tobte so stark wie nie zuvor. Meine Kräfte schwanden und mein Schutzschild war aufgebraucht – „Shield Gone“ leuchtete in großen, flackernden Buchstaben auf dem Bildschirm. Ich würde es nicht mehr schaffen.

Doch was war das? Der Hinweis „Exhaust Port Ahead“ tauchte auf einmal auf dem Monitor auf. Der Lüftungsschacht! Endlich! Da konnte ich ihn schon sehen. Ich konzentriere mich auf seine winzige Öffnung und hämmerte wie wahnsinnig auf den Feuerknopf. Doch die abgefeuerten Protonentorpedos verfehlten ihr Ziel und ich crashte gegen die dahinter liegende Wand. „Game Over“ erschien auf dem Bildschirm, und das Spiel war vorbei.

Erschöpft ließ ich mich zurückfallen. Ich konnte nicht glauben, was ich soeben erlebt hatte und war von den Eindrücken völlig überwältigt. Von wegen Hasenfuß. Ich war Luke Skywalker! In diesem Augenblick durchströmte ein unbeschreibliches Glücksgefühl meinen Körper, so als hätte mir Prinzessin Leia ein Lächeln geschenkt. Jene Momente zählen für mich bis heute zu den aufregendsten und intensivsten Augenblicken meiner gesamten Videospiel-Vita. Als VSC-gewohnter Teenager erschien einem der Automat als ein wahres Wunder.“

Wow. Wenn das mal kein immersives Spielerlebnis war! Hätte Selim Baykara bloß dieses Buch gelesen. Dann wäre das Spiel auch auf seiner Liste. Und zwar ganz weit oben!

Luke Skywalker erreicht den Todesstern. "Plötzlich erschienen Lasertürme und Geschützbunker auf der Bildfläche und eröffneten augenblicklich das Feuer." (Bild: Atari)
Luke Skywalker erreicht den Todesstern. “Plötzlich erschienen Lasertürme und Geschützbunker auf der Bildfläche und eröffneten augenblicklich das Feuer.” (Bild: Atari)

Der wissenschaftliche Ansatz

Ohne Selim Baykara zu nahe treten zu wollen. Aber sein Ansatz und seine Beispiele überzeugen mich noch nicht vollends. Was sagen denn die Experten? Die US-amerikanische Professorin für digitale Medien Janet H. Murray ist eine Koryphäe auf diesem Gebiet und wird gerne zitiert. Die muss es wissen. Sie beschreibt „Immersion“ wie folgt:

Die Erfahrung, in eine aufwändig simulierte Umgebung transportiert zu werden, ist an sich angenehm, unabhängig vom fantastischen Inhalt. Immersion ist ein metaphorischer Begriff, abgeleitet von der physikalischen Erfahrung des Untertauchens in Wasser.

Wir suchen nach demselben Gefühl einer psychologisch immersiven Erfahrung wie wir sie von einem Sprung ins Meer oder den Swimming Pool erwarten: Das Gefühl, von einer vollständig anderen Realität umgeben zu sein, so unterschiedlich wie sich das Wasser zur Luft verhält, die unsere gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht, unseren gesamten Wahrnehmungsapparat

Janet H. Murray: Hamlet on the Holodeck: The Future Of Narrative In Cyberspace. Free Press, New York 1997, ISBN 978-0-684-82723-0, S. 98 f.

Auweia, da hat die Professorin die Messlatte aber ganz schön hoch gelegt. Das Spiel, das dieser Definition auch nur annähernd gerecht wird, muss erst noch erfunden werden.

Den Medienwissenschaftler Dr. Jan-Noël Thon interessiert hauptsächlich, auf welche Ebenen von Computerspielen sich die Aufmerksamkeit von Spielern verlagert, durch welche Elemente von Computerspielen also Immersion hervorgerufen wird. Er unterscheidet zwischen einer räumlichen, einer ludischen (= spielerischen), einer narrativen (= erzählerischen) und einer sozialen Ebene in Computerspielen. Sein Fazit lautet wie folgt:

Räumliche Immersion entspricht am ehesten der Verlagerung der Aufmerksamkeit des Spielers auf den Raum der Spielwelt. Ludische Immersion umfasst die Verlagerung der Aufmerksamkeit des Spielers auf die Steuerung seines Avatars, auf die Interaktion mit den Schauplätzen und ihrem Inventar. Sie hat als eine Voraussetzung das Gleichgewicht von Fähigkeiten des Spielers und Anforderungen des Spiels und ließe sich vermutlich auch mit Hilfe des Begriff des ‚Flows’ beschreiben.

Der Begriff der narrativen Immersion als Verlagerung der Aufmerksamkeit des Spielers auf den Fortgang der Geschichte und die in ihr vorkommenden Figuren ließe sich durch die Begriffe Spannung und Empathie ersetzen. Soziale Immersion schließlich als Verlagerung der Aufmerksamkeit des Spielers auf den durch ein Multiplayer-Spiel geschaffenen sozialen Raum ließe sich vermutlich auch mit Begriffen wie Kommunikation und sozialer Interaktion umschreiben.

Dr. Jan-Noël Thon “Immersion revisited. Varianten von Immersion im Computerspiel des 21. Jahrhunderts.” In: Christian Hißnauer/Andreas Jahn-Sudmann (Hg.): Medien – Zeit – Zeichen. Beiträge des 19. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums. Marburg: Schüren 2006. S. 125-132.

Das ist mir jetzt eindeutig zu theoretisch. Ich bin ja eher praktisch veranlagt und brauche anschauliche Beispiele. Der Begriff „immersiv“ ist bei Computerspielen ohnehin nicht klar definiert. Auch die Wissenschaft ist sich uneins. Jede Spieler hat vermutlich eine andere Vorstellung von immersiven Spielen. Ob immersiv oder nicht; letztendlich kommt es auf den Spielspaß an. Das ist wichtig!

Es ist aber schon bemerkenswert, dass sich offensichtlich ein Schaar von Wissenschaftlern und Professoren mit Immersion in Computerspielen beschäftigen. Das ist doch nur möglich, wenn die selbst intensiv spielen. Das bedeutet aber auch, dass Computerspiele eine faszinierende Wirkung entfalten und in der Gesellschaft mittlerweile eine wichtige Rolle einnehmen. Ganz nebenbei hat der weltweite Umsatz für Computerspiele den Gesamtumsatz der Filmbranche längst überflügelt.

Die Eingangsfrage lautete: „Wann ist ein Spiel immersiv?“ So richtig beantworten kann ich die Frage immer noch nicht. Aber ich habe eine ungefähre Vorstellung davon. Ihr hoffentlich auch. Elite zählt ja sowieso dazu, das ist ja quasi wissenschaftlich belegt 😉

Die (älteren) Spiele, die ich persönlich als immersiv empfunden habe, sind neben Elite, Ant Attack und die frühen Lucasfilm Games auf dem C64, Wing Commander auf dem Amiga, Zelda: Ocarina of Time auf der N64, Half Life, Mafia, Medal of Honor, Call of Duty und Far Cry auf dem PC. Bei einigen davon habe ich die Gründe auch schon genannt. Und zwar in dem Beitrag: „Eine Zeitreise durch meine ganz persönliche Videospielgeschichte“.

JETZT BIST DU GEFRAGT!
Welche Spiele empfindet ihr als immersiv bzw. habt ihr noch aus Eurer Kindheit/Jugend als immersiv in Erinnerung und warum? Und vor allem: gibt es bei Euch auch immersive Spiele aus der 8-/16Bit-Ära?

PS: Auf den Begriff „narrativ“ in Bezug auf Computerspiele bin ich noch gar nicht eingegangen. Das wird wohl ein eigener Beitrag werden, mal sehen.


Veröffentlicht in: Videospielgeschichten
Tobi

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Kommentare (23)

  1. Ich spiele momentan The Evil Within und während des Spielens musste ich immer wieder an diesen Artikel denken, weswegen ich auch nochmal einen Kommentar schreibe.

    Vorweg, zum Zeitpunkt dieses Kommentars hab ich das Spiel noch nicht durchgespielt. Mir ist jedoch während des zockens aufgefallen, dass Immersion auch mit einem selbst und dem Gameplay zutun hat. Ich persönlich bin kein Freund von Shootermechaniken, weshalb ich auch kein guter Shooterspieler bin. Nun ist The Evil Within aber ein Shooter, simpel runtergrebrochen. Um der Frustration zu entgehen spiele ich solche Spiele dann schon auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad, um die Story zu erleben, aber vom Gameplay nicht zu sehr überfordert zu werden. Dennoch bleibt es aber nicht aus, dass ich mal hin und wieder sterbe. Und da ist für mich dann das Problem. So wie ein Witz beim zweiten mal nicht mehr so witzig ist wie beim ersten Mal, ist auch ein Schreckmoment oder ein Monster beim zweiten Mal nicht mehr sor gruselig. Wem kann man nun aber den Vorwurf machen? Kann man überhaupt einen Vorwurf machen? Und wie lässt sich auch in diesem Fall Immersion und Atmosphäre und in diesem Falle Grusel aufrecht erhalten?

    1. Mensch Lenny, ich kann es nicht fassen. Du spielt ein immersives Horrorspiel und must dabei an meinen Artikel denken. Wow!

      Leider kann ich zu „The Evil Within“ überhaupt nichts beitragen. Gerade habe ich mir ein Let´s Play-Video davon angesehen. Ist ja eher ein Horrorspiel. Ich mag keine Horrorfilme und Horrorspiele sind mir meist zu dunkel, trist und beklemmend.

      Außerdem möchte ich in Spielen nicht erschreckt werden. Das bedeutet nicht, dass Spiele nicht überraschen sollen, im Gegenteil. Überraschende Wendungen finde ich klasse, aber erschrecken können sie andere – nicht mich. Obwohl es mich schon reizen würde, Resident Evil 7 auf der PS4 in der VR-Version mal 10 Minuten auszuprobieren. 10 Minuten. Länger nicht!

      Aber wenn die Schockmomente gescriptet sind, wie offenbar in „The Evil Within“, dann können diese Momente auch nur einmal funktionieren. So wie man bei einem guten Witz auch nur einmal richtig lachen kann. Ein schlaueres Gameplay mit zufallsgesteuerten Ereignissen könnte helfen. Oder ein 2. Anlauf drei Wochen später.

      Bis dahin hätte ich vermutlich schon wieder genug vergessen, um alle Schockmomente völlig unvorbereitet – wie beim allerersten Mal – auf Neue zu erleben. Das hilft aber nur ab einem bestimmten erreichten Alter. Mein Tipp: Einfach nur älter werden 😉

      1. Spricht für deinen Artikel 😀

        Ja das ist eben die Krux an geskripteten Events. Und ist ja auch immer die Frage, ob random Ereignisse dann zu den Geschehnissen im Spiel passen. Da den Mittelweg zu finden ist verdammt schwer, denn egal wie geradlinig das Spiel ist, ist das Erlebnis allein schon durch das Spielen an sich immer ein anderes. Somit auch die eigenen Gefühle beim spielen und dadurch auch die Immersion.

        Und mit dem Älter werden, da mache ich jeden Tag fortschritte. 😉

  2. Ein interessanter Artikel, leider habe ich die Antwort auf meine Frage auch hier nicht gefunden. Via Suchmaschine suchte ich nach einer Definition, die mir sagen kann, ob Tetris zu den immersiven Spielen zählt oder nicht. Ausgangspunkt für die Suche war eine Diskussion in einem Forum, als jemand meinte, Tetris wäre das immersivste Spiel schlechthin, da der Spieler dort so gut “eintauchen” kann wie nirgends sonst. Ich widersprach dem und bezeichnete es als Pseudoimmersion. Der Spieler taucht nicht wirklich in das Spiel ein, sondern ist einfach nur so von der Mechanik vereinnahmt, dass aus reiner Konzentration die Umwelt im Bewusstsein verschwindet. Das kann aber auch jemanden passieren, der eine sehr komplexe handwerkliche Tätigkeit nachgeht, etwa als Uhrenmacher.

    Ich denke wichtig für den Immersionsbegriff ist das eintauchen in eine virtuelle >>Welt<< (anderer Begriff für virtuelle Realität). Diese Welt sehe ich bei Tetris oder auch Solitär nicht für gegeben. Einen Spielcharakter benötigt man jedoch nicht zwangsweise. Eine Welt kann auch dann immersiv sein, wenn man mehrere Charaktere oder gar ein Objekt steuert.

    Ich habe mich lange mit dem Thema Immersion beschäftigt und wenn ich die Definition auf Spiele auslege, welche die Bedinungen des vorherigen Absatzes entsprechen, dann ist es für mich recht klar:
    Ein immersives Spiel ist jenes, welches von möglichst vielen Spielern, die dieses Spiel gespielt haben, ob bewusst oder unbewusst als immersiv wahgenommen wird.

    Das ist natürlich erstmal ein bisschen wischi-waschi, aber es trifft den Kern ziemlich genau. Doch was erzeugt bei der Mehrheit der Spieler diese Immersion?
    Das wichtigste ist die Illusion einer in sich stimmigen Welt. Sie muss nicht stimmig sein, sondern der Spieler muss das Gefühl haben, das dem so ist. Je stimmiger die Welt ist, desto einfacher ist es aber für den Spieler, sie als solche zu erkennen. Der bessere Begriff ist dafür "glaubwürdige Welt". Eine Welt ist auch dann glaubwürdig, wenn sie fast keine Gemeinsamkeiten mit unserer Realität hat, aber in sich logisch aufgebaut ist. Gerade das ist etwas, was vom Spiel festgelegt wird und somit erstmal wenig mit dem Spieler zu tun hat.
    Der zweite Punkt wurde im Artikel genannt: Das Spiel darf nicht über-, aber auch nicht unterfordern. Im Optimalfall fesselt ein Spiel durch die Welt selbst anhand von interessanten Orten und Story/Lore. Alles, was mit Spielerfähigkeiten zu tun hat muss auf irgendeine Art und Weise auf den Spieler zurechtgeschnitten werden – was Entwickler häufig mit Schwierigkeitsgraden versuchen.
    Der 3. und letzte Punkt ist die Komposition der Features. Ein einzelnes Feature sorgt nicht für Immersion, kann aber im schlimmsten Fall sämtliche Immersion rauben. Erst alle Features zusammen geben dem Spiel die Immersion, die es hat. Wichtig ist aber, dass die Features zusammenpassen müssen. Greifen Gegner z.B. auch wärend der Dialoge mit anderen NPCs an, muss es auch möglich sein den Dialog mitten im Satz zu unterbrechen um auf die neue Situation reagieren zu können, sonst fühlt man die Spielmechanik des Dialogs und die Immersion ist dahin.

    Zudem gibt es einen Gegenspieler zur glaubwürdigen Welt: Spielspaß. Manchmal muss man Abstriche bei der Glaubwürdigkeit machen, etwa bei begrenzten Inventaren. In dem Fall würde die glaubwürdige Welt durch den Verlust von Spielspaß auch die Immersion verlieren.

    Das immersivste Rollenspiel ist aber Gothic 1 dicht gefolgt von seinem Nachfolger Gothic 2 (mit AddOn). Nicht grundlos hat Witcher 3 Gothic als Inspiration genutzt. Die Spiele sind 2001 und 2002 veröffentlicht wurden und haben einige Dinge sogar besser gemacht als jedes andere RPG danach bis heute. Leider haben Entwickler selten die eigene Anforderung ein immersives Spiel zu erschaffen und müllen beispielsweise das Interface mit unnötigen Anzeigen voll, bauen Questmarker ein und richten die Quests so aus, dass man sie ohne Questmarker gar nicht mehr lösen kann. Die Spielwelt verkommt dann zu einer reinen Kulisse. Was Gothic immersiv gemacht hat, erzählt ein User auf YT: https://www.youtube.com/watch?v=kSc-WRl-0pM . Aber man muss dazu sagen, dass es nicht auf die einzelnen Features ankommt, auf die der User eingeht, sondern darauf, dass jedes dieser Features zum Gesamtkonzept perfekt passen. Wenn ein Feature für Gothic perfekt ist, muss es nicht automatisch für jedes Rollenspiel zählen.
    Interessant ist übrigens auch, dass ich viele derartige Videos zu Gothic finde, aber beispielsweise keines für Skyrim. Warum? Weil Skyrim nicht sonderlich immersiv ist, obwohl es eigentlich mehr zu bieten hat.

    1. Danke für Deinen wunderbaren Kommentar, der den Artikel prima ergänzt. Ich hätte nicht gedacht, dass es so vielen da draußen genauso geht wie mir, und sich Gedanken über so eine trockene Materie wie Immersion in Computerspielen machen. Du gehörst ja auch dazu.

      Deine Eingangsfrage, ob Tetris zu den immersiven Spielen zählt, würde ich persönlich verneinen.

      Mit der gleichen Begründung, die Du schon genannt hast:
      „Der Spieler taucht nicht wirklich in das Spiel ein, sondern ist einfach nur so von der Mechanik vereinnahmt, dass aus reiner Konzentration die Umwelt im Bewusstsein verschwindet. Das kann aber auch jemanden passieren, der eine sehr komplexe handwerkliche Tätigkeit nachgeht, etwa als Uhrenmacher.“

      Du trifft den Nagel auch den Kopf. Bewusst oder unbewusst hast Du den Flow beschrieben. Und nicht ohne Grund gilt ausgerechnet Tetris als das Paradebeispiel für Spiele mit gutem Flow.

      Der Flow bezeichnet lt. Definition das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung (Konzentration) und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit die wie von selbst vor sich geht – auf Deutsch in etwa Schaffens- bzw. Tätigkeitsrausch. Der Mensch ist ganz im Hier und Jetzt und vergisst alles um sich herum.

      Auch Dein Beispiel des Uhrmachers passt hervorragend, um den Flow zu erklären. Du scheinst ja offenbar ein Experte für den Flow zu sein 😉 Jedenfalls passen Deine Definition, das Spiel Tetris und das Handwerk des Uhrmachers perfekt um den Flow zu erklären. Die Wissenschaft hätte es nicht anschaulicher darlegen können.

      Ich weiß das auch nur, weil ich mich mit dem Flow in Computerspielen für einen Artikel beschäftigt habe. Mal sehen, vielleicht kommt der Artikel auch irgendwann.

      Der Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi gilt als Schöpfer der Flow-Theorie. Der Wissenschaftler interviewte und begleitete relativ unbekannte Künstler, Chirurgen, Schachspieler, Extremkletterer und einfache Leute – jahrelang – auch in ihrem Alltag mit der Frage, wie Menschen ihr Bewußtsein ändern können, um sich als glücklich zu empfinden.

      Sein Fazit: Was im Leben zählt, ist, wie wir es erleben, also die Qualität der erlebten Erfahrung. Das Ziel der Handlung liegt nicht in seiner Realisierung, vielmehr ist der Weg das Ziel! Wenn alles zusammen passt, empfindet man ein so aufregendes und prickelndes Gefühl, welches man immer wieder erleben will.

      Das ist typisch für alle Tätigkeiten, die den Flow erzeugen, das Glücksgefühl. Das gilt für Tetris genauso wie für die konzentrierte Tätigkeit des Uhrmachers.

      Aber Immersion und Flow sind verschiedene Dinge. Der Flow setzt keine Immersion voraus.

      Ich sehe das wie Du. Immersion ist ein fragiler Zustand und kann durch schlechtes Spieldesign schnell zerstört werden. Da reichen schon einfache Logikbrüche, eine hakelige Steuerung oder eine unfaire, zufallsabhängige Spielbalance aus. Aber eine glaubwürdige Welt – ob nun real oder fiktiv – halte ich auch für eine Grundvoraussetzung für Immersion.

      1. Danke für die umfangreiche Antwort. Das sieht man selten unter einem Kommentar. 🙂 Das mit dem Begriff “Flow” ist mir auch erst seit der Recherche bekannt und habe es vorher eher unbewusst wahrgenommen.

        Es beschäftigen sich tatsächlich mehr Leute damit als man denkt. Im Privaten habe ich zwei Projekte, an dennen ich von Zeit zu Zeit arbeite. Das Eine ist ein Adventure in Minecraft, welches entgegen der meisten anderen Adventure auf Immersion setzt. Die Welt wird ohne unsichtbare Blöcke begrenzt und erfordert daher kreative Lösungsansätze. Ich bin selbst beeindruckt, wie kreativ man selber wird, wenn man sich das Immersionskorsett anlegt. Es ist aber auch sichtlich mehr Arbeit, weshalb ich Entwickler schon verstehen kann, wenn sie ihre Spiele nicht auf Immersion auslegen, auch wenn sich die Arbeit eigentlich lohnen sollte.

        Also Du siehst, aus dem anfänglichen Interesse ist bei mir ein Hobby entstanden und wer weiß ob sich daraus noch etwas mehr entwickelt. Aber ich bin auch der Überzeugung, dass immersive Spiele eine unterschätzte Marktlücke sind, die sich nicht wenige Menschen wünschen, besonders in modernen Rollenspielen.

        Bei Gelegenheit schaue ich bestimmt auch ein paar der anderen Artikel an. Mir gefällt die Arbeit, die hier reingesteckt wird.

        1. Ich habe zu danken. Bei der VSG ist es völlig normal, dass Kommentare beantwortet werden. Die VSG lebt vom Dialog. Darum geht es. Kommentare sind die Würze eines jeden Blogs.

          Und es lohnt sich ganz bestimmt auch „ein paar der anderen Artikel“ hier anzusehen.

          Ich habe die Seite auch erst recht spät für mich entdeckt. Die persönlichen Geschichten über Videospiele haben mich dazu inspiriert, selbst Artikel zu schreiben. Vor einem Jahr noch völlig undenkbar. Jeder der Lust dazu hat, kann hier schreiben. Große Schreibkünste sind nicht nötig.

          Dein Minecraft-Adventure-Projekt klingt super interessant. Das wäre z.B. ein ideales Thema für einen Artikel. Habe ich schon erwähnt, dass jeder der mag, hier Artikel schreiben kann…

  3. Ein wirklich toller Artikel!

    Interessant ist, dass der Begriff “Immersion” fast ausschließlich für chrarakterbezogene Spiele verwendet wird. Niemand würde, denke ich, ein Tetris als Immersiv betiteln. Hier spielt eher der Flow eine große Rolle. Der Flow unterstützt aber auch die Immersion, aber die Immersion nicht den FLow. So denke ich kann ein sperriges und eher unzugängliches Spiel schon immersiv wirken. Gerne wird auch die Athmosphäre und die Spielwelt als immersiv beschrieben.

    Als ich den Artikel laß, viel mir sofort Dark Souls ein, noch bevor es Erwähnung fand. Ich denke, was Dark Souls so interessant und immersiv macht, ist die einzigartige Spielwelt mit ihrer tief verwurzelten Lore und der Athmosphäre. Nichts wirkt aufgesetzt und alles scheint stimmig ineinander zu greifen. Jeder Raum ist gefüllt mit Geschichte und man hat das ständig das Gefühl ein kleiner Teil oder kleine Rolle in einer riesigen Spielewelt zu sein. (So auch bei Fallout 3 und Elite) Hinzu kommen die wuchtigen und überaus spannenden Kämpfe, welche dauerhaft höchste Konzentration erfordern.

    Dem entgegen stellt sich ein Witcher 3, welches auf mich lange nicht den selben Effekt hatte. Zwar ist auch diese Welt voll mit liebevollen Details und einer Geschichte, in welcher sich viele verlieren können, doch hatte ich hier nur das Gefühl der unbesiegbare und übermächtige Held zu sein wie in so vielen Spielen auch.

    Doch bei Thief klappt es wiederum, und da bin ich schließlich auch derjenige, vielleicht nicht meinen Feinden überlegen, aber der Held. Ein gutes Beispiel sind außerdem die Metro Spiele mit Ihrer düsteren und beklemmenden Atmosphäre.

    Vielleicht ist es die Spielwelt und die Athmosphäre. Vielleicht der Flow. Vielleicht die Mechanik und das Gameplay. Aber sicherlich ist es eine Mischung aus all diesen Faktoren und, ganz wichtig, der eigenen Vorliebe.

    Denn: Als ein guter Freund (und großer Star Trek Fan) von mir, von seinen “immersiven” Erfahrungen in dem Star Trek MMO erzählte, wollte ich diese (als nicht Star Trek Kenner) auch mit,- oder zumindest nachempfinden. Aber daraus wurde nichts, da ich weder wusste was da auf dem Bildschirm passierte, noch hat mich dieses Spiel in irgendeiner Art gefesselt. Ich konnte einfach seine Sichtweise darauf nicht übernehmen, und somit nicht die Faszination (und ich denke die damit verbundene Immersion) empfinden wie er.

    Danke für den Artikel 🙂

    1. Hallo Daniel,

      ein wirklich toller Kommentar! Vielen Dank.

      Dark Souls habe ich noch nie gespielt. Aber nachdem ich diese Liebeserklärung an Dark Souls auf YouTube:

      (https://www.youtube.com/watch?v=8yHy3HLTbNI&feature=youtu.be&a)

      gesehen habe (Danke @minkitink alias Moni für den Tweet) und auch Du von der einzigartigen Spielwelt und der Atmosphäre schwärmst, muss ich mir das wohl näher ansehen – auch wenn es bockschwer sein soll.

      Du hast den Flow ja mehrfach im Zusammenhang mit Immersion genannt. Die gleichen Fragen habe ich mir auch gestellt und versucht sie – auf meine Art – zu beantworten. Lass Dich also überraschen. Bis zum nächsten Artikel und Danke für Deinen Kommentar.

  4. Ein spannender Artikel und ich hoffe es wird auch noch ein Artikel zur narrativen Ebene folgen.

    Wie du und auch schon einige der vorangenangenen Kommentatoren geschrieben haben, ist eine Definition von Immersion anhand von einzelnen Punkten nur schwer möglich. Alleine schon weil die Gewichtung einzelner Aspekte, sei es Grafik, Spielwelt, Interaktionsmöglichkeiten bei jedem Spieler anders ausfällt. Für dich ist Elite ein sehr immersives Spiel, weil es dir Möglichkeiten die dir andere Spiele nicht bieten können. Andere Spieler setzen andere Elemente eines Spiels höher und ziehen daraus ihr Gefühl von Immersion.

    Vielleicht lohnt sich bei der Frage nach Immersion auch ein Blick auf andere Felder des Spielens, ab von der daddelei am Computer oder an der Konsole. Ich bin natürlich kein Experte und Maße mir nicht an wissenschaftlich fundierte Argumente liefern zu können, aber beim lesen deines Artikels stellte sich mir immer wieder die gleiche Frage. Was ist mit dem analogen Spielen. Seien es Brettspiel, das Spielen mit Lego oder auch das Spielen mit Freunden. Das war doch auch immersiv. Ich habe mir Geschichten ausgedacht, die ich mit meinen Legofiguren und Bauten erlebt habe und war völlig versunken. Ich war mit meinem Freund im Wald und hab dort tolle Geschicten erlebt.
    Natürlich ist mir klar das sich diese Art von Spieln nicht mit dem eines Videospiels vergleichen lässt, aber es ist dennoch ein Spiel und ein Spiel, egal in welcher Form macht immr auch die Interaktivität mit dem Geschehenen aus. Anders als zum Beispiel bei Filmen oder Büchern, die aber dennoch sehr immersiv sein können.

    Und noch ein letzter Aspekt der nicht vergessen werden darf, meiner Meinung nach, ist der der Nostalgie. Früher als man noch jünger war und die Grafik noch nicht auf dem aStand wo sie heute ist, musste die Fantasie noch viel mehr angestrengt werden und ein Spiel mit anderen Aspekten auftrumpfen und der Spielr war noch viel mehr gefordert in eine Spielwelt einzutauchen, wodurch die Hürde ein Spiel immersiv zu finden womöglich auch geringer war.

    1. Hallo Lenny,

      vielen Dank für Deinen schönen Kommentar.

      Ich kann Dir in allen Punkten nur beipflichten. Auch wenn ich kein Experte bin, so finde ich schon, dass auch „analoge“ Spiele immersive Momente auslösen können. So ganz ohne Computer. Du hast die Brettspiele ja schon genannt. Bei mir triffst Du da voll ins Schwarze. Ich liebe Brettspiele. Und eines sticht in dieser Hinsicht alle anderen aus: Schach. Es ist für mich persönlich ein sehr immersives Spiel, in das ich voll abtauchen kann.

      Auch wenn die Erinnerungen an meine Kindheit schon ziiiieeeemlich lange zurückliegen, finde ich, dass es viele immersive Momente mit Freunden auf dem Spielplatz mit Lego / Playmobil usw. gab; auch wenn ich zu der Zeit keine Ahnung hatte, was das überhaupt ist.

      Sehr präsent ist mir die riesige Raumstation, die wir Brüder geschenkt bekommen haben. Ich hatte sie mannshoch in Erinnerung -keine Ahnung, was es war, kein Lego oder Playmobil jedenfalls- mit vielen sehr beweglichen etwa 10-15 cm großen Astronauten und etlichem Zubehör, mit denen wir viele (immersive?) Stunden verbracht haben. Ach, die war so toll. Fantastisch! Die habe ich auf dem Dachboden meiner Eltern – auf dem auch meine Brüder so einige Spielsachen „outgesourced“ haben – wie blöde gesucht. Jeden Karton habe ich auf den Kopf gestellt – leider vergebens. Schade! Dafür habe ich aber die Dreamcast meines Bruders Thomas gefunden und gleich mal ausgeliehen 🙂

      Ja, der Artikel über Narration steht noch aus. Schön, dass Dich das interessiert. Leider wollte sich beim Schreiben der „Flow“ nicht so recht einstellen. Da habe ich einfach beschlossen, einen Artikel darüber zu schreiben. Aber irgendwann werde ich einen zweiten Anlauf nehmen …

  5. Immersion an bestimmten Parametern festmachen zu wollen ist meiner Meinung nach so gut wie unmöglich, weil es einfach ein ganz bestimmter subjektiver Bewusstseinszustand ist, der selbst dann nicht immer gleich eintritt, wenn alle Parameter vermeintlich identisch sind. Immersion ist auch kein Prädikat, keine Auszeichnung die ein Spiel per Definition adelt, weil sie eben mehr vom Spieler und seiner jeweiligen Situation als vom Spiel an sich abhängt. Seiner persönlichen Vorlieben, seiner Begabung die Fantasie einzusetzen, seiner Bereitschaft aber auch seiner Möglichkeit überhaupt wirklich tief einzutauchen…

    So kann man Immersion eigentlich recht kurz als das Nirvana des Videospielers beschreiben, als den Zustand wenn Spieler und Spiel geistig eins sind, das höchste anzustrebende Ziel das man als begeisterter Spieler haben kann. Kostet es aus, so oft es nur geht! Es geschieht immer zu selten.

  6. Hallo Ferdinand,

    ein wirklich sehr interessanter und informativer Artikel, der sich dank deiner guten Schreibe äußerst angenehm liest. Ich hoffe sehr, dass man in Zukunft noch mehr dir hört! 😉

    Beste Grüße
    Dietmar

    1. Hallo Dietmar,

      vielen Dank für Deine netten Komplimente und vor allem dafür, dass ich die tolle Beschreibung Deiner ersten Begegnung mit dem Star Wars-Automaten aus Deinem großartigen Buch verwenden durfte. Dein Erlebnisbericht macht sehr anschaulich deutlich, dass die “harten“ Pflicht-Eigenschaften, die Giga.de auflistet für „immersive“ Spielerlebnisse gar nicht unbedingt notwendig sind. Das Kopfkino zählt, und lässt selbst den 34 Jahre alten Star Wars-Automaten zu einem immersiven Monster werden.

  7. Danke für den unterhaltsamen und wunderschön aufbereiteten Artikel. Nicht nur, dass du viel Arbeit in die Recherche gesteckt hast, reißt trotz der eigentlich trockenen Materie die Lust nicht ab, ihn zu ende zu lesen.

    Ich bin ebenfalls der Meinung, dass ein Spiel nicht pauschal als immersiv bezeichnet werden kann, da dies ein subjektives Empfinden des Spielers ist. Leider nimmt die Fähigkeit in Spielewelten einzutauchen und alles drum herum komplett auszublenden mit zunehmenden Alter ab (zumindest war es bei mir so), was extrem schade ist. Auch dass ein Spiel bestimmte Punkte erfüllen muss damit es als immersiv gilt, kann ich nicht nachvollziehen, da viel – wie selbst geschrieben hast – von der Fantasie des Spielers abhängt.
    Wobei: Auch als Zuseher kann man in Spielewelten eintauchen, als wäre man selbst die Spielfigur.

    Gut kann ich mich an Spiele wie Resident Evil auf der PS1 erinnern, welche aufgrund der Stimmung gerade in der Nacht bei mir Gänsehaut verursachten – auch als Zuseher. Besonders wenn man einen neuen Raum betrat und die Animation der öffnenden Türe abgespielt wurde hielt ich jedes Mal vor Spannung den Atem an. Da machten mir auch die unbewusst komischen Dialoge (zB “Lauf nicht Weg” an dem in der Zelle eingesperrten Chris) und die schlechten Synchronsprecher Nichts aus.
    Aber wir können auch weiter in der Zeit zurückreisen: Bei Barbarian 2 auf dem guten alten C64 und auch bei Maniac Mansion war ich Mittendrin, statt nur dabei (so viel zu den Voraussetzungen Realismus und vielfältige Interaktionsmöglichkeiten).

    Einen der größten Schockmomente hatte ich allerdings bei Alone in the dark (Erster Teil, 1992). Während ich – ich glaube es war relativ am Anfang – in einem kleinen Raum war, leistete mir plötzlich ein Zombie gesellschaft. Das Blut gefror mir in den Adern aber nicht, weil es ein billiger Jump-Scare a´la “Bam, jetzt ist er da” war, sondern weil er erst im Zuge der Raumdurchsuchung langsam um die Ecke schlurfte. Zu Beginn blitzten die Hände neben dem Türstock der offenen Türe hervor und kurze Zeit später schleppte sich der Zombie allmählch in den Raum. Dies funktioniert nur gut, wenn man voll und ganz in die Spielewelt eintaucht.

    Als Abschluss bleibt mir nur zu Sagen: Nicht alles lässt sich pauschalisieren, aber: Wenn ein Spiel es schafft euch so in den Bann zu ziehen, dann handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um ein Spiel, dessen Kauf ihr nicht bereuen werdet.

  8. Hallo Ferdi, jetzt sitze ich gerade im Regionalexpress nach München in Richtung Büro und habe mir bei der Gelegenheit deinen zweiten VSG Artikel nun auch zum zweiten Mal zu Gemüte geführt. 🙂

    Erst mal meinen herzlichen Glückwunsch zu deinem Artikel, nach deinem ersten quasi autobiographischen Artikel hast du mit diesem hier auch nachgewiesen, dass es dir genauso liegt, dich mit einem konkreten Thema und verschiedenen Quellen sowie Sichtweisen dazu auseinanderzusetzen.

    Wie wir uns bereits via Twitter ausgetauscht haben, bin auch ich im Team Elena Gorfinkel. Meiner Meinung nach hängt die Frage nach der Immersion weniger am Werk selbst sondern in erster Linie am Rezipienten und daran, was das Werk in Kopf und Fantasie des Spielers bewirkt.

    Anders ausgedrückt, Immersion ist imho ein subjektives Empfinden und lässt sich daher nicht wirklich ideal bemessen. Selbst Infocom Adventures konnten mich komplett in ihre Welt ziehen. Ob ich mich heute noch in gleichem Maße darauf einlassen würde, wage ich ein wenig zu bezweifeln – noch ein Punkt, der die Subjektivität der immersiven Wirkung unterstreicht.

    Müsste ich für mich persönlich einen Softwaretitel auswählen, der für mich die Urmutter oder den Archetyp eines immersiven Spielerlebnisses darstellt, so lautete die Antwort darauf ‘System Shock’. In meiner Erinnerung das erste Spiel in einer kompletten 3D Welt, das seine Geschichte erzählt hat, ohne den Spieler aus seiner Welt (Raumstation Citadel) zu entlassen. Kein Spiel vorher hat eine vergleichbare Wirkung auf mich gehabt. Ich fing bei Tageslicht an zu spielen, es wurde dunkel und als ich anfing, Müdigkeit zu spüren, war es wieder taghell. Dann habe ich das Spiel widerwillig beendet, habe mich ins Bett meines Studentenzimmers begeben und war kurz darauf in meinen Träumen wieder auf Citadel. Und bis heute zehre ich von den Erinnerungen an diese Zeit und die Wirkung dieses Spiels auf mich.

    Bevor ich jetzt zu sehr abschweife, bedanke ich mich für deinen Artikel und werde dann jetzt mal zum Büro spazieren. Perfekt, so vergeht eine Zugfahrt von Augsburg nach München wie im Fluge. Fast schon immersiv. 😉

    1. Hallo Stephan,

      willkommen im Team Gorfinkel! Und Danke nochmal für System Shock. Ich habe es ja erst angespielt, kann aber schon jetzt die Faszination dieses Spiels sehr gut nachvollziehen. Hierüber könntest Du ruhig mal einen Artikel schreiben. 😉

      Noch ein Tipp: Die Zugfahrt vergeht ganz sicher wie im Fluge und vor allem immersiv, wenn Du anstatt nach München, ein Ticket nach City 17 einlöst.

  9. Hallo Ferdi,

    ich habe gedanklich schon mehrere Ansätze für einen Kommentar zu Deinem Text formuliert. Bin dann aber immer wieder, aufgrund der grundsätzlichen Komplexität des Themas, vom roten Kommentar-Faden abhanden gekommen 😉

    Was mir am meisten an Deinem Artikel gefällt, ist wie Du den Stoff umsetzt. Viele haben sich bestimmt schon die Frage gestellt: “Was zum Kuckuck bedeutet… immersiv” Und das schlimmste, was einem dann passieren kann, ist eine komplexe Antwort im intellektuell verkopften Stile zu bekommen, so dass man hinterher noch irritierter ist als zuvor. Du näherst Dich der Klärung behutsam, nachvollziehbar und nimmst den Leser von Beginn an mit auf eine unterhaltsame Reise zum Kern Deiner Analyse.

    Mir sind viele “immersive” Spiele eingefallen, wenn ich an meine lange Spieler-Karriere denke. Spontan habe ich beispielsweise “The Mask Of The Sun” für den C64 im Sinn. Wie viele Stunden, nein Tage, habe ich mich gemeinsam mit meinem besten Kumpel, an den Rätseln dieses wunderschönen Text- /Grafikadventures abgearbeitet. Es hat uns in eine andere Welt versetzt und wir haben viel Zeit investiert, um dem Geheimnis des Spiels Bild für Bild näher zu kommen. Fernab von einem grafischen Realismus sind wir “eingetaucht” in nur 8-bit.

    Die Liste der Spiele, die ich als “immersiv” empfinde, könnte mit vielen anderen Beispielen fortgesetzt werden. Wenn ich mir aber die von Dir erwähnten vier Kriterien zur Bewertung noch einmal anschaue, dann muss ich natürlich unbedingt noch “Half-Life 2” erwähnen.

    HL2 hat mich tatsächlich vom ersten Moment an gepackt. Allein schon die Zugfahrt nach City 17 hat etwas narratives. Die Reise beginnt… Eine Reise in eine Welt, die fremd und bekannt zugleich ist. Wunderschön erzählt, beängstigend inszeniert und spannend bis zum Schluss. Es ist unglaublich, wie viele Schauplätze ich aus diesem Spiel noch immer aus meinem Gedächtnis abrufen kann. Sie sind wie Gemälde, die für immer in meine Spiel-Kunsterinnerung eingebrannt sind.

    Zum Abschluss möchte ich Dir ganz herzlich für das Aufgreifen der Zitate und Texte anderer auf VSG in Deinem Artikel danken. Du hast einen tollen Stil und ich hoffe ich darf noch viel von Dir hier lesen.

    Danke für Deinen Text, mit dem Du schwierigen Stoff wunderbar erläutert hast und der mir sehr viel Spaß beim Lesen gemacht hat!

    André

    1. Hallo André,

      danke für Deine lobenden Worte. Der Artikel beschreibt ja eigentlich nur, wie ich versucht habe den Begriff „immersiv“ für mich selbst zu ergründen. Zu Beginn ohne konkrete Idee, ohne Plan und ohne Konzept. Auf meinem Zettel standen lediglich die Begriffe „immersiv“ und „narrativ“, und selbst davon hat es nur einer in den Artikel geschafft.

      Ich hatte zu Beginn auch keine Ahnung wohin der Artikel führen würde und zu welchem Ergebnis ich gelangen werde. Der Artikel sollte in erster Linie unterhaltsam sein; ganz sicher keine wissenschaftliche Abhandlung. Ich habe keines der zitieren Bücher je gelesen.

      Es hat mir aber zugegebenermaßen Spaß gemacht, den Artikel von Giga.de augenzwinkernd ein wenig auf die Schippe zu nehmen, da nach dessen Theorie mein Lieblingsspiel auf dem C64, Elite, ja nicht immersiv sein soll. Geht ja gar nicht. Da kamen mir die Zitate von Dr. Thon und vor allem der Professorin Gorfinkel gerade recht, die dieser Theorie widersprachen und Immersion eben nicht an fixen Eigenschaften festmachen. Das zeigen ja auch die VSG-Zitate und vor allen der Star Wars Automat.

      Der Artikel ist -wieso weiß ich gar nicht- etwas länger geworden, so dass ich zu „narrativ“ gar nicht mehr gekommen. Ich habe mich später daran versucht; aber den begonnen Artikel dazu wieder verworfen. Er hat übrigens mit der Beschreibung der Einfahrt in City 17 begonnen. Aber dann ging mir die Puste aus. Der „Flow“ wollte sich nicht einstellen …

      1. Manchmal braucht der “Flow” etwas Zeit 😉 Ich habe schon viele Ideen verworfen und dann manchmal erst Jahre später in einen Artikel umgesetzt. Da müssen oft viele Dinge zusammenkommen. Und wenn sie alle da sind, schreibt sich so mancher Text von selbst.

        Ja, die Zugfahrt nach City 17 ist ein idealer Ausgangspunkt für das Thema “Narration”. Zugfahrten werden ja auch in anderen Medien immer wieder als Metapher für die Reise an sich bemüht. Und so hat es auch Valve gemacht. Eine schöne Analogie übrigens zum ersten Half-Life Spiel.

  10. Lieber Ferdinand!

    Vielen Dank für deine Rechereche zu einem gar essentiellen Thema der Unterhaltungsbranche, dem „Dabeisein”.

    Man kennt das doch: da bedroht in einer prickelnden Schachpartie der Springer verheissungsvoll den König, schon läutet das Telefon, Lebensversicherungen und so – schon ist man dem Moment „entrissen”.

    Unser Gehirn ist ein gar mächtiger Erzähler. Aus Fragmenten der unterbewussten und aktive Beobachtung baut unser Geist Zusammenhänge, Situationen, die einerseits so fern der Realität sind aber andererseits vollkommen lebensnah wahrgenommen werden. Wozu 1993 einen VR-Helm kaufen, wenn X-Wing den Spieler auch über den quadratischen 14 Zöller fesselt?

    Das „Wegetreten-Sein” ist ein Geisteszustand, den wir alle schon beobachtet und selbst erfahren haben. Vom Witcher III bis zum Murmelspielen tritt der Spieler aus der Spur des Alltags auf der Suche nach alternativen Erfahrungen.

    Als Anfang der 1990er die ersten VR-Helme den Markt betraten, war die Technik derart unterentwickelt, dass sie den Spielfluss störten und diese „andere“ Welt gar nicht erst entstehen konnte. Die Technik war ein Hindernis, wer sich direkt über den Monitor einem Spiel stellte, war im Vorteil.

    Heute sind wir an der Schwelle zu einer möglicherweise neuen Geschichtsschreibung der Computerspiele. Die zeitgenössische VR-Technik vermag das Spielerlebnis endlich zu bereichern. Anstelle des Hindernisses verstärkt sich die Vorstellung einer anderen Welt.

    Andererseits sind die Spieleentwickler gefragt, langfristig belastbare Erlebnisse zu liefern. Für jedes Koronis Rift gibt es ein belangloses Rise of the Robots, der Effekt darf also nicht zur Täuschung verkommen. Und man kann es auch übertreiben.

    Ich denke es war ein Spiel von Activision, das Mitte der 90er die noch mysteriösen Weiten des Internetzes nutze, um Spieler per E-Mail, Fax und sogar Telefonat in seine Welt hineinzuziehen. So witzig das Konzept auf dem Papier klingt ist es spätestens dann nicht, wenn das echte Leben vom Computerspiel gestört und unterbrochen wird – „The Game” mit Michael Douglas lässt grüßen.

    Der menschliche Geist ist ein hochentwickelter Mechanismus, der zur Erholung Freiräume schafft. Computerspiele treten als Katalysator in Erscheinung, geben Richtung und Umgebung vor, der Spieler zimmert im Unterbewusstsein seine „Spielewelt”. Mag sein, dass der Außenstehende der Meinung ist, man würde nur Funktionstaste 9 drücken, während der Spieler sich pflichtbewusst im X-Wing Cockpit wähnt.

    In meinem Beitrag „Die Festplatte erzählt” http://www.videospielgeschichten.de/die-festplatte-erzaehlt-der-narrativ-in-spielen-von-datasette-bis-glasfaserkabel/ spreche ich die interessante Evolution unseres Computerspieleverständnisses an, das ja erst erlernt und erworben werden musste. Als nur undefinierbare Punkte über den Schirm huschten, war die Erfahrung für Zuschauer leidlich inklusiv, denn man konnte einfach nicht verstehen, warum ein Spieler so gebannt sein kann von einzelnen Punkten – der Spiele-Freak war geboren.

    Aber ob Punkte oder 4K-Echtzeit-Grafik, der Akt des Spielens erscheint grundlegend „immersiv” zu sein, denn sonst wäre man „außerhalb” und beobachtend. Schließlich kommt es nicht von ungefähr, dass man eine Gruppe fragt, ob man noch in eine Spielpartie „einsteigen” kann.

    Spielen heißt, eine Reise anzutreten, auf eine Fahrt zu gehen, mit einem Ziel, die Unterhaltung. Ob High Score-Jagd oder das Finale einer Geschichte ist nicht bedeutend; allein die Tatsache zählt, dass die Realität bewusst verlassen wird und man im Falle des Computer- und Videospiels um sich herum eine pixellierte Mauer errichtet, die Aufmerksamkeit auf einen Schirm dirigiert. So kommt es auch, dass man die gewünschte Bahnstation verpasst, die Eier hart kocht oder einen Telefonanruf überhört. In diesen Momenten der Unaufmerksamkeit sind wir „Spiel-gesteuert” und „involviert”. Man ist also „immersed“, „eingetaucht” und für die „Außenwelt” unansprechbar.

    Unterhaltung erscheint also immer schon vereinnahmend und daher immersiv. Wir suchen stets Abwechslung vom Alltag, einen Ausgleich. Werden passende Bausteine geboten, geht unser Gehirn ans Werk und führt uns in eine andere Welt – was Du mit deinem wunderbaren Artikel perfekt erreicht hast, Fredinand.

    Vielen Dank für die Reise und liebe Grüße,

    Andreas

    1. Meine Güte Andreas, was für ein toller Kommentar! Jedes Wort kann ich nur unterstreichen. Ein typischer Wanda-Kommentar, der für sich selbst steht und dem nichts hinzuzufügen ist. Eigentlich. Aber ich kann nicht anders.

      Denn ich finde es ausgesprochen bemerkenswert, dass Du ausgerechnet Schach im Zusammenhang mit „immversiv“ in Verbindung gebracht hast. Denn, ob von Dir beabsichtigt oder nicht; Schach ist für mich persönlich so ziemlich das „immersivste“ Spiel überhaupt. Völlig ohne Computer. Das mag für „Nicht-Schachspieler“ sehr seltsam anmuten. Ich halte mich auch nicht für einen sonderlich guten Spieler; aber ich spiele mit großer Leidenschaft und Intensität.

      Schach ist spannend und entspannend zugleich. Jeder, der schon einmal eine Partie gespielt hat, die auf des Messers Schneide stand, weiß, dass dabei sehr intensive Gefühle erlebt werden können. Bin ich erst einmal tief in eine komplexe Stellung versunken, nehme ich oftmals rund um mich herum tatsächlich nichts war.

      Aber in seltenen Momenten kommt ein Gefühl hinzu, dass weit über „immersiv“ hinausgeht. Glückforscher bezeichnen es als „Flow“. Ein schönes Thema für einen Artikel, denn mir fallen auch sofort ähnliche Momente in Videospielen ein.

      Danke für Deinen schönen Kommentar Andreas und bis zum nächsten Artikel.

      Ferdi