Habe ich das Spielen verlernt?

Von Daniel Wagner am
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Ein Bart… Verdammt! Wo bekomme ich einen Bart her? Ich, männlich, Teenager, saß in meinem Zimmer und grübelte, eine ganze Weile schon. Es war Mitte der 90er. Ich war 15 oder 16 Jahre alt und wusste, die Zeit war reif für ein Stück ordentlichen Haarwuchses in der Kinngegend.

Gehe zu… Klick… Klick… Klick…

Ich irrte in der Gegend umher, auf der Suche nach einem Bart, einem schön buschigen Bart. Doch da war nichts. Nirgends. Kein Bart weit und breit.

Schau an… Klick… Nichts. Benutze… Klick… Nichts.

„Okay, Simon, genug für heute“, sagte ich leicht genervt und machte frustriert meinen Rechner aus. Simon war nicht mein kleiner Bruder und auch nicht mein bester Freund, sondern ein lustiger kleiner Kerl. Ein Zauberer, mit dem ich so allerhand Abenteuer erlebte. Man kannte ihn auch unter dem Namen „Simon the Sorcerer“ und wir beide waren drauf und dran, in eine Zwergenmine zu schleichen, um einen Edelstein zu bergen. Doch um dort hinein zu kommen, brauchten wir unbedingt einen Bart, mit dem wir uns als Zwerg verkleiden und unerkannt an den Wachzwergen vorbeischleichen konnten.

„Wo finde ich nur diesen Bart?“ Den ganzen Abend über arbeitete es in mir. Mein Hirn pochte und schlug Purzelbäume.

Schnipp, schnapp, Bärtchen ab!

Mittlerweile war es 23 Uhr geworden. Mit offenen Augen lag ich im Bett und dachte nach. Das Licht war aus, völlige Dunkelheit. Eigentlich sollte ich längst schlafen, denn am nächsten Tag war Schule. Aber ich konnte nicht. In Gedanken ging ich die ganze Strecke noch mal ab, die ich tagsüber in der Fantasywelt von Simon the Sorcerer zurückgelegt hatte. Screen für Screen. Jedes Detail. Ich musste etwas übersehen haben.

„Von Calypsos Hütte geht’s hier in die Stadt… Da drüben liegt das Haus des Schmieds. Da hatte ich das Seil mitgenommen…“, erinnerte ich mich. „Dort ist die Schenke, okay… Und hier beginnt schon der Wald… Wer saß noch mal in der Schenke?… Da waren die vier Zauberer im Hinterzimmer… Und vorne?… Moment!“

Ich war plötzlich hellwach, die Augen weit aufgerissen. Mein Zimmer immer noch stockdunkel. Doch die Dunkelheit wich langsam einem Bild. Es war das Bild der Schenke. Ich sah sie förmlich vor mir, um mich herum, jedes Detail von ihr: die schweren Holztische, das flackernde Kaminfeuer, die Gestalten, die dort herumlungerten, genau wie im Spiel.

Und da war er, direkt vor meinem geistigen Auge: der Herr Zwerg. Klein von Statur, fiel er mir erst gar nicht auf. Er lag schlafend – vermutlich seinen Rausch ausschlafend – einfach nur da, ganz friedlich, hatte seinen Kopf auf der Tischplatte abgelegt. Neben ihm ein paar Humpen Bier.

Ich musste nicht lange suchen, bis ich das kleine, aber entscheidende Detail bemerkte, das ich tagsüber gar nicht bewusst wahrgenommen hatte: seinen grauen, für einen Kerl dieser Größe doch recht üppigen Bart. „Ohhhh Mann!“ brüllte es sanft aus mir heraus, als ich mich in meinem Bett aufsetzte. „Das ist doch sicher der Bart, den ich brauche!“ Ich wusste, Simon hatte eine Schere in seinem Zauberhut, die ich einige Zeit vorher im Spiel gefunden hatte. Und ich war mir sicher, mit dieser Schere würde ich dem Zwerg seinen Bart stibitzen können.

Benutze Schere mit Bart… Klick…

Ich versuchte es am nächsten Tag, gleich nach der Schule. Und tatsächlich: es klappte. Schnipp, schnapp, Bärtchen ab! Endlich hatte ich Zugang zur Zwergenmine und machte mich mit Simon auf die Suche nach dem Edelstein. Meine Reise durch diese fantastische Fantasywelt ging weiter – und sie würde in den nächsten Wochen noch viel abenteuerlicher werden.

Wenn du spielst und nichts mehr fühlst

Szenenwechsel. Sprung ins Jetzt.

Ich bin mittlerweile 36 Jahre alt. Die spannenden Abenteuer, die ich mit Simon, Zak, Guybrush und meinen anderen Spielhelden erleben durfte, sind Videospielgeschichte. Nur manchmal schieben sie sich bruchstückhaft zurück in mein Gedächtnis. Es sind nur noch vage Erinnerungen, doch wenn sie in meinem Kopf sind, dann spüre ich wieder – ganz blass, aber immerhin – den Spaß, den ich damals hatte; die Euphorie, die in mir aufflammte, als ich Rätsel löste und Geheimnisse lüftete; die Frustration, als ich an einer Stelle des Spiels wieder und wieder scheiterte; den Ärger, als das letzte Save Game futsch und stundenlanges Gameplay verloren war.

Ich habe gespielt und gefühlt – und das war großartig.

Wenn ich heute spiele, fühle ich nichts mehr. Hier und da vielleicht einen kurzen Adrenalinschub, wenn ich von allen Seiten beschossen werde und meine Gesundheit dramatisch gegen Null geht. Kann sein, dass ich dann den virtuellen Tod sterbe. Ist okay. Letzten Checkpoint laden und noch mal probieren. Kann auch sein, dass ich im letzten Moment ein Medikit finde. Das ist auch okay. Dann geht es direkt zurück in die Schlacht. Am Ende gewinne ich wieder und denke mir: „Gut, das war’s. Und jetzt?“ Es ist eine rhetorische Frage.

In den vergangenen 20 Jahren wurden die Grafiken besser, die Welten realistischer, das Gameplay dynamischer, der Sound satter. Aber was auch immer in meinen heutigen Spielwelten geschieht, es scheint mir alles so viel weniger bedeutungsvoll zu sein als all die fantastischen Abenteuer, die ich früher erleben durfte.

Woran liegt das? Die Gründe, die mir einfallen, sind ebenso vage wie die bruchstückhaften Erinnerungen an die vielen tollen Momente von damals. Ist es schlichtweg mein Alter und die damit einher gehende Verantwortung, sich vorrangig um Familie und Einkommen kümmern zu müssen? Sind es die anderen, die einem ständig eintrichtern, man müsse „mit beiden Beinen auf der Erde“ stehen? Auf der echten Erde, wohl gemerkt, nicht Minecraft. Haben sich vielleicht nur die Prioritäten in meinem Leben verschoben? Laufe ich in Wahrheit einer verstaubten, nostalgischen Sehnsucht hinterher, die ich eigentlich psychologisch aufarbeiten müsste anstatt sie immer wieder mit schönen Erinnerungen an längst vergangene Tage zu nähren?

Gerade jetzt, als ich diese Zeilen schreibe, vermisse ich jedenfalls die Zeit, in der ich genau wusste, warum ich spielte; in der ganz klar war, dass ich mich auf all diese fantastischen Reisen begeben musste; dass ich keine andere Wahl hatte, als den gefährlichen Drachen zu besiegen und ebendiese Spielwelt, die nur in meinem Rechner und in meinem Kopf existierte, zu einem besseren Ort zu machen.

Manchmal war es auch nur die Suche nach einem Zwergenbart, die alternativlos für mich war. Ich musste ihn einfach finden. Ich musste! Es war meine Aufgabe, hier und jetzt, und diese Aufgabe zu haben war wunderbar.

Wird es jemals wieder Spiele geben, die mich so begeistern wie damals? Oder habe ich das Spielen verlernt?


Veröffentlicht in: Podcasts, Videospielgeschichten
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Kommentare (37)

  1. Ich kann das beschriebene Phänomen nachvollziehen, da es mir um die 20 herum auch schwer fiel, mich so für Videospiele zu begeistern wie zu meiner Kindheit und Jugend, weshalb ich auch einen Großteil der sechsten Konsolengeneration verpasst habe. Letztendlich konnte ich meine Passion durch die Entdeckung des Retro Gamings wiederbeleben, weshalb ich auch den Gedanken, dass früher alles besser war, nachfühlen kann.

    Mittlerweile habe ich allerdings die Theorie, dass es weiterhin Spiele gibt, die uns in den Bann ziehen können, sie allerdings schwerer zu finden sind. Früher kannte man irgendwie automatisch die besten Spiele, während heute die Wahrscheinlichkeit recht hoch ist, sich irgendeinen Titel zu kaufen, der einen dann doch nicht in den Bann zieht, obwohl es sich um runde hochwertige Produktionen handelt. Ich vermute verschiedene Ursachen dahinter:

    Früher war das Angebot an Spielen und Informationen überschaubarer. Es kamen weniger Spiele heraus, weshalb man sich kaum an neuen Titeln übersättigen konnte. Man bekam meist nur über Freunde oder Printmagazine mit, wenn ein Spiel wirklich Wellen schlug und unbedingt gezockt werden musste. Damals gab es auch nicht so viel Redundanz. Ein Symphony of the Night war zu seiner Zeit ein Meilenstein, aber auch lange das einzige Spiel seiner Art. Danach kamen sechs portable Teile, die sich alle sehr ähnlich spielten, und mittlerweile macht jeder dritte Indie sein eigenes Metroidvania. Die haben es allesamt schwer, die Magie des Originals nochmal zu entfachen.

    Außerdem ist die allgemeine Produktionsqualität enorm gestiegen. Früher waren Spiele gefühlt entweder Gurken oder Meisterwerke. Heute gibt es enorm viele “Top” Titel, die eigentlich zu recht überall im Internet angepriesen werden. Aber wie viele hier schon geschrieben haben sind AAA Spiele mit hohen Produktionswerten und glattpoliertem Gameplay nicht immer mit Meisterwerken gleichzusetzen. Ein Rise of the Tomb Raider etwa bietet eine atemberaubende Achterbahnfahrt von Anfang bis Ende, trotzdem ist da bei mir kaum etwas hängengeblieben. Ex und Hopp Deluxe.

    Aus meiner Erfahrung kann ich auch nur empfehlen, abseits der eigenen Gewohnheiten und der breiten Masse nach modernen Perlen Ausschau zu halten, die das gute Gefühl von früher entfachen. Zu meiner Phase des Desinteresses hatte ich zum Beispiel nur Fortsetzungen meiner Lieblingsspiele gespielt und war extrem enttäuscht, als mir der damals Final Fantasy XII nicht die herzergreifende Geschichte und das schöne Gefühl der früheren Spiele bescherte. Fortsetzungen nutzen sich eben schnell ab, und bedingt durch die fortgeschrittene Historie des Mediums machen diese eben einen großen Teil heutiger Veröffentlichungen aus, ohne noch den Charme und die Neuartigkeit der Anfänge zu bieten.

    Ich für meinen Teil konnte auch im HD Zeitalter Spiele mit dem gewissen Etwas entdecken. Um mal ein paar persönliche Favoriten zu nennen, dank denen ich auch heute noch begeistert spiele: Bayonetta, Flower, Mirror’s Edge, Rogue Legacy, Axiom Verge, Hotline Miami. Ich denke schon, dass man das Spielen wieder lernen kann, man muss meiner Meinung nach nur heutzutage wesentlich besser filtern und wählerischer sein als früher.

    Tobi
  2. Danke für diesen großartigen Beitrag! Das war einer der ersten Artikel überhaupt auf der VSG, den ich gelesen habe und nun bin ich erneut daran hängen geblieben um ihn mit einem Kommentar zu würdigen. Es ist Dir mühelos gelungen, uns in Dein 15-jähriges „Ich“ mitzunehmen und absolut nachvollziehbar die Emotionen und die Faszination zu beschreiben, die Du mit Simon durchlebt hast … und dass sich diese Gefühle mit neuen Titeln nicht mehr in der Form einstellen wollen.

    Das kann ich gut nachvollziehen und mir geht es da ganz ähnlich. Wobei das womöglich nicht unbedingt an den Spielen als solchen liegt, sondern eher an der Faszination die man als Teenager an Computern und Videospielen an sich hatte, die neu und irgendwie magisch waren; ja zauberhaft wie Simon selbst.

    Und an der auf wenige Pixel und noch weniger Farben reduzierten Spielwelt, die eher die Fantasie von Teenager anzuregen vermag, als die von Erwachsenen, die wir eben heute sind. Womöglich lassen sich die Spielerlebnisse von einst nicht mehr wiederholen.

    Aber ein Nathan Drake hätte Dich als Teenager sicher genauso begeistert, wie seinerzeit Simon. An den Spielen liegt es eher nicht; da gibt es heutzutage ein breite Palette, auch Abseits vom Mainstream.

    Würde heutzutage ein Simon-Nachfolger erscheinen, der sogar noch besser wäre als das Original – mal angenommen – ich glaube nicht, dass sich die Gefühle von einst wieder einstellen würden.

    Oder anders gefragt: Würdest Du auch dann noch behaupten, Du hättest das Spielen verlernt, wenn Du als Teenager nie gespielt hättest? Das Phänomen, das Du so schön beschrieben hast, nimmt die Generation, die 20 Jahre später eingestiegen ist, nur schulterzuckend zur Kenntnis. Nachvollziehen kann sie es wohl eher nicht; wie auch?!

    Ich ertappe mich das ein oder andere Mal selbst dabei, Spiele von einst aus einer nostalgischen Verklärtheit heraus zu beurteilen. Die Spiele erscheinen dann in einem strahlenden Licht. Die positiven Erinnerungen überwiegen und die negativen werden meist ausgeblendet. Dabei gab es da auch viel Frust, hakelige Steuerung, unlogische und damit frustrierende Rätsel oder einfach nur grottenschlechte Spiele. Von den endlosen Wartezeiten ganz zu Schweigen …

    Wie auch immer, jedenfalls hast Du mit Deinen tollen Text offenbar einen Nerv getroffen. Denn der Beitrag ist nicht nur einer der meist gelesenen, sondern – was viel wichtiger ist – einer der am meist kommentiertesten Artikel! Du hast eine lebendige Diskussion mit tollen Kommentaren ins Leben gerufen. Und damit genau das erreicht, wofür die VSG steht.

    Tobi
  3. Hi…
    Ich bin mittlerweile doch schon 45 Jahre.
    Gefühlt immer noch der Thomas, der nicht erwachsen werden will… (aus der gleichnamigen Serie von Spaß am Dienstag )

    Verlernt man wirklich das Spielen?
    Ich hatte ein Kindheit/Jugendtrauma:
    Mit 14 Jahren stand ich vor dem perfekten Spiel.
    Das Ziel war “Wonder Boy / Sega 1986” im perfekten Spiel (one life – one goal) für eine Mark durchzuspielen.
    Es gelang mir damals nicht….immer versagte ich im vorletzten Level.

    Durch widrige Umstände kaufte ich mir 2015 ein en TV Ideal-Automat plus Wonder Boy-Pcb…
    Nach anfänglichen Schwierigkeiten, aber angestachelt vom Highscore Contest (2013) aus dem Arcadezentrum-Forum wurde ich langsam aber stetig besser…
    Ohne Übung komme ich dennoch immer bis zur Hälfte des Spiel.
    Eigentlich lernt man es nur komplett auswendig plus Reaktionszeit. ..
    Zu dieser Zeit spielte ich noch mit MAME emuliert.

    Erst mit dem Original wurde es besser…die Motivation stieg. ..
    Ich schaffte es zwar nicht mit einem Leben. ..aber im April 2015, nachdem ich über eine Stunde für eine Mark am Automaten saß, spielte ich nach fast 30 Jahren mein Trauma durch…

    Was für ein epischer Moment für mich
    Den ich still und einsam erlebte…..
    Und merkte, dass ich ziemlich “aufgeregt” war, als ich meine Initialen in der Highscoreliste verewigte…..1.5 Millionen Points…
    Das Kind im Manne war wieder da….

    Das kann wohl kaum einer nachvollziehen. ..

    Danach habe ich nie wieder das Spiel gespielt…

    Tobi
  4. Ich habe diese Seite heute entdeckt und lese gerade die Berichte.
    Dieser hier beschreibt sehr das Gefühl, das ich auch kenne.

    Als Elite Dangerous rauskam, war es seit Jahrzehnten das erste neu gekaufte Spiel für mich. Und man, hat mich das weggeblasen!
    …60 Minuten lang. Dann kam der Frust: Erstmal muss man das Ding drei Wochen täglich trainieren, um einigermaßen einsetzbar zu sein als Pilot.
    Also habe ich das Spiel weggelegt und nicht annähernd ausgenutzt.

    Ursprünglich komme ich auch aus der Lucasfilm-Ecke,
    SOMI gehört zu meiner Kindheit genau wie Bonanzarad (in der BMX-Zeit wohlgemerkt).

    Ein Spiel, dass ich mir dann gegönnt habe (und nach meiner Raubkopie-Kindheit auch dem Designer) ist Ron Gilberts “Thimbleweed Park”. Das Ding hat mich tatsächlich am Rechner gehalten, und auch das im Artikel beschriebene fehlende “Gefühl” ist wieder dabei gewesen.
    Grübeln über eine Rätsel auf der Arbeit…
    nachts zu lange aufbleiben…
    tolle Handlung…
    und herz-einnehmende Charaktere…

    Jederzeit wieder würde ich sowas kaufen.
    Zak BTAS war ein tolles Adventure, habe ich auch gespielt. Respekt für die Umsetzung, aber Thimbleweed hat noch mehr den Spagat zwischen Retro und aktuellem Handlungs-(Rätsel-)Design geschafft.
    BTAS war das klitzekleine bisschen zu newschool…

    Gruss
    Raimund

    Tobi
  5. Wie so viele habe auch ich “das Spielen verlernt”. Allerdings ist verlernt vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck dafür – die Prioritäten haben sich ganz einfach verschoben: Damals war es noch unglaublich wichtig für mich, den einen Level zu schaffen, das Benzin für die Kettensäge zu suchen oder einen Weg zu finden, das zweiköpfige Eichhörnchen nicht töten zu müssen.
    Heute sind einfach andere Sachen wichtiger: Familie, Job, Rechnungen – über diese Sachen habe ich mir damals keine Gedanken machen müssen.

    Einen großen Vorteil haben wir “alten Gamer” gegenüber alten Nicht-Gamern:
    Wir können die Emotionen, welche in unseren Kindern beim Spielen brodeln, meistens nachvollziehen. Dies ist natürlich primär ein Vorteil für die Kinder, da wir dadurch verständnisvoller sind und eher neue Konsolen oder Spiele als Andere (natürlich für unsere Kinder) kaufen. Das Ergebnis ist allerdings ein Kind, welches beim Spielen genauso fühlt wie man selbst vor 25 Jahren. Ein Kind, welches sich noch wunderschön in Spiele hineinversetzen und stundenlang über ein Spiel philosophieren kann. Dies miterleben zu dürfen ist auch ein schönes Gefühl.

    Tobi
    1. Wie recht Du hast. Ich kann Deine Zeilen zu 100% nachvollziehen. Da ich selbst Gamer-Papa bin und meine Jungs gerade ins Nintendo-Alter kommen, ist das Begleiten ihrer ersten Erfahrungen für mich ein großes Geschenk. Ich liebe es, wenn sie die Spiele ernst nehmen und mit ihren Emotionen in sie hinabtauchen. Und ich teile es. Wir können auf diese Art eine gemeinsame Erfahrung machen und das ist wundervoll. Insofern wird meine Spielerseele wiederbelebt und das Gefühl, das Spielen verlernt zu haben, tritt beiseite.

      Tobi
    2. Danke für deinen Kommentar, Pixelfanatic. Ich bin zwar kein Gamer-Papa, kann aber gut nachvollziehen dass man den Kids von heute eine Menge mitgeben kann was das Spielen angeht, mehr als es vielleicht Nicht-Gamer können.

      Für mich persönlich finde es jedenfalls schon schade, dass ich nicht mehr in der Lage bin, so tief in Spielwelten abtauchen zu können. Ich hab tatsächlich das Gefühl, diese Fähigkeit verlernt zu haben. Stimmt schon, die Prioritäten haben sich verschoben und das ist wahrscheinlich auch der Hauptgrund, warum es so gekommen ist. Ich sehne mich jedenfalls immer wieder stark zurück in diese Zeit, wo das Abtauchen und Sich-Einlassen auf die Welten noch ganz spielerisch möglich war.

      Tobi
  6. Sehr passend! Genau so erging es mir bei Indiana Jones 3 & 4. Schlaflose Nächte und in der Schule nicht aufgepasst, weil ich ständig an die Rätsel denken musste 🙂 Heute kann ich so eine Motivation nicht mehr aufbringen.

    Tobi
  7. Danke für Deinen schönen Beitrag zum Thema! Bei mir ist es ähnlich. Wenn ich mich in ein Spiel “verbeisse”, dann nehme ich es mir immer wieder vor und spiele weiter. Dabei spielt es keine Rolle, ob es aktuell oder alt ist. Es hat mit der Faszination des Spiels zu tun. Und selbst wenn mir die Zeit fehlt, räume ich dem Spiel Priorität ein. Denn es gibt mir etwas zurück. Und das ist der spannende Punkt. Was muss ein Spiel haben, um dem Spieler etwas “zu geben”? Daran kann ich auch Frage “Habe ich das Spielen verlernt?” anlegen. Ich glaube nicht, dass ich das Spielen verlernt habe, nur weil mich viele Spiel nicht berühren. Denn es kommt immer wieder vor, dass ich Spiele entdecke, die es schaffen mir etwas zu geben. Ein gutes Gefühl! 🙂

    Tobi
  8. Prost!

    Danke noch mal für die Anregungen. Hatte beide Serien mal angespielt (frühe Teile), aber keine großen Gefühle. Black Flag habe ich auf dem “Pile of Shame” und bin schon sehr gespannt. Unscharted 4 wartet noch auf die PS4, aber das Projekt wird noch dauern. Ich bin wohl noch lange mit RasPi + RetroPi beschäftigt, eigentlich braucht man dann ja auch nichts mehr… 😀

    Tobi
  9. Oh ein sehr toller Text zu einem sehr tollen Spiel. Habe Simon erst vor ein paar Monaten wieder ausgepackt und in meinem Blog darüber geschrieben.

    Diese Emotionen in Spielen von früher kenne ich gut. Jedoch würde ich sagen, ich kann heute genauso abtauchen. Nur anders…

    Tobi
  10. Sehr spannendes Thema!

    In der Tat ist es so, daß sich auch meine Spielweise geändert hat. Mit mittlerweile 37 Jahren gewinnen andere Aspekte meines Lebens mehr Aufmerksamkeit. Neben der Arbeit und meinem Beruf als Projektleiter, dem Bloggen, Twittern usw. bleibt mir wenig Muße, um mich dem Spielen zu widmen. Wichtig ist mir hier der Aspekt Muße: An der Zeit würde es nur bedingt mangeln. Das könnte und kann ich einrichten.
    Allerdings haben Spiele oft einfach nicht die Priorität.

    Umgekehrt habe ich das gesehen bei Witcher 3: Hier habe ich mich wirklich abends nach Feierabend und am Wochenende die eine oder andere Stunde auf die Spielwelt eingelassen, mich in Quests und Bossgegner verbissen, und schließlich nicht nur das Hauptspiel, sondern auch die beiden DLCs durchgespielt.
    Insgesamt knapp 130 Stunden purer Freude und Entspannung habe ich bisher in White Orchard, Velen, Novigrad und Toussaint verbracht.

    Neben der Zeit-Priorität-Frage spielen aber auch die Inhalte eine Rolle. Wo früher die Adventures wie Loom, Monkey Island oder Police Quest viel (Spiel-)Raum einnahmen, sind es heute RPGs und Shooter.

    Simulationen wie Civilization oder Railroad Tycoon faszinieren mich immer noch in der Urversion, haben aber in der vierten, fünften, sechsten Iteration viel an Charme verloren.

    Das neue DOOM ist grandios geworden. Ein ständiger SpeedRun, der (für mein Empfinden) sauber an die (erinnerte) Stimmung in den ersten beiden Teilen anknüpft. Und ich würde gerne mal wieder Battlefield 3/4 spielen oder CS:GO ausprobieren. Hier fehlt es mir aber an Gleichgesinnten, denn als “Lone Wolf” sind Online-Spiele auf die Dauer öde und frustrierend.

    Mein Fazit: Doch, ich spiele immer noch. Gerne auch intensiv und nächtelang. Aber ich spiele andere Spiele als in den frühen 90ern.

    Tobi
  11. Sehr spannender Text. Ich bin selber 39, spiele seit ich 13 bin. In den 26 Jahren habe ich mal mehr, mal weniger gespielt. Je nach Lust und Zeit. Aber ich habe immer mit Leidenschaft gespielt und diese Leidenschaft ist heute immer noch da. Tatsächlich sitze ich in stillen Minuten, z.B. an der Bushaltestelle, und überlege wie ich in meinem Spiel vom Vorabend weiterkommen. Das funktioniert aber auch nur weil ich versuche mich wirklich auf ein Spiel zu konzentrieren und nicht auf meine ganze Sammlung.

    Tobi
  12. Darauf ein Heineken! 🙂 Die vielen neuartigen Spielprinzipien waren ganz bestimmt auch für mich ein wahnsinniger Treiber für meine Begeisterung. Da gebe ich dir absolut Recht!

    Was die 2000+ Jahre angeht, fallen mir aktuell auch nur Half-Life und Portal ein, die mich total geflasht haben. Es gab schon Titel, die ich gerne gespielt habe, aber nicht wegen ihrer Spielmechanik, sondern v.a. wegen ihrer Atmosphäre: Assassins Creed IV Black Flag oder Uncharted zähle ich da dazu (seit Black Flag trinke ich sogar gerne Rum und schaue wieder Piratenfilme) 😀

    Tobi
  13. Nicht schlecht! Sehr schöner Ansatz. Einfach mal positiv betrachten: ich habe nichts verloren, sondern übertrage das, was ich damals gewonnen habe, heute einfach auf andere Bereiche.

    Damit wäre das Problem, das eigentlich nie eines war, gelöst. 🙂

    Tobi
  14. “Open door” haha! Geil 🙂

    “Die Spiele sind nur ein Medium um Geschichten zu erleben.” Schön formuliert! Das bringt mich auf eine Idee, was ein weiterer Grund sein könnte, warum ich mich so schwer tue mit dem Spielen heute. Aber dazu irgendwann mal mehr… 🙂

    Tobi
  15. Deine Geschichte erinnert mich an das alte Infocom Adventure “Leather Goddesses of Phobos”. Da landete man in einem Raum mit verschlossener Tür. Darin (wenn ich mich recht entsinne) waren noch Schokolade, ein Schemel und ein Bild.

    Es hat Stunden sinnloser Versuche mit den Gegenständen gebraucht, bis ich darauf gekommen bin, einfach nur “open door” einzugeben.

    Die Spiele haben sich seither verändert, wir haben uns verändert. Aber solche kleinen Geschichten bleiben und begleiten uns immer. Die Spiele sind nur ein Medium um Geschichten zu erleben.

    Und ich habe immer noch solche Momente – Tanken in Heal Specc in WoW zum Beispiel 😉

    Tobi
  16. Erstmal: Gratulation. Das ist ein großartiger Text der nicht nur etwas beschreibt was dich Heute umtreibt, sondern etwas, was einen fast in den Kopf eines Teenagers damals vor 20 Jahren schlüpfen lässt. Großartig! Man kann es spüren, sehen und vor allem fühlen! Hast Du das Spielen verlernt? Nein – den Spiel war damals und ist auch heute oft mit viel Gefühl verbunden. Mit Intuition. Und davon hast Du offensichtlich nichts verloren. Hat das Spielen Dich verloren? Ja, vielleicht. Denn es gibt andere Dinge die dich so beschäftigen, so intensiv fordern, dass ein Spiel eben nur noch eine Facette ist. Ist das schlimm? Nein – du hast was mitgenommen aus der Zeit. Es Dir offensichtlich bewahren können. Und heute kommt es woanders zum tragen. Vielleicht beim schreiben von Texten? „Einen Einstieg… Verdammt! Wo bekomme ich einen Einstieg her?“ Und man ist sicher, da war irgendwo etwas… Ein Satz, ein Bild… Aber wo hatte man das nur gesehen…? Und dann wacht man nachts auf, sitzt im Bett aufrecht: Genau, das ist der Satz zum Einstieg! Also: Du hast nix verlernt. Du hast nur neue Felder gefunden. Und die Dinge die Du dabei früher gemacht hast, die haben geholfen die Dinge heute zu bewältigen. Mit Leidenschaft und Akribie – genau wie damals. So seh ich das… 😉

    Tobi
  17. tl,dr Neue und innovative Spielkonzepte können einen genauso begeistern wie in den 80ern. Mit persönlichen Beispielen.

    Ja, auch ich kann und konnte das beschriebene Gefühl schon immer gut nachvollziehen (gehe auf die 40 zu, bin in den 80ern mit dem Amiga gestartet). Nach dem Lesen der Kommentare habe ich tatsächlich noch länger gegrübelt, woran es liegen kann. Denn für mich gibt es auch heute noch diese speziellen Momente, dieses Kribbeln – ein Erklärungsversuch:

    „Neuheit“
    Mir fällt gerade kein besseres Wort dafür ein (bitte helft mal). Also die Tatsache, wie neu ein Spielprinzip ist. Dabei kommt es nicht auf die Neuheit innerhalb der Games-Branche an, sondern nur die persönliche Neuheit. Wenn ich ein Spiel also so noch nie erlebt habe, dann war das für mich immer ein irre aufregendes Gefühl. Beispiele:

    Prä-2000:
    Ende der 80er / Anfang der 90er war für mich fast jedes Spiel neu – was für eine aufregende Zeit. Es wurde so viel ausprobiert (in der Branche), dass sich mit jeder Diskette eine komplett neue Spielwelt eröffnete. Für mich persönlich z.B. (alle mit wohligen Gefühlen im Bauch): Pirates, Civilization, Battle Isle, Dungeon Master, Bubble Bobble, Super Cars, Lotus Esprit Turbo Challenge, .., später z.B. Wing Commander, Command & Conquer, Commando, ..)

    Für die Theorie spräche, dass alle Nachfolger auch toll waren, aber für mich nicht mehr mit demselben (Bauch-)Gefühl verbunden waren.

    Dann sind noch die diversen schon genannten Adventures anzusprechen. In meinem Fall Monkey 1&2, Indy 3&4 und Day of the Tentacle. Hier gerate ich etwas ins Schleudern, denn alle folgen natürlich mehr oder weniger demselben Spielprinzip, alleine schon vom Interface. Aber in meiner Erinnerung war ich bei jedem dieser Spiele hin und weg. Die Ausnahme von der Regel?

    Post-2000:
    Ich hoffe Ihr konntet mir folgen, denn jetzt wird es spannend. Welche Titel lösten im groben letzten Jahrzehnt (historische Korrektheit mal beiseite, darum geht es nicht) ähnliche Begeisterung aus und warum? Wie war das bei Euch?

    World of Warcraft: Für mich das erste MMO und ich kann mich noch genau an die Zeit Ende der Beta erinnern, ich war mit etlichen Freunden unterwegs. Eine völlig abgefahrene Kombination und was für ein Kribbeln beim Erkunden der Welten, den Kämpfen mit Drachen oder PVP Erlebnissen – so zuvor noch nie erlebt.

    Little Big Planet: Ja, definitiv nicht das erste Jump and Run, aber ich habe in dem Genre nicht so viel gespielt und das Spiel fast ausschließlich im Coop. Was für kreative Welten die gebaut haben und die Spiele im Spiel – der Hammer! Für die Nachfolger gilt dann halt leider das ganz oben geschriebene..

    Battleheart (iOS): Wie nennt man das, Action-RPG perfekt auf Touch-Steuerung angepasst? So gab es das zuvor nicht, konnte es ohne iPad gar nicht geben. Habe es mehrfach durchgespielt.

    Defense Grid: The Awakening: War mein erstes Tower Defense und danach hat mich nichts aus dem Genre wieder so gepackt.

    Half-Life 2: Die Shooter. Frage mich gerade, ob ich nach Half-Life noch mal so begeistert geballert habe (habe fast alle Call of Duties durch, bis auf die letzten 2-3). Würde sagen nein! Und Portal!!

    The Room (iOS): So eine Art Spiel hatte ich mir schon immer gewünscht. Muss aber dazu sagen, dass ich Myst und Co. nie gespielt habe (falls die ähnlich sein sollten..).

    The Walking Dead: Damals ohne den ganzen bekannten Hintergrund zu Telltale Spielen gespielt und bisher auch mein einziges des Studios. Puh, hat mich das mitgenommen. Wollte schon abbrechen, dann aber durchgehalten und am Ende nicht nur eine Träne verdrückt..
    für mich hat die Illusion der Entscheidungsfreiheit funktioniert!

    Mirrors Edge (auf PS3): Ich muss gestehen, dabei bin ich wahrscheinlich an die Grenzen meiner Fähigkeiten bzgl Controllern gekommen. Aber wenn ein Spiel mal so etwas wie „Flow“ hat bei mir aufkommen lassen, dann Mirrors Edge!

    Ingress (iOS): Überträgt das Spiel ins RL. Schon mal in der Innenstadt probiert jemandem unauffällig zu folgen und seine Portale zu sabotieren – unschlagbar!

    Game Dev Story (iOS): Meine erste Wirtschaftssimulation nach Ports of Call und den Fussballmanagern der 90er. Zum Mitnehmen.

    Ok, ich könnte noch länger so weiter machen und vielleicht ist für den ein oder anderen ja eine Anregung dabei. Eigentlich müsste man aus dem Thema einen weiteren Artikel machen..
    Und es klingt jetzt nach Vielspieler, aber wir sprechen hier über mehr als ein Jahrzehnt und einen Familienvater mit Fulltime-Job.

    Tobi
  18. Die Frage, ob wir das Spielen verlernt haben ist sehr gut formuliert. Es wirkt, als müsste man zustimmen anbetracht der heutigen Distanz zu aktuellen Spieletiteln. Man könnte aber auch festhalten, dass die Spielbarkeit das tatsächliche, zeitlose Maß der Spieleindustrie sein muss: Wo bekomme ich einen Bart her? Ich schneid’ den einfach bei dem schlafenden Zwerg ab – er merkt es ja nicht – und schon bewerten wir in der Spielwelt Situationen nach wirklichen Maßstäben, handeln sozusagen als Individuum, mit dem Hang zum Neckischen. So kann micht Simon The Sorcerer belohnen, weil es mich ernst und nicht bei der Hand nimmt, mich dargebotene Möglichkeiten kreativ auszeizen lässt und ein Erlebnis schafft, das über den Monitor hinausgeht.

    Tobi
  19. Relativiert wird Spielspaß durch den Grad der Ausblendbarkeit der Wirklichkeit. Computerspiele sind eine akzeptierte Tatsache dieser Tage, wirken also nicht von Natur aus faszinierend sondern sehen sich in einem Konkurrenzkampf mit dem Alltag – in den sie daher auch verstärkt eindringen: auf einer Leuchtreklame wirft sich Nathan Drake launisch einer Liane entgegen, dort, wo ich jeden Tag die U-Bahn altbacken betrete. Das unausgesprochene Versprechen, das ich mit in den Arbeitstag nehme: Wenn ich nun abends mit einer Nathan-PS4 Box nach Hause zurückehre, bin ich dann kein Arbeitnehmer mehr sondern ein Abenteurer?

    Tobi
  20. Ob nun Planke oder Bart, sind einmal die Gesetzmäßigkeiten eines Spiels verinnerlicht, greifen sie auf die Wirklichkeit über, das Spiel „beeindruckt”. Jener Spieltitel jedoch, der nur über eine hohe kognitive Hürde zu erklimmen ist, könnte vom Alltag überwältigt werden, da ein Spieleinhalt relativ „unwichtig” wirkt.
    Doom 3 verlangte 2004 etwas anderes von mir, als ich es gewohnt war, die Diskrepanz war mir unangenehm. Modern Warfare 3 habe ich zur „Halbzeit” aufgehört zu spielen als die bereits konsumierte und quasi auf Schienen abspulende Spielhandlung vorhersehbar schien: Power off.

    Tobi
  21. Als Daniel aus dem Schlaf gerissen wurde von Scheren, Bärten und Zwergen war der Sieg des Spiels über die Wirklichkeit vollkommen, wie bei einem Roman, deren Charaktere man begleitet, auch wenn die U-Bahn poltert. Oder einem Monkey Island 1, da ich am Telefon das Rätsel mit dem Fisch, der Möwe und der Planke löse, die Rolltreppen des Wiener Karlplatzes wie in Trance besteigend. Wir empfinden etwas „packend“, wenn in einem vom Spiel geschaffenen Zusammenhang Möglichkeiten geboten werden, seiner Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen, durch Handlungen, die man zu einem gewissen Grad frei bestimmen kann.

    Tobi
  22. Was den Realismus in Games damals und heute angeht: für mich ist der Punkt die Reduktion. Damals war es technisch kaum möglich, reale Umgebungen darzustellen, weil die Technik so limitiert war. Dann ist eben die Fantasie eingesprungen und hat die “Welt” belebt. Und diese kopfeigene Welt kann keine Grafik ersetzen. Wir haben aus fast nichts eben unsere eigene Welt erschaffen. Das ist für mich die Faszination, die alten Spielen zugrunde liegt. Andreas Wanda hat das sehr schön in seinem Artikel “Über Retrografie” aufgegriffen, der hier auf VSG zu lesen ist.

    Übrigens: ganz herzlichen Dank an alle Kommentatoren zu diesem Artikel! Ich habt wunderbare Beiträge geschrieben!

    Tobi
  23. Es gab mal eine Zeit, da kannte man die Game Designer auch noch beim Namen. Da waren die Game Designer selbst noch Marken: John Romero, Roberta Williams, Richard Garriott…. das war ziemlich cool. Heute steht da nur EA Games, Naughty Dog, EPIC usw. Die machen gute Games, keine Frage, aber in den Stories (wenn es sie gibt) liegt nicht mehr ganz so viel Persönlichkeit der Designer drin wie damals. Das liegt natürlich auch daran, dass an heutigen Games eine Unmenge an Personal beteiligt ist, nicht mehr so wie früher, als manche Games noch von Einzelpersonen herausgebracht wurden. Das war schon schick damals. 🙂

    Tobi
  24. Jaaaaaa, dieses Kribbeln! Hach! 🙂 Aktuelle Games erzeugen auch ein Kribbeln, aber das hält nicht lange an. Das ist nur Adrenalin, das hochschießt. Aber die Games von früher, das war eine andere Art des Kribbelns. Das hat länger angehalten, zumindest kommt es mir so vor. Danke auch für deinen Kommentar!

    Tobi
  25. “Manchen AAA Produktionen fehlt die digitale Seele” – das ist schön gesagt. Ja, sehe ich auch so. Was mir z.B. auffällt ist, dass AAA Games schon so perfekt durchgestylt sind, dass es keine Anstrengung durch die eigene Fantasie mehr braucht. Das war früher anders, als Menschen noch Pixel waren. Heutige Games sind super, um schnelle Adrenalinkicks auszulösen, aber nachhaltig sind die nicht, zumindest nicht für mich. Vielleicht teste ich tatsächlich mal abseits der typischen Genres, die ich so spiele, und schaue mal, was die Gameswelt noch so an Juwelen für mich bereit hält…

    Tobi
  26. Gab es nicht damals schon diese Komplettlösungsbücher zu kaufen? Ich glaub die gibt’s sogar heute noch. Ich weiß nicht mehr ob ich Simon alleine oder mit so einem Buch durchgespielt habe. Auf jeden Fall bin ich echt lang dran gesessen. Und ja, das würde ich heute nicht mehr machen. Geduld ist echt was, was mir bei Games heute fehlt. Es muss schnell gehen, ich muss schnell weiterkommen. Fast ein bisschen schade.

    Tobi
  27. Hey! Danke für deinen Kommentar. Es gibt tatsächlich ein paar aktuelle Games, die ich gerne gespielt habe: Assassins Creed IV Black Flag, GTA V, Uncharted, Killzone, Gears of War, The Last of Us. Da steckt schon Abwechslung drin, finde ich. Aber die Begeisterung für diese Games reicht trotzdem lange nicht an die Games von damals heran. Ich hab es sogar schon mal mit Games im verpixelten Retro Look probiert, v.a. am iPad. Aber auch da ist der Funke nicht gerade übergesprungen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, denn jaaaaaaa! Du hast völlig Recht. Es sind tolle Zeiten für Spiele. Da kommt sicher noch was, was mich von den Socken hauen wird. 🙂

    Tobi
  28. Ich bin jetzt 40 Jahre alt und spiele seit Atari 2600-Zeiten. In den letzten Jahren auch wieder deutlich mehr als z.B. noch mit Ende 20. Am Alter kann es also schonmal nicht liegen. Wie für jedes gute und zeitintensive Hobby verzichte ich daher natürlich auf andere Sachen, bei mir hauptsächlich auf TV (ausser hin uns wieder eine gute Serie). Für Familie, Bücher und Outdoor-Aktivitäten mit Freunden bleibt trotzdem genügend Zeit.

    Dass es an den Spielen liegt, kann ich aber auch nicht so recht glauben. Klar habe ich damals auch z.B. ein Maniac Mansion geliebt, aber die Spiele haben sich seitdem auch enorm weiter entwickelt. Und gerade was eine gute Story angeht, sind die Spiele in meinen Augen extrem besser geworden. Man schaue sich nur einmal an, was in einem Skyrim, einem Mass Effect oder einem GTA an Geschichten drinsteckt. Die Adventures von heute sind auch vielschichtiger geworden, wie z.B. die erste Walking Dead Staffel oder auch Life is Strange. Entscheidungen spielen eine wichtige Rolle und geben mir als Spieler viel mehr das Gefühl, die Story Mitgestaltung zu können.

    Vielleicht musst Du mal was Neues wagen, das Genre wechseln, die Konsole oder den PC austauschen?! Ich persönlich gebe jedem Genre eine Chance und spiele auch fast alles an und finde dann natürlich auch die ein oder andere Perle, wie z.B. The Cave, Child of Light oder Jazzpunk. Natürlich greift man hin und wieder auch ins Klo, aber das ist bei Büchern und Filmen nicht anders.

    Für mich persönlich macht es die Abwechslung aus, dass ich immer wieder aufs neue gefesselt werde. Und dann spiele ich eben ein Ratchet & Clank mit der gleichen Hingabe wie ein Uncharted. Es sind tolle Zeiten für Videospiele. Und sie werden immer besser. Das kann man eigentlich nicht verlernen 😉

    Tobi
  29. Liegt imo grad bei Point&Clicks am Alter und am Internet. Mit 30+ hat man keine Geduld und gefühlt auch keine Zeit mehr um 2 Wochen am selben Rätsel zu grübeln. Früher MUSSTE man halt, aber heute gucke ich nach ner halben Stunde in ne Komplettlösung. Man will ja nicht auch noch in der Freizeit “arbeiten”. Leider bleibt damit auch das Erfolgsgefühl aus.
    (Habe Simon the Sorcerer übrigens nie durchgeschafft. Meine Eltern hatten kein Internet damals.)

    Tobi
  30. Schön geschrieben und ein interessantes Thema. Woran es liegt, dass du beim Spielen meist so negativ/wenig empfindest, kann wohl keiner von uns Lesern genau sagen, aber ich persönlich würde nicht den Spielen selbst die Schuld geben. Gamer sind beim Thema Nostalgie und schöne Erinnerungen ja nicht anders als andere Menschen. Ich finde aber, dass Spiele sich enorm entwickelt haben und insgesamt noch deutlich besser geworden sind.

    Früher waren die Teams viel kleiner und auch Blockbuster entsprachen mehr den Visionen einzelner Personen, während sie heute oft von riesigen Studios entwickelt werden, was wiederum dazu führt, dass so mancher AAA-Produktion irgendwie die digitale Seele fehlt. Doch der Markt besteht heute eben nicht nur aus ein paar Studios und Publishern, sondern es gibt mehr Entwickler als jemals zuvor und entsprechend vielschichtig ist auch der Markt. Ich bin mir sicher, dass es diese Spiele noch gibt, die uns auf verschiedene Weise packen können, aber man muss eben manchmal etwas suchen, wenn man sie Abseits der PR-Maschinerie der AAA-Welt finden will. Ich gehe auf die 30 zu, spiele fast täglich (und schon mein Leben lang) und bin heute vielleicht sogar noch leidenschaftlicher dabei als früher.

    PS: Vielen “festgefahrenen” Spielern hilft es, wenn sie einfach mal aus ihren üblichen Spielmustern ausbrechen und sich an Titeln/Genres versuchen, die sie bislang eher ignoriert hatten.

    Tobi
  31. “Wenn du spielst und nichts mehr fühlst”, genau so würde ich das auch beschreiben. Ich denke es liegt hauptsächlich am Alter aber nicht nur. Denn früher war alles neu und die Begeisterung riesengroß. Auch früher hatte man Verpflichtungen, aber man hat sich die Zeit einfach genommen. Außerdem scheint es mir so als ob (fast) jedes Spiel das heutzutage entwickelt wird ein Abklatsch von einem anderen Spiel ist. Keine Innovation und alles wurde bereits erfunden. Aber wenn ich Simon the Sorcerer heute spiele, dann verspüre ich immer noch dieses Kribbeln 🙂 Aber das ist nur meine persönliche Meinung… Auf jeden Fall, ein sehr schöner Artikel!

    Tobi
  32. Ein sehr schöner Artikel!

    Ich bin auch 36 und habe viele der damaligen Abenteuer ebenso gern gespielt. Was habe ich an “Indiana Jones and the fate of Atlantis” gehangen. Das Spiel hat unser kleiner Computerladen in unserer Kleinstadt eines Tages ganz frisch reinbekommen und einer der Verkäufer saß davor und hat es ausprobiert. Mit den Freunden saßen wir so den ganzen Tag nur im Computerladen und haben dem Typen dabei zugeschaut, wie er das neueste Adventure spielt und wir waren total fasziniert!

    Dem Andre kann ich auch nur zustimmen, was die heutigen Spiele angeht. Stories und Hintergründe werden oftmals weggelassen. Es geht auch nur noch darum, wer die beste und realistischste Grafik auf dem Schirm zaubert. Was am Ende dabei herauskommt sind sehr oft nur Shooter, Jump’n’Runs, Rennspiele oder die total überflüssigen Kriegssimulationen. Der Spaß ist Anfang 2000 irgendwie auf der Strecke geblieben. Aber es gibt hin und wieder doch Spieleperlen, wie z.B. Ni No Kuni. Hier wurde viel investiert, um eine tolle Geschichte zu kreieren und ebenso wurde der Spielspaß auch nicht vernachlässigt.

    Was die alten Spiele angeht: Die habe ich allesamt noch auf CDs, die damals mit DOS-Trend “Bestseller Games” erschienen :-). Hierfür muss man sich ja nur den Spieleordner auf die Festplatte ziehen und kann die meisten mittels SCUMMVM bequem spielen, so wie damals. Da kommt auch das alte Gefühl wieder hoch und man ist schnell in der Spielewelt wieder gefangen. Einfach schön!

    Tobi
  33. Ich kenne das tatsächlich auch, wobei ich bei mir heute der Zeit die Schuld gebe. Die wenige Freizeit, die ich neben der Arbeit, Haushalt usw habe muss leider mit ganz vielen konkurrierenden Tätigkeiten und Dingen gefüllt werden. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal länger als eine halbe Stunde am Stück ein Spiel gespielt habe. Bei Büchern ist es leider ähnlich. Nur Serien vermögen es noch, mich länger in den Bann zu ziehen; warum? Ich denke, weil ich da auch gut andere Sachen nebenbei machen kann. Wenn ich überlege, wie ich früher stundenlang ein Spiel gespielt habe, teilweise Stunden mit total sinnlosen Aufgaben (Gras in Zelda kaputt hacken, um mehr Rubine zu haben, Pokémon aufleveln) verbracht habe… dafür ist mir meine Zeit heute zu schade, lange Spiele fasse ich gar nicht mehr an. Und klar, der Spielspaß, die Spielerfahrung, die Immersion ist eine andere, wenn ich ein 30-Stunden-Spiel (was längeres spiele ich gar nicht mehr) in 4-6 Wochen spiele, statt an einem Wochenende. Das ist, als würde ich einen Film an mehreren Tagen verteilt gucken (was auch schon vorgekommen ist).

    Ich kann heute einfach schwer komplett in ein Spiel eintauchen, weil so vieles um mich herum mich immer wieder in die Realität zurück holt. Und wenn man dann doch mal Urlaub hat und sich vornimmt, Telefon und Internet zu ignorieren und die Zeit sinnvoll zu nutzen, dann greift man eher mal zu einem Buch oder trifft sich mit Freunden und Familie, die man immer weniger sieht. Früher(tm) hab ich auch mal die ganzen Sommerferien durchgezockt und war froh, die Leute alle mal nicht sehen zu müssen.

    An anderen Stellen merke ich auch einfach, dass es mir heute an Geduld fehlt, wenn ich bei Deponia 10 Minuten an einem Rätsel hänge, gucke ich lieber nach einer Lösung als dass ich da tagelang drüber nachdenke.

    (Sorry für den langen Kommentar, hoffentlich erkennt man ein wenig, was ich sagen wollte. Es ist noch früh 🙂 )

    Tobi
  34. Wirklich sehr schön geschrieben! Ich habe im Zusammenhang mit der Lektüre Deines Artikels zwei Dinge getan:

    1.) Simon the Sorcerer bei GOG gekauft und es mir selbst anzusehen. Und tatsächlich: ein sehr charmantes Spiel. Beeindruckend wie schnell es mich in seine Welt gezogen hat. Die Atmosphäre ist wunderbar und die Zeichnungen so liebevoll.

    2.) Mich selbst gefragt, warum es mir oft so wie Dir geht. Auch ich greife immer wieder zu “alten” Spielen, weil die neuen nicht so recht Emotionen in mir auslösen wollen. Ganz selten einmal kommt es vor, dass mich etwas begeistert. Besonders auf den neuen Konsolen fühlt sich das Spielen sehr “kommerziell”. Überall wird man mit DLCs zugedeckt und kann für jeden Blödsinn Geld bezahlen. Dabei geht es doch um die Spielerfahrung. Die Geschichte, die das Spiel erzählen möchte. Und hier ist, wenn ich mir den Markt der kommerziell erfolgreichen Spiele anschaue, noch viel Luft nach oben finde ich.

    Tobi