Die Corona-Krise bindet uns momentan alle an unsere Wohnungen und schränkt unsere individuelle Freiheit massiv ein. Unter uns Videospielern könnte man natürlich locker “Endlich mal Zeit für den Backlog!” sagen und auf den riesigen Haufen digitaler und nicht-digitaler Spiele zeigen, die man irgendwann mal gekauft hat, um sie ganz sicher morgen Abend oder am kommenden Wochenende anzuzocken – nur um es dann aus irgendwelchen wichtigen Gründen oder einfach mangelnder Motivation doch nicht zu tun.
Nun wäre also die Zeit da, für all die Yoshis, Mario-Ableger oder gar den Football Manager 2020. Aber naja, irgendwie ist das ja nicht so geil, weil man ja viel lieber nach draußen gehen wollen würde, jetzt wo man es nicht wirklich kann. Das Signal des Gehirns, unbedingt tun zu wollen, was gerade definitiv nicht geht, schlägt hier gnadenlos zu.
Die nächste Generation der Managerspiele
Dabei gab es ja auch Zeiten im Leben, in denen man sehr gerne, mitunter tagelang, freiwillig das eigene Kinderzimmer maximal zur Nahrungsaufnahme verlassen hat oder um die allerwichtigsten Hygienedinge zu erledigen. Insbesondere erinnere ich mich an das Jahr 1991.
Nachdem Software 2000 das Genre der Fußball Manager unter uns Computerspielkids ein paar Jahre zuvor salonfähig gemacht hatte (den englischen Football Manager auf dem C64 kannten wir zwar, aber konnten uns für die karge Präsentation nicht so richtig begeistern), stand nun die nächste Evolutionsstufe in Sachen Fußballspiele auf dem Programm. Angekündigt war der Nachfolger Bundesliga Manager Hattrick, der alleine anhand der Previews in den gängigen Spielezeitschriften ein unfassbares Werk zu sein schien.
Dieses Spiel hatte nur einen entscheidenden Nachteil für mich: Mein zwei Jahre älterer Bruder fieberte auch auf die Veröffentlichung dieses Spiels hin. Unter altersmäßig so nahe beieinander liegenden Brüdern ist es zumeist so, dass sich trotz allem Zusammenhalt auch eine ausgewachsene Rivalität entwickelt und jeder versucht, sich vom anderen möglichst gut abzugrenzen. Er mochte Hertha BSC, ich war Fan von Blau-Weiß 90. Er mochte Popmusik, ich Heavy Metal. Er stand gerne früh auf, ich schlief am liebsten bis 12. Die Liste ließe sich unter Berücksichtigung sämtlicher Lebensbereiche unendlich fortsetzen.
„Starbyte“ als Merkmal zur Differenzierung
Deshalb war es für mich auf gar keinen Fall möglich, wie mein Bruder auch den Bundesliga Manager Hattrick zu spielen oder gar zu kaufen. Zu meinem großen Glück wurde zeitgleich aber noch ein anderes Managerspiel angekündigt, welches ebenfalls 1991 auf den Markt kommen sollte. Es hörte auf den Namen Starbyte Super Soccer und war ursprünglich mal in der “Microwelle” der ASM als Spiel des Monats vorgestellt worden. Daraufhin nahm Starbyte den Programmierer Dirk Weigand unter Vertrag und brachte das Spiel professionell in den Handel.
Wahrscheinlich war ich der allererste Käufer des Spiels in ganz Berlin, so sehr fieberte ich darauf hin. Zahllose Anrufe beim Fachhändler meines Vertrauens mit der immer gleichen Frage, ob denn Starbyte Super Soccer endlich da sei, brachten irgendwann die Erlösung und machten mich 90 Mark ärmer. Und ich wurde nicht enttäuscht, denn neben meinem Lieblingsverein Blau-Weiß 90, der damals noch in der 2. Bundesliga kickte, fanden sich auch diverse heute längst nicht mehr existierende Berliner Amateurvereine wie Rapide Wedding im spielerischen Angebot. Das war genau meine Geschmacksrichtung.
Je absurder der Vereinsname, desto begeisterter war ich. Deshalb wurde ich auch umgehend Fan von Wormatia Worms. Ok, eigentlich auch nur am Computer, genau wie von Hassia Bingen. Aber wer will noch mit Eintracht Frankfurt spielen, wenn er solche Vereine betreuen kann? Das Spiel wurde umgehend meine ganz große Liebe. Andere Games schaute ich für sehr lange Zeit gar nicht mehr an.
Nächtelange Sessions bei Chips & Cola
Am liebsten zockte ich es aber nicht alleine, sondern mit meinem besten Freund Nicki, der nicht nur ebenfalls Fan von Blau-Weiß war, sondern das Spiel genauso stark fand wie ich. Also zockten wir in unseren Schulferien in fast jeder freien Minute und mitunter nächtelang “Starbyte”, wie wir das Spiel nur nannten.
Für unsere Versorgung reichten uns ein paar Tüten Chips, etwas Saft und Cola sowie Gummibärchen. Ansonsten waren wir viel zu sehr damit beschäftigt Rainer Rauffmann ins Trainingslager der Sportschule Hennef zu schicken, unsere Bandenwerbungen für möglichst viel Geld zu vermieten. Oder aber wir ärgerten uns über die Meldung, dass ausgerechnet unser bester Stürmer Thomas Adler ein Angebot vom Film erhalten habe und deshalb mit sofortiger Wirkung seine Karriere beende. Das Spiel war sowohl spielerisch als auch in seinem speziellen Humor ein absoluter Traum.
Ziemlich schnell fanden wir auch einen sehr entscheidenden Cheat heraus, der uns unser Stadion auf die Maximalgröße ausbaute und das Vereinskonto mit Unmengen an Geld auffüllte. Das erleichterte den Weg durch die Ligen nach oben zweifellos und kam uns nicht im Geringsten “falsch” vor. Wir hatten ja immerhin noch unsere beiden Teams im Spielstand, die sich um die Meisterschaft duellieren konnten. Über kleinere Schnitzer des Spiels, dass man bspw. auch mal ein Spiel mit nur 7 gesunden Profis und mit dem etatmäßigen Verteidiger im Tor 5:0 gewann, sahen wir großzügig hinweg.
Starbyte war sicher kein großer Verkaufserfolg, denn “Hattrick” lief ihm in der öffentlichen Wahrnehmung klar den Rang ab. Aber in welchem anderen Managerspiel konnte man sogar die letztlich nie umgesetzte Ligareform des DFB optional spielen? Eben, nur hier. Vielleicht ist “Starbyte” das wichtigste Spiel meines Lebens. Auf jeden Fall aber bis heute eines meiner meistgespielten, denn noch immer besitze ich zwei originale Kartons von dem Spiel, mit den originalen Disketten in 5 ¼ und 3 ½ Zoll sowie der Anleitung, die man für die Abfrage des Kopierschutzes benötigte.
Ebenfalls habe ich mir vor etlichen Jahren einen alten PC-Laptop gekauft, dessen Leistung schlecht genug ist, um das Spiel darauf vernünftig laufen lassen zu können. Der einzige Einsatzzweck dieses Laptops ist es, Starbyte abzuspielen. Somit bin ich immer und jederzeit bereit, das Spiel mal wieder anzuwerfen, falls Nicki, der auch 29 Jahre später noch immer als Busenkumpel an meiner Seite ist, mal vorbei kommt und wir wieder Lust auf Starbyte bekommen – so wie damals im Sommer 1991.
Freilich kommt es nur alle paar Jahre mal dazu, weil wir uns heutzutage eher außer Haus treffen. Aber vielleicht ist ja die jetzige Corona-Krise mal wieder genau der richtige Zeitpunkt, um die alten Zeiten aufleben zu lassen. Ich glaube, ich rufe ihn direkt mal an …
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