Entspannend Einfach: Warum ich gern zu Harvest Moon SNES zurückkehre

Von Mathias Nowatzki am
Kommentiert von: Chris, Mathias Nowatzki, Rob, Franz Zwerschina, Alexander Strellen
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Harvest Moon ist eine Serie, der ich lange verbunden bin. 1998 war ich da, als der erste Teil auf dem SNES erschienen ist. Obwohl es damals in der Vorstellung eines Telespielemagazins gerade mal eine Schulnote 3 für irgendwie langweilig abgestaubt hatte, klang das beschriebene Konzept zu interessant, um daran vorbeizugehen. Ich bin der Serie mehr oder weniger treu geblieben, denn mir ist immer mal wieder danach, eines zu spielen. Besonders zur Winterzeit gehört eine Farmsimulation oder Animal Crossing einfach dazu, für das chillige Spielen nebenbei. Irgendwie passt es, wenn plötzlich im Spiel auch Winter ist.

Meine drei Lieblingsteile sind dabei Friends of Mineral Town, GBC2 und SNES. Letzteres sicherlich hochgradig durch Nostalgie. Sollte man zumindest meinen. Immerhin hatte das Magazin damals nicht ganz unrecht damit, dass das Spiel ein wenig langweilig ist. Das sind diese zurückgelehnten Lebenssimulationen vom Konzept her sicherlich intrinsisch etwas. Aber im allerersten Harvest Moon gibt es selbst im Vergleich zu den Nachfolgern extrem wenig Content. Nach einem erneuten Bespielen würde ich jedoch meinen, dass dies sogar eine Stärke des Spieles sein kann.

Die Grundlagen sind natürlich alle schon da: Feldfrüchte anbauen, sich um Tiere kümmern, die Farm erweitern, sich eine Ehefrau aus den Dorfschönheiten heraussuchen. Doch es gibt von allem so viel weniger.

Weniger ist nicht immer mehr

Zwei Festivals pro Jahreszeit, aber keinerlei im Sommer. Je nur zwei Gemüsesorten zur Auswahl, und nicht nur wird wie in den meisten frühen Teilen nichts im Winter angebaut, nein im allerersten Harvest Moon auch im Herbst nicht. Das halbe Jahr über gibt es also keinerlei Feldarbeit. Einen Berg mit ein paar wilden Früchten und einer Angelmöglichkeit existiert schon, eine Miene zum Abarbeiten von Erzen wird man allerdings noch vergeblich suchen. Am Wochenende und allen Feiertagen sind die Geschäfte geschlossen. An Regentagen stehen keine Tiere zum Verkauf. Die Farm ist abgesehen vom eigenen Haus, welches zwei Upgrades hat, bereits komplett ausgebaut. Es gibt noch keinerlei Storyline im Spiel, stattdessen läuft nach 2 1/2 Jahren das Ende über die Bildschirme. Beziehungsweise wahrscheinlich mehrere davon. Das allererste Harvest Moon bietet tatsächlich gut 20 verschiedene, kurze Endszenen, die aneinandergereiht werden, je nachdem, wie sich im Spiel geschlagen wurde.

Das ist eines der Anzeichen dafür, dass obwohl es an spielerischem Content enorm mangelt, dies hier kein Schnellschuss-Spiel ist. Da wurde echt viel Liebe reingesteckt. Die Heiratskandidatinnen haben beispielsweise bereits eine gute Anzahl an verschiedenen Dialogen. Klar wiederholen die sich durchs Spielprinzip gegeben auch schnell, wenn jeden Tag mit ihnen gesprochen wird, aber ich war doch überrascht, wie viele mögliche Standardantworten sie teilweise auch Wetter- und Tages-bedingt offerieren. Die Umgebung sieht je nach Jahreszeit anders aus, mit Kirschblüten an den Stadtbäumen im Frühling, die Schatten der vorbeiziehenden Wolken im Sommer, oder die sichtbaren Fußspuren im Winterschnee. Der Bauer hat sehr charmante Animationen beim Einsatz seiner Werkzeuge und sogar mehrere Idle-Animationen, wenn man ihn dumm rumstehen lässt. Die Kühe sind sowieso so niedlich wie in keinem anderen Teil.

Gewohnt ist das Spiel natürlich nicht sonderlich fordernd. Besonders wenn gemerkt wird, dass sobald es Abend ist, die Zeit stehenbleibt. Es ist noch nicht reinprogrammiert, dass der Tag automatisch zum nächsten Morgen wechselt, oder bei Überarbeitung oder schlechtem Wetter der Bauer verschläft und krank wird. Einige Arbeiten können von daher beliebig in die Nacht hinein getätigt werden. Nicht das dies sonderlich wichtig wäre. Es ist eine Leichtigkeit schon am Ende des ersten Jahres geheiratet und das Haus maximal ausgebaut zu haben, sowie mehr Geld zu besitzen, als je wieder ausgegeben werden kann. Der Rest bis zum Ende spielt sich dann zum Selbstzweck.

Diktiertes Langsamtreten

Jedoch steckt ein gewisser Charme in der Simplizität des Spieles. Ein Harvest Moon kann ein chilliges Erlebnis zum Spielen nebenbei sein. Aber man kann sich in jenen auch selbst stressen. Wenn in die Falle getappt wird zu viel des enthaltenen Contents in die Tage quetschen zu wollen, zu schnell zu optimiert spielen zu wollen. Das ist aber eben etwas, was beim allerersten Vertreter gerade wegen der wenigen Möglichkeiten nur schwer machbar ist, sondern Spieler werden notgedrungen ausgebremst.

Die einzelnen Tage sind extrem kurz, weswegen sich eh nicht zu viel vorgenommen werden kann. Aber es gibt eben auch je nicht viel zu tun außer der Feldarbeit und die zukünftige Frau zu bespaßen. Es gibt keine Handlung, die einen ständig mit unwichtigem Text ausbremst oder Dinge hinter ihrem Fortschritt wegsperrt. Werkzeugupgrades und Power Berries können teilweise erst zu einer bestimmten Zeit im Spiel geholt werden. Alles andere ist von Beginn an erreichbar, solange das Geld dafür in der Kasse ist. Nachdem sich im Frühling und Sommer eventuell doch etwas gehetzt wurde, um in die kurzen Tage möglichst viele Felder unterzubringen, fallen im Herbst und Winter selbst jene weg. Damit einhergehend kommt es gezwungenermaßen zu einer ruhigeren Herangehensweise.

Es ist einfach nicht viel dran an Harvest Moon SNES. Und genau das ist manchmal genau das richtige. Einfach chillig nebenbei ein Spiel spielen, bei dem eigentlich gar kein Scheitern möglich ist, bei dem einen die stupide Arbeit einlullt, bei dem nicht endlose Contentmöglichkeiten abgewogen werden, und vor allem welches nicht ewig Zeit zur Beendigung einnimmt. Aus einer Era, als Harvest Moon/Story of Seasons noch nicht so langatmig war. Geradezu auch ein perfekter Gegenpol als Zweitspiel neben der Bearbeitung von härteren Games. Spielerische Entspannungstherapie eben.

  • Ushi no Tane: Die (englisch-sprachige) Anlaufstelle zur Reihe.
  • Bokumono.com: Japanische Serien-Homepage von Marvelous.

Veröffentlicht in: Spielebesprechungen, Videospielgeschichten
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Kommentare (8)

  1. Das gute Original Harvest Moon auf dem SNES <3 Habe da noch sehr nostalgische Erinnerungen daran, weil das in Deutschland recht spät herauskam und zu den letzten Veröffentlichungen der Konsole bei uns zählte. Hatte das damals tatsächlich relativ nah zum Release gekauft und durchgespielt. Danach bin ich nie über ein paar Anläufe hinaus gekommen, ein kompletter Replay würde mich aber tatsächlich reizen. Kenne keinen der späteren Teile. Stardew Valley fand ich auch eher überfordernd, daher bleibt OG Harvest Moon wohl meine liebste Farming Sim 🙂

    Mathias Nowatzki
  2. Ich kenne die Serie auch seit dem SNES, aber da ich damals selbst kein SNES hatte, fühle ich mich vor allem mit Back to Nature auf der PS1 verbunden. Mich überrascht immer wieder, wie gut es auf dem SNES noch aussieht und ich stimme dir absolut zu, dass diese Vereinfachung oder Kompaktheit nicht immer ein Nachteil sein muss. In dem Fall fällt es halt vielen noch negativer auf, weil man halt den Vergleich zu den modernen Varianten hat. Es führt imo aber eben nicht immer automatisch zu einem besseren Spiel, wenn man einfach nur immer mehr (oft generischen) Inhalt und Beschäftigung in den Code quetscht. Natürlich macht sich das im Marketing toll, wenn man sagen kann, dass es dutzende Stunden an Content hat, aber was bringt das, wenn die Spieler*innen nach der Häfte davon müde sind und eigentlich nur noch zu den Credits wollen? Leider gibt es heute ja noch immer sehr viele Leute, die wirklich Spielzeit/Umfang und Preis direkt gegenüberstellen und dabei Aspekte wie Qualität & Innovation völlig ignorieren. Da fühlen sich viele Entwickler-Teams dann eben leider auch irgendwie dazu gezwungen ihre Titel mit Füllmaterial aufzublähen 🙁

    Mathias Nowatzki
  3. Ein sehr schöner Artikel! Ich hatte das Spiel leider nie für meinen SNES, fand aber immer das Cover sehr anziehend. Entschleunigende Spiele finde ich per se nie verkehrt und deshalb habe ich auch vor kurzem mal wieder “Legend of the River King” für den Game Boy Color hervorgekramt, eine echt knuffige Angler-Rollenspiel-Simulation.

    Mathias Nowatzki
    1. Legend of the River King ist tatsächlich auch sehr chill, die habe ich auch sehr gerne gespielt. Die beiden Franchises haben sogar den gleichen Publisher, weswwegen die GameBoy River Kings und Harvest Moons für ein paar Extras verbunden werden können.

  4. Wenn jemand Harvest Moon in den Raum ruft, muss ja jemand Stardew Valley als Antwort zurückrufen. Dann werfe ich den ersten Stein 😉
    Stardew Valley wird ja auch von vielen zur Entspannung/Entschleunigung vom Alltag gespielt. Aber hier wird der Spieler trotzdem von Möglichkeiten erschlagen. Wer hier den Fokus auf Entschleunigung verliert, hat ganz schnell wieder Stress.
    Harvest Moon scheint nach deinen Worten ja wirklich minimalistisch zu sein. Ich kenne es leider nicht. Aber es ist schon beeindruckend wie wenig Inhalt damals in ein Spiel gesteckt wurde und man hat sich trotzdem getraut dafür Geld zu verlangen. Heute undenkbar.
    Das Spiel ist nach 2 Stunden durchgespielt und soll 80 DM kosten? Geht gar nicht. Das sollte sich heute mal jemand trauen. Wir sind ganz schön verwöhnt heute, oder?
    Um so mehr freut es mich das du auch heute mit diesem Spiel noch Spaß hast. Ich finde es sollte mehr solche Spieler wie dich geben.

    Mathias NowatzkiAndré Eymann
    1. Danke für das Kompliment.

      In 2 Stunden ist das Spiel dann aber doch noch nicht durchgespielt xD 2.5 ingame Jahre sind es, was schon so auf 20 Spielstunden hinauslaufen kann.

      Stardew Valley hat mir auch viel Freude bereitet. Ich gehöre allerdings tatsächlich zu denen, die sich schnell in modernen Farm Sims selbst stressen, um möglichst schnell möglichst viel vom ganzen Content zu erreichen. Obwohl das gar nicht nötig ist.