Helden eines Sommers: Videospielautomaten damals

Avatar von André Eymann
Lesedauer: 2 Minuten

Unzählige weiße und graue Kieselsteine rascheln zurück ins Meer, als sich das marée basse am Strand der Bretagne wohlig eingerichtet hat. Erinnerungen an die salzig schmeckende Luft vergangener Strandurlaube werden wach, in denen sich die endlosen Wellengeräusche mit kurzen elektronischen Fanfaren bekannter Videospielautomaten vermischten.

Mit seinen knalligen Farben und parallel scrollenden Hintergrundgrafiken ist Moon Patol ein wahrer Augenschmaus. (Bild: Irem)
Mit seinen knalligen Farben und parallel scrollenden Hintergrundgrafiken ist Moon Patol ein wahrer Augenschmaus. (Bild: André Eymann)

Tagsüber hatten wir stundenlang am Strand gespielt oder Haie im Meerwasser nachgeahmt, während die Zeit nach dem Abendessen den Ausflügen ins Weltall gehörte.

Gegrilltes mit Pommes und Schokoeis! Wovon sollte man als Zwölfjähriger sonst noch träumen? Natürlich von einer Runde Moon Patrol im Anbau des örtlichen Restaurants unseres Urlaubsortes. Die Automaten – die tagsüber schliefen – erwachten gegen 18 Uhr zum Leben und zogen uns Strandkinder nach der letzten Limo magisch an.

Sprachbarrieren mit den Kindern aus anderen Ländern gab es nicht. Aus den Urlaubsbekanntschaften entwickelten sich oft kleine Freundschaften, so dass wir am Meer gemeinsam Sandburgen bauten oder badeten.

Mit Symbolik und einem universellen Grundverständnis fütterten wir die hungrigen Spielmaschinen mit Münzen und waren fasziniert von den fantastischen Grafiken und Universen in denen wir gemeinsam zu unsterblichen Helden wurden. Wichtig war nur, dass uns das elterliche „Taschengeld“ nicht ausging. Schon allein deshalb wurde der Automat zuvor wohl überlegt ausgewählt und danach hochkonzentriert bespielt.

Pooyan ist ein unterschätzer Riesenspaß! Mit Pfeil und Bogen müssen die Ballons der Füchse getroffen werden, um die eigenen kleinen Schweinchen zu beschützen. (Bild: Konami)
Pooyan ist ein unterschätzer Riesenspaß! Mit Pfeil und Bogen müssen die Ballons der Füchse getroffen werden, um die eigenen kleinen Schweinchen zu beschützen. (Bild: Konami)
Gyruss macht mit seinem Gameplay und der eingängigen Musik schnell süchtig. Immer neue Alien-Formationen ziehen den Spieler in ihren Bann. (Bild: Konami)
Gyruss macht mit seinem Gameplay und der eingängigen Musik schnell süchtig. Immer neue Alien-Formationen ziehen den Spieler in ihren Bann. (Bild: Konami)

Defender wurde in der Regel links liegen gelassen. Der Action-Kracher-Sidescroller war einfach viel zu schwer für’s Portemonnaie. Stattdessen waren Galaga, Pooyan oder Gyruss (eine Tempest-Variante) unsere Hits. Vergeblich versuchten wir den Betreiber der Gaststätte zu überreden die Automaten über Nacht nicht auszuschalten. Aber der gnadenlose Geschäftsmann hatte leider kein Verständnis für unser schweissgetränkten Highscores. So blieben wir die Helden meist nur eines Abends, um am nächsten Tag einen niedrigeren Rang in der Bestenliste zu bekleiden.

Jetzt, in Zeiten der aufstrebenden Micropayments, frage ich mich immer öfter, ob Videospielautomaten mit aktuellen oder klassischen Arcade-Games nicht eine Renaissance erleben könnten.

Warum eigentlich nicht?

Es gibt so viele Spiele im App- oder Google Store, die sich dazu eignen würden. Schnell via Smartphone bezahlt und schon wäre es wieder da: das Gefühl, dass sich an die raschelnden Kieselsteine anschließt und Kinder zu Helden werden lässt.

Zumindest für einen Sommerabend.

Thilo Nemitz

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8 Antworten zu „Helden eines Sommers: Videospielautomaten damals“

  1. Avatar von Thomas F.
    Thomas F.

    Ich kann mich auch noch sehr gut an einen Urlaub in Italien im Jahr 1984 erinnern. Es war mein erster Urlaub überhaupt und ich war gerade mal 7 Jahre alt. Meine Erfahrung mit den Automaten beschränkte sich auf ein paar Spiele im Wirtshaus oder mal im Kaufhaus. Und auf so einem kleinen Fest in unserer Nähe war immer ein Anhänger augestellt in dem so um die 8 Automaten waren. Aber ich spielte dort mangels Geld immer das Demo. Also ich hab einfach so getan als würde ich spielen. Was mit kindlicher Fantasie so alles möglich ist.
    Auf jeden Fall gingen wir eines Abend mit den Eltern die Straße entlang und dann war da diese Arace-Halle. Ich hatte so etwas noch nicht gesehen. Und das ganz Neue war, dass man dort Tokens kaufen konnte und keine Münzen einwarf. Es war zudem weitaus günstiger als daheim. So bekam ich und mein Bruder jeweils so eine Handvoll Tokens. Was für ein unermesslicher Schatz das in unseren Augen war. Begeistert versuchten wir uns an allen möglichen Automaten und ich kann mich noch daran erinnern, wie mich vor allem das Artwork auf den Automaten immer wieder in den Bann gezogen hat. Vor allem ein Automat hatte meine volle Aufmerksamkeit: Dragons Lair! Ich konnte es nicht fassen, dass man einen Zeichentrickfilm spielen konnte. Ich spielte aber nicht, so groß war mein Respekt vor diesem Ding. Ich hab auch erst viel, viel später rausbekommen, was das für ein Spiel aus meiner Erinnerung war. Google sei Dank.
    Ebenso ein alter Klassiker den ich spielen durfte war „Bazooka“. Hab ich auch über Google rausgefunden und die Erinnerung war sofort da.
    Ich denke, dass genau in dieser Arcade damals der Grundstein für eine immer noch anhaltende und sogar noch wachsende Leidenschaft für diese alten Automaten gelegt wurde.
    Es gibt nur einen, der es nicht verstehen kann, warum ich immer noch Spiele zocke, die man nicht gewinnen kann, bei denen es nur um Punkte geht und deren Grafik nicht mehr der Rede wert ist: Mein Sohn. Da merkt man erst dass man alt geworden ist 🙂
    Aber die Erinnerung an diese Zeit hält einen innerlich jung.

  2. Avatar von Yesterplay80

    Spielhallen, und Arcadeautomaten sind für mich auch untrennbar mit dem jährlichen Besuch in Italien verbunden. Mit Strand, mit Sonne, mit Pizza und einfach mit einer guten Zeit.

    Das ist es vermutlich auch, was die meisten von uns mit diesen Automaten verbinden. Und ist es nicht der Urlaub, ist es die Erinnerung und das Gefühl einer unbeschwerteren Zeit. Was aber verbindet jemanden, der mit solchen Automaten noch nie in Kontakt kam, damit?

    Was hat eigentlich uns damals veranlasst, unser Taschengeld in diese Automaten zu stecken? Einfach die Tatsache, dass sie da waren? Das glaube ich nicht, ich vermute eher, dass der Grund der war, dass man in den Spielhallen Spiele spielen konnte, die man zu Hause entweder gar nicht oder bestenfalls in deutlich schlechterer Qualität spielen konnte. Bis Mitte der 90er die Konsolen und PCs technisch immer weiter zu den Automaten aufholten und sie Anfang der 2000er sogar oft überholten, was dann auch außerhalb Deutschlands den Arcades ziemlich die Schlinge um den Hals legte und sie mit jedem Jahr enger zog.

    Heute muss ein Arcadespiel neben dem eigentlichen Spiel noch ganz andere Kaliber auffahren, um halbwegs erfolgreich zu werden. Technisch stehen sie im Vergleich zu den modernen Konsolen und PCs bereits beim Erscheinen um Jahre hintenan, weil sie allesamt nicht anderes sind als bereits etwas betagte PCs. Dann kommt hinzu, dass Arcades eben nicht mehr so populär sind und nicht mehr so viel Geld abwerfen, entsprechend müssen die Automaten günstig sein. Aus diesem Grund kommen aktuell viele Core i3 und i5 der zweiten und dritten Genration zum Einsatz, oft gepaart mit günstigeren Geforce-Karten der 5er und 6er-Serie. Das sieht man leider in der Regel auch, weshalb die modernen Automaten andere „Lockmittel“ auffahren müssen als früher.

    Habt ihr Euch die Automaten der letzten Jahre mal angesehen? Das neue „Cruis’n Blast“, „Daytona USA 3“, „Space Invaders Frenzy“, „Galaga Assault“, „The World-s Largest Pac-Man & Friends“, etc.: Größer, lauter, aber vor allem bunter, jeder eine eigene kleine Discothek, Entertainment für sämtliche Sinne. Was dabei auffällt: Viele Spiele sind Nachfolger oder Spinoffs bereits lange existierender Serien: http://arcadeheroes.com/arcade-releases-2016/ Was auch auffällt: Viele davon wurden bisher nicht für Konsolen und/oder PC umgesetzt, zumindest meines Wissens nach. Man versucht offenbar bewusst, die ehemalige Exklusivität der Arcades wieder zu etablieren, um sie vor der völligen Versenkung in der Redundanz der Heimsysteme zu bewahren.

    Was für mich darauf hindeutet, dass es wahrscheinlich nicht einfach damit getan ist, ein sprichwörtlich überall spielbares Handyspiel in einen Arcadeautomaten zu stecken, sondern dass die Zielgruppe eher Menschen wie wir sind, die das Konzept einer Spielhalle bereits kennen und lieben, zusätzlich versucht man durch das viele Geblinke eben, hoffentlich noch ein paar Neulinge auf sich, seine Spiele und seine Automaten aufmerksam zu machen und neue Fans zu gewinnen. Das würde aber, meiner Meinung nach, nicht gelingen, wenn man den Menschen nur die Spiele, die sie bereits auf dem Handy haben, vorsetzen würde.

    Ich glaube also nicht, dass es irgendwen in die Spielhalle am Strand locken würde, wenn er dort die gleichen Spiele spielen könnte wie auf seinem Handy direkt AM Strand. Schon gar nicht wenn er dafür auch noch zahlen soll. Die Spielhallen brauchen eigene, besondere Titel, sonst würden sie endgültig überflüssig und final entbehrlich werden.

    1. Avatar von André Eymann

      Ganz herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar.

      Eigentlich sind Deine Zeilen ja noch viel mehr und zutreffend als Analyse zu bezeichnen. Du hast recht: wir haben die Automaten gespielt, weil es Spiele dieser Art eben nicht bei uns im Wohnzimmer oder beim besten Freund gab. Sie waren etwas besonderes. Technisch überlegen und einzigartig.

      Und vermutlich ist der Wunsch der Vater des Gedanken, wenn sich ein Alter Sack wie ich – der mit den Arcades groß geworden ist – eine Arcade von damals ins Jetzt Beamen möchte. Dennoch hat mich der Gedanke gereizt, ob oder wie Videospielautomaten heute in der Öffentlichkeit funktionieren könnten. Aber vermutlich hätte es schon jemand gemacht, wenn sich ein sinnvolles Konzept aufgetan hätte 😉

  3. Avatar von Lenny
    Lenny

    Meine Automatengeschichte beschränkt sich auf den Mallorca-Urlaub als Kind, wo im Hotel Automaten standen, an denen ich immer mit den anderen Kindern gespielt hab. Ich weiß aber nicht mehr welche Spiele das waren. Nur das ich so gefesselt war, dass mich meine Eltern mal suchen mussten. 😀

    Wie sähen den Automaten heutzutage aus, wenn sie auf App-Spielen beruhen würden? Wären es Endless-Runner, oder wären es Spiele die auf Micro-Payment setzen? Könnte es VR-Automaten geben? Wie schafft man für diejenigen, die nicht mit der Automatenkultur aufgewachsen sind, den Reiz und die Faszination für Automaten zu wecken?

    1. Avatar von André Eymann

      Vielen Dank für Deinen Kommentar!

      Dein Satz „Wie schafft man für diejenigen, die nicht mit der Automatenkultur aufgewachsen sind, den Reiz und die Faszination für Automaten zu wecken?“ ist sehr interessant.

      Tatsächlich glaube ich, dass die (damalige) Automatenkultur gar nicht so relevant ist. Eigentlich geht es darum, Videospiele wieder in den öffentlichen Raum zu bringen. So wie es Nintendo gerade wieder mit der Switch versucht. Durch stationäre „Spielstationen“ könnten Videospiele einen kontext-bezogenen Raum gewinnen, der eben diesen attraktiver machen kann. Zum Beispiel in Cafés, Bars oder Restaurants. Oder auch in Schwimmhallen, Einkaufszentren oder Kinos.

      Eine Bedingung wäre, dass die Spiele in den verfügbaren Zeitrahmen passen. Sie dürfen also nicht zu komplex / lang sein. Und sie müssen einen einfachen Anreiz bieten. Eine flache Lernkurve. All diese Attribute vereinen ja die klassischen „Arcade-Games“ und diese Art von Spielen gibt es natürlich auch noch heute. Außerdem könnte man natürlich bestehende Klassiker recyceln. Bsp. Jump’n’Runs, Marios Bros. usw.

      Die Faszination geht dann natürlich vom Spiel aus. Es muss attraktiv genug sein, damit jemand – sagen wir mal 59 Cent – für ein paar spannende Minuten ausgibt. Ich bin mir aber sicher, dass es genug Spiele dieser Art gibt. Eine weitere Faszination könnten 2-Player Games ausmachen. Wäre es nicht toll, gemeinsam mit Freunden in einer passenden Location zu zocken?

  4. Avatar von Nexaros

    Toller Einblick in die Zeit der Videospielautomaten! Meine Eltern sind ja nie auf Urlaub gefahren, daher kenne ich dieses Strandflair nicht so. Mir war das mit dem „Highscore-Jagen“ auch gar nicht mehr so bewusst. Ich kenne nur die Videospielautomaten aus den späteren 90ern. Da gab es hauptsächlich Renn- & Beat ‚em up Spiele. Zur der Zeit hatten wir aber schon Playstation, N64 usw zu Hause, daher hatte ich nicht so die Motivation noch für Spielautomaten Geld auszugeben 🙂 Solche Spiele wie Moon Patrol kannte ich aber vom C64.

    Interessant, dass Videospielautomaten in Deutschland verboten wurden. Bei uns in Wien, in der Millennium City, gibt es den Ocean Park, wo man noch viele Videospieleautomaten aus den 90ern spielen kann. Allerdings sind die Automaten sehr schlecht gewartet. Gerade bei Railshootern ist das ein ziemlicher Horror.

    1. Avatar von André Eymann

      Vielen Dank für Deinen Kommentar Nexaros!

      Meine Erlebnisse basieren auf meinem Jahrgang (1971) und da waren im Urlaub 1983/1984 natürlich andere Spiele auf dem Höhepunkt ihrer Zeit. Damals war das „Highscore-Jagen“ ein wichtiger Aspekt 😉

      Schön, dass Du Moon Patrol vom C64 kennst. Wenn Du es aber einmal auf dem Automaten spielen solltest, dann wirst Du begeistert sein, wie viel besser sich das Spiel dort anfühlt. Die Arcade-Automaten waren ihrer Zeit fast immer voraus und die Heimcomputer-Umsetzungen waren dagegen oft schwach.

      Ich kann Dir nur ans Herz legen mal zu http://www.retrogames.info oder http://www.flipperundarcade.de zu fahren. Dort kannst Du das Automatenfeeling über viele Gerätegenerationen nachempfinden.

      Über den Niedergang der Videospielautomaten in der BRD habe ich bereits hier: http://www.videospielgeschichten.de/das-verschwinden-der-videospielautomaten-in-deutschland/ geschrieben.

      Wie die Situation damals in Österreich war, wäre interessant zu erfahren. Hatte Österreich damals mit der BRD gleichgezogen, ob lief es dort anders ab?

  5. Avatar von André Eymann

    Natürlich ist mir klar, dass öffentliche Automaten seit 1985 in DE verboten sind, aber auf der anderen Seite spielt jedes Kind heute In-App-Games auf dem Smartphone. Vielleicht könnte man ja eine neues Konzept bzgl. Bezahlung und Zugang für die Aracdes in öffentlichem Räumen finden? Ich meine ja nicht, dass man die alten Bezahlsysteme wiederbelebt. Am Interesse an Videospielen an geeigneten Orten wird es bestimmt nicht mangeln!