Das Atari 2600 Plagiat “Atlanta Jode”

Von André Eymann am
Kommentiert von: Sepp, M. Schuetz, Michi, wepuc, André Eymann
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Im Februar 2002 hatte mir ein Leser freundlicherweise eine Atari 2600 Konsole angeboten. Er kaufte das Gerät zuvor in einem Elektro-Discountladen in München. Die Verkäuferin erzählte ihm, die Konsole würde aus einem alten Lagerbestand stammen. Umso überraschter war ich, was mir einige Tage später für den Preis von 17,90 Euro plus Versandkosten nach Hause geschickt wurde.

Auf dem Karton stand „Video Computer Console – 2600 – Compatible“. Daneben befand sich ein runder Aufkleber mit der Beschriftung „32 Built-In“. Die Abbildungen auf der Vorderseite der Verpackung zeigten eine Atari 2600 Junior Konsole mit einem Atari-Joystick. Nur das Wort „Atari“ war nirgends zu lesen. Nach dem Auspacken war schnell klar, dass ich keineswegs eine echte Atari-Konsole in den Händen hielt. Es handelte sich vielmehr um ein (zumindest auf den ersten Blick gelungenes) Imitat der Atari 2600 Junior Konsole, die von 1984 bis 1991 produziert wurde.

Auf dem Gehäuse war ein Aufkleber befestigt, der den Hinweis „For Atlanta Jode Munchen Germany“ trug. Sofort forschte ich im Internet nach diesen Hinweisen, fand aber nichts. Fortan beschloss ich der Konsole den Namen „Atlanta Jode“ zu geben.

Die Vorderseite der Verpackung des Atlanta Jode. (Bild: Michael Arnold)
Die Vorderseite der Verpackung des Atlanta Jode. (Bild: Michael Arnold)
Die Rückseite der Verpackung des Atlanta Jode. (Bild: André Eymann)
Die Rückseite der Verpackung des Atlanta Jode. (Bild: André Eymann)

Viele Unterschiede

Auf den zweiten Blick konnte ich viele kleine Unterschiede zum Original erkennen. So fehlt der Atari-Schriftzug auf der Gehäuseoberseite, die Farben der (viel zu kurz geratenen) Farbleiste unter dem Schriftzug „2600“ stimmen nicht mit den Original überein und die eigentliche Betriebsleuchte besteht lediglich aus einem rot lackierten Stück Plastik.

Falsches Logo, falsche Farben. (Bild: André Eymann)
Falsches Logo, falsche Farben. (Bild: André Eymann)
Auch hier alles gefälscht: normalerweise ist die (echte) Power LED in den typischen Farbstreifen von Atari eingefasst. (Bild: André Eymann)
Auch hier alles gefälscht: normalerweise ist die (echte) Power LED in den typischen Farbstreifen von Atari eingefasst. (Bild: André Eymann)

Auf der Konsolen-Rückseite hinten links befindet sich ein Taster, den es bei der echten Atari-Konsole nicht gibt. Leider wird seine Funktion im beigefügten (englischsprachigen) Handzettel nicht erwähnt. Wie sich aber beim Test herausstellte, können mit diesem Taster die 32 eingebauten Spiele angewählt werden. Beim Original Atari 2600 Junior werden die 32 verschiedenen Spiele des Moduls „32 in 1“ der Reihe nach durch das Betätigen des ON/OFF-Schalters angewählt.

Der Taster auf der Rückseite der Konsole. (Bild: André Eymann)
Der Taster auf der Rückseite der Konsole. (Bild: André Eymann)
Die Anschlüsse der Konsole auf der Rückseite. (Bild: André Eymann)
Die Anschlüsse der Konsole auf der Rückseite. (Bild: André Eymann)

Als weiteres Zubehör befanden sich zwei Joysticks (Atari CX40 Imitate) und ein Netzteil (9 Volt, 500mA) im Karton. Ebenfalls im Karton befand sich eine Antennenweiche, mit der man schnell zwischen der Konsole und dem Antenneneingang umschalten kann.

Von Fishing Derby zu Fishing Crab

Bei den 32 eingebauten Spielen, die man sofort nach dem Einschalten anwählen kann, handelt es sich um bekannte Atari- und Activision-Klassiker, die in der beigefügten Beschreibung zum Teil andere Titel haben.

Durch die Umbenennung einiger Titel wurde beispielweise aus Activisions Stampede das Spiel Cow Boy. Ataris Outlaw wurde zu Gun Man und aus Activisions Fishing Derby wurde Fishing Crab. Letzteres entsprach allerdings nicht der Originalversion.

Die Liste aller eingebauten 32 Spiele des „Atlanta Jode“. Inklusive Schreibfehler. (Bild: André Eymann)
Die Liste aller eingebauten 32 Spiele des „Atlanta Jode“. Inklusive Schreibfehler. (Bild: André Eymann)
Activision Tennis ohne Activision Logo. (Bild: André Eymann)
Activision Tennis ohne Activision Logo. (Bild: André Eymann)

Nachdem die Konsole angeschlossen war, konnte es sofort losgehen. Da es sich bei den meisten Spielen um Zwei-Spieler-Versionen handelt, kommt so schnell keine Langeweile mehr auf. Bei der eingebauten Version von Tennis beispielsweise handelt es sich um das Original von Activision Tennis und nicht um Ataris Real Sports Tennis. Das Logo von Activision wurde allerdings vollständig entfernt.

Die „Atlanta Jode“ Konsole konnte zusätzlich zu den 32 eingebauten Spielen auch handelsübliche Atari Spielmodule verwenden. Somit war beim durch den Kauf des günstigen Plagiats in der Lage alle „echten“ Cartdriges nutzen zu können.

Blick unter die Haube

Der Blick ins Innere gibt leider auch keinen weiteren Aufschluss darüber, wer die Konsole gebaut hat, wann sie gebaut wurde oder woher sie stammt. Es ist aber wahrscheinlich, dass sie, wie viele andere Videospiel-Imitate, in Asien produziert wurde. Auffällig sind die zwei unbestückten IC-Plätze oben rechts auf der Platine.

Die Platine des „Atlanta Jode“. (Bild: André Eymann)
Die Platine des „Atlanta Jode“. (Bild: André Eymann)
Ein Imitat des legendären CX40. (Bild: André Eymann)
Ein Imitat des legendären CX40. (Bild: André Eymann)

Ein besonderes Augenmerk verdienen auch die beiden mitgelieferten Joysticks, bei denen es sich um Kopien von Ataris “CX40” Modellen handelt. Anders als beim Original, fehlt hier die gelbe Färbung des kreisrunden Einsatzes für den Stick.

Ebenso entspricht das Netzteil der Konsole einem Standardadapter ohne Atari-Logo.

Falls jemand von euch im Besitz dieser Konsole sein sollte, bin ich für jeden Hinweis dankbar. Vielleicht können wir so gemeinsam ein wenig Licht in die Vergangenheit des „Atlanta Jode“ bringen. Weitere Hinweise können einfach als Kommentare an diesem Beitrag hinterlassen werden.

Weitere Fotos

Direkt auf die Konsole geklebt: Bezeichnung und Empfänger. (Bild: André Eymann)
Direkt auf die Konsole geklebt: Bezeichnung und Empfänger. (Bild: André Eymann)
Die Rückseite der Konsole. In großen Zahlen steht dort "2600" geschrieben. (Bild: André Eymann)
Die Rückseite der Konsole. In großen Zahlen steht dort “2600” geschrieben. (Bild: André Eymann)
Der beigelegte Handzettel, Vorderseite. (Bild: André Eymann)
Der beigelegte Handzettel, Vorderseite. (Bild: André Eymann)
Der beigelegte Handzettel, Rückseite. (Bild: André Eymann)
Der beigelegte Handzettel, Rückseite. (Bild: André Eymann)
Aus Activisions Fishing Derby wurde (das angepasste) Fishing Crab. (Bild: André Eymann)
Aus Activisions Fishing Derby wurde (das angepasste) Fishing Crab. (Bild: André Eymann)
Ataris Outlaw wurde zu Gun Man. (Bild: André Eymann)
Ataris Outlaw wurde zu Gun Man. (Bild: André Eymann)
Eine Kopie von Ataris Bowling. (Bild: André Eymann)
Eine Kopie von Ataris Bowling. (Bild: André Eymann)
Die Golf-Version auf dem Atari 2600 "Atlanta Jode". (Bild: André Eymann)
Die Golf-Version auf dem Atari 2600 “Atlanta Jode”. (Bild: André Eymann)
Eine Kopie von Activisions Sky Jinks auf dem Atari 2600 "Atlanta Jode". (Bild: André Eymann)
Eine Kopie von Activisions Sky Jinks auf dem Atari 2600 “Atlanta Jode”. (Bild: André Eymann)

Überarbeitete Originalfassung aus dem April 2003.


Veröffentlicht in: Hardware
Michael

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Kommentare (7)

  1. Ich habe in den 90ern in der Schwanthalerstrasse gearbeitet. Von der Sonnenstrasse kommen auf linken Seite gab es die Rasiererzentrale und auch diesen ominösen Elektroladen in dem auch ich diese Console kaufte. Meine Version kann jedoch keine Spielekassetten abspielen. Innen fehlt der Steckplatz.

    Zur Zeiten der Elektronikmeile in der Schillerstrasse wurde so einiges an Unwesen getrieben. so wurden bei einem Bauteilehändler der dort 4 Läden hatte, die Bauteile die schwer beschaffbar waren abgeschliffen und gemäß Vergleichsbuch umgestempelt. Ein Computerladen Ecke Landwehrstrasse hatte Intel Prozessoren gefälscht usw. Es ist also durchaus möglich, dass sich die Inhaber kannten und gemeinsam das so manches Unwesen trieben. Es ist daher naheliegend, dass ggf. Der Inhaber des Elektroladens aus der Schwanthalerstrasse das selbst in Auftrag gegen hat. Nachzuweisen ist das bestimmt aber nicht.

  2. Ich liebe den Atlanta Jode, weil er einfach liebenswert ist. Nun habe ich aber das Glück gehabt, einen intakten & neuen Jode zum Beginn von 2014 ergattern zu können. Zuverlässig verrichtet er seinen Dienst und verschwindet dann wieder in der OVP bei seinen Artgenossen. Ich weise aber darauf hin, dass er bei mir mit 6 Volt betrieben wird. Ist die Spannung höher, wird er sehr warm.
    Die 32 Built-In Games sind nicht der Reißer. Da hat wohl jemand mit wenigen Ausnahmen die schlechtesten Spiele der VCS 2600-Ära herausgesucht und diese versehentlich auf die Platine verbannt. Aber dafür zeigt sich der Modulschacht (Slot) äußerst zuverlässig, indem er dankbar alle Carts nimmt. Das gilt auch für NTSC-Formate.
    Positiv sind mir die “originalen” Joysticks aufgefallen. Sie stehen den CX 40 von Atari in nichts nach. Folglich ist der Jode das intakte Relikt einer Ära, von der wir mittlerweile unseren Enkeln erzählen. Und das war eine echt geile Ära.

  3. Achja JODE ist nichts anders als die Initialen des Geschäfteinhabers, jeweils zwei Buchstaben für Vor- und Nachname. Das Geschäft handelt letztlich mit Kleinelektronik-Artikel und hier wurde wohl mal eben ein Posten Atari Klone gekauft die extra für das Geschäft produziert wurden, deshalb auch der Aufkleber (der auf meinem Exemplar nicht drauf war).

    Leider ist die Kommunikation insgesamt recht mühsehlig mit dem Inhaber. So fragte ich ihn nach weiteren Artikeln und warte seit Heute auf eine Antwort obwohl ich regelmässig im Laden nachfrage.

  4. Ich habe sie in München in einem kleinen Laden gekauft. Dort lagen sie wohl über 20 Jahre lang. Das Herstellungsland ist Asien der verbaute Chipsatz für Klone typisch: Ein UMC Chip. Und das ist wirklich Spannend: UMC war ja auch eine Fertigungsschmiede für die Chips: TIA, 6532 und 6507. Atari selbst bastelte an dem Chipsatz “Unicorn” der diese 3 Chips in einem vereinen sollte. Nunja das Ergebnis war eine kurze Produktionsreihe kurz vor Einstellung der 2600Jr Konsole, der Chip war ziemlich Fehlerhaft.

    UMC selbst scheint einen eigenen Chip gebaut zu haben der perfekt funktioniert und der eigentlich in jedem Atari VCS Klone dieser Welt eingebaut ist. Ein Freund sammelt ausschliesslich Atari Klone und ich repariere/restauriere seine Geräte. Ich glaube den Aufbau kenne ich mittlerweile auswendig ;-). Es gibt nur noch zwei weitere Chipsätze die Kompatibel sind: Einer ist von einer unbekannten Hardwareschmiede (relativ selten anzutreffen), der Andere von CBS (Gemini, Coleco Vision Modul).

  5. Dann ist Dein Kauf ja noch gar nicht so lang her. Wo hast Du Deine Konsole denn gekauft? Gibt der Inhalt Deines Pakets Aufschluss über das Herstellungsland? Könntest Du uns Informationen zu den verbauten Chips mitteilen? Auch ein Foto der Verpackung “von oben” wäre toll.

  6. Ich habe ebenfalls eine dieser Konsolen gekauft. Das Netzteil war defekt da es richtig vibrierte nach dem Anstecken. Hab es sofort gegen ein normales 9V Netzteil ersetzt.

    Im Innernen war ein Bauteil locker, man hörte es deutlich klicken beim Schütteln. Was einem da an Qualität geboten wird ist schon “gemeingefährlich”. Die Spiele selbst entsprechen dem 32 Spiele Modul von Atari. Die Konsole hat eine aufgemalte LED (!!). Letztlich sind nur die CX40 Klone brauchbar, die sind richtig Gut sogar.

    Angesichts des Preises von 29,95 für das Gesamtpaket (Stand 5/2014) eine ganz brauchbare Packung.