HD-Remakes, Remaster und Neuinterpretierungen alter Spieleklassiker sind aktuell schwer in Mode. Und während man sich über Sinn und Unsinn der Neuauflagen von erfolgreichen PS3 Spielen für die PS4 streiten mag, erfreut eine ganz besonderes Remake die Herzen vieler Spielefans: Das japanische Folklore-Spiel Ōkami wird in einer HD-Auflage noch einmal für die PS4 und den PC veröffentlicht.
Dabei ist dies bereits die zweite HD-Auflage des Titels – schon 2012 erhielt Ōkami ein HD-Remaster, damals noch für die Playstation 3. Mit der erneuten Veröffentlichung kann man nun auf insgesamt fünf Plattformen in Amaterasus Fell schlüpfen: auf der Playstation 2, für die es ursprünglich erschien, der Nintendo Wii (deren Bewegungssteuerung – entgegen der ersten Vorstellung – mehr schadete als nutzte), der Playstation 3 und nun schlussendlich auch auf der Playstation 4 und dem PC.
Und wenngleich der Autor dieses Textes viele HD-Neuauflagen mit Argwohn betrachtet, so sei bei Ōkami jedem, der mit den Abenteuern von Amaterasu noch nie in Kontakt kam – und auch all jenen die es bereits gespielt haben –, ans Herz gelegt die Reise ins feudale Japan zu wagen, um Seite an Seite mit der Sonnengöttin die Dunkelheit aus der Seele des Landes zu vertreiben und den Platz im Himmel, zwischen den Göttern, erneut einzunehmen.
Ōkami ist ein Spiel, das in seiner ganzen Form einzigartig ist und nur so übersprüht vor kreativen Ideen und Energie. Das künstlerische Bewusstsein beginnt dabei schon beim Titel – Ōkami ist ein Wortspiel: Das Wort ōkami (狼) heißt im Japanischen „Wolf“. Die Kanji-Schriftzeichen wiederum, aus denen der Titel geformt ist (大神), bedeuten aber auch „große Gottheit“. Im gleichen Wortlaut, aber mit anderen Schriftzeichen geschrieben (大紙), bedeutet es auch „großes Papier“, was ein Verweis auf die grafische Inszenierung des Spiels ist.
Die Kanji-Schriftzeichen wiederum, aus denen der Titel geformt ist (大神) bedeuten auch „große Gottheit“
Yannic Hertel
Diese stellt schließlich auch den größten Unique Selling Point dar und wird wohl auch in der Neuauflage verzaubern. Der Cel-Shading-Look, der sich an der japanischen Tuschezeichnung nach dem Stil der Sumi-e orientiert, ist dabei nicht nur außerordentlich gut gealtert, sondern konvergiert noch dazu mit dem Gameplay des Spiels – und das gleich auf mehreren Ebenen. Wohl jedem, der Ōkami schon einmal gespielt hat, wird die Mechanik der Pinselstriche ins Gedächtnis kommen: Amaterasu ist in der Lage, die Zeit anzuhalten und mit ihrem göttlichen Pinsel, welcher als Ende ihres Schweifes dargestellt wird, auf dem angehaltenen Bild etwas zu zeichnen, was dann daraufhin in der wirklichen Welt erscheint.
Diese Zeichnungen sind zumeist sehr grob und abstrahiert. Dies ist zwar der besseren Bedienbarkeit zuzuschreiben, passt jedoch auch in den Stil des Sumi-e, der mehr andeuten als aussprechen will. Zudem erforderte die Kunst des Sumi-e eine hochgradige Beherrschung des Materials, da jeder Pinselstrich auf Seide oder Papier unwiderruflich war. In Ostasien hat dies zu einem außerordentlichen Feingefühl für den Ausdruckswert der Linie geführt. So wie auch die Form eines japanischen Schriftzeichens bereits seinen inneren Gehalt zum Ausdruck bringt, so sollte die Pinselführung eines Tuschbildes schon sein Wesen ausdrücken. Eine geeignete Metapher für die Verwirklichung des göttlichen Willens, der die Welt mit einem Pinselstrich verändert.
Doch nicht nur der besondere Zeichenstil lässt einen tiefer in die Welt der Götter und Dämonen abtauchen, deren Geschichte sich grob an alten japanischen Mythen entlanghangelt und dabei unter anderem die Legende rund um die Ermordung von Yamata no Orochi durch den Shinto Gott Susanoo in den Mittelpunkt stellt. Mit seiner Darstellung der japanischen Folklore schlug Ōkami damals in eine Kerbe, die vor allem die große Animé- und Mangawelle im europäischen Erscheinungsjahr 2007 in die Köpfe der jungen Zielgruppe geschlagen hatte. Diese fremdartige Kultur war auf einmal auch für den Westen interessant geworden und wenngleich man im Nachhinein die Fokussierung auf große Brüste und wogende Kurven als kritikwürdig empfinden mag, so passten sie doch zeitgleich in die dargestellte Welt, in der auch Männer mit haariger Brust wenig anhatten und uns Dämonen in Affenkörpern ihren blanken Hintern entgegenstreckten.
Auch die Musik war zur damaligen Zeit etwas Besonderes – während beim Witcher die Klänge der traditionellen, polnischen Instrumente für das einzigartige Flair sorgen, vermochte in Ōkami der Einsatz nicht weniger traditioneller, japanischer Instrumente und Musikkultur den Spieler noch tiefer in die für ihn fremde Welt zu ziehen.
Dass das hauptsächliche Gameplay dabei kaum mehr als ein guter Zelda-Klon war, konnte man in Hinblick auf die gesamte Atmosphäre durchaus verschmerzen. Ähnlich wie in Zelda erhielt man immer neue Ausrüstungsgegenstände, die einen im nächsten Dungeon weiterbrachten – besonders diese mussten sich jedoch vor ihrem großen Vorbild nicht verstecken. Was ein Ōkami einem Zelda dabei stets voraushatte, war die spannend erzählte Geschichte, die im Vergleich mit Links Abenteuern in Hyrule auch einige unerwartete Wendungen zu bieten hatte.
Ōkami war dabei jedoch auch leider das letzte Spiel der Clover Studios, welche im Jahr 2007 ihre Pforten schließen mussten. Ganz verloren gingen uns die kreativen Köpfe hinter Amaterasus Abenteuer jedoch nicht: Einige Entwickler schlossen sich zu Platinum Games zusammen und beglückten die Spielerschaft mit Perlen wie Bayonetta oder Metal Gear Rising. Und auch Produzent Atsushi Inaba rief sich dieses Jahr noch einmal ins Gedächtnis – mit dem ebenso fantastischen NieR Automata.
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