Wenn einer eine Reise tut, kann er was erzählen – ein altes Sprichwort, das viele Spiele eher zur Pflicht verkommen lassen.
Nicht so Journey, einer der wenigen Playstation-exklusiven Titel, den selbst Hardcore-Verfechter von Microsoft und Co. der Konsolenkonkurrenz neiden dürften, revolutionierte der charmante Wüstentrip doch die Art und Weise, wie digitales Storytelling minimalistisch und gleichzeitig immersiv wie nie funktionieren kann. Auch wenn Journey in der neuen PS4-Version auf den ersten Blick nur hübscher aussieht: Die Kernkompetenz des Spiels ist frisch wie eh und je.
Meist bekommt man als Gamer in remasterten Versionen beliebter Titel – God Of War, Tomb Raider, The Last Of Us – zusätzliche Inhalte und weitere Anreize serviert, um ein Spiel, das einen mutmaßlich schon in seiner Urfassung tagelang an die Konsole oder den Rechner gefesselt hat, auch für einen zweiten Durchlauf schmackhaft zu machen. Bei der Neuauflage von Journey ist das weitaus schwieriger.
Denn wie schon die Kollegen von Gamesradar festgestellt haben: Der atmosphärische Third-Person-Titel, der PS3-Besitzer schon 2012 mit seiner ungewöhnlichen Optik und seinem minimalistischen Design verzaubert hatte, ist heutzutage nur noch schwer unbeeinflusst spielbar. Hat man Rezensionen zu Journey gelesen oder Gameplay-Videos gesehen, bietet die, zugegeben hübsche, 1080p-Optik nicht mehr wirklich etwas neues. Hat man es sogar schon selbst gespielt, lässt sich das anfängliche Gefühl, eine neue Welt zu entdecken, die mehr Fragen aufwirft als Antworten zu geben und die Interaktion zwischen Spielern ebenso simpel wie komplex gestaltet, schwer reproduzieren.
Selig sind in diesem Fall die Scheuklappenträger oder diejenigen, die sich trotz Let’s-Play-Inflation und Game-Blogs an jeder Ecke – ja, schuldig im Sinne der Anklage – eine gesunde Ignoranz antrainiert haben und bisher einfach nichts von Journey mitbekommen haben. Denn wer die bisherige Krönung des Outputs von thatgamecompany 2015 zum ersten Mal spielt, legt selbst Blockbuster wie The Witcher III erst mal beiseite.
Allein der Beginn von Journey ist ungewöhnlich: Ein Sternschnuppe beleuchtet den Himmel über einer endlosen Wüstenlandschaft und verschwindet am Horizont, bevor wir die Kontrolle über einen minimalistisch designten Wanderer übernehmen. Kaum dass wir die ersten Schritte getan haben und über die nächste Düne geklettert sind, dominiert ein Berg samt leuchtendem Gipfel in der Ferne die Sicht.
Schon jetzt wird die unausgesprochene Mission klar: Die titelgebende Reise wird uns genau dort hin führen. Den schweigsamen Wüstenbewohner steuern wir lediglich mittels des Analogsticks und zwei Buttons. Mit einem stoßen wir ein Geräusch aus – die einzige Möglichkeit, mit zufällig ins Spiel eingeladenen Mitspielern zu kommunizieren und gleichzeitig sämtliche Interaktionen in Journey durchzuführen. Mit dem anderen springen und gleiten wir durch die malerische Welt, die neben der Wüste auch düstere Untergrundpassagen und verschneite Berggipfel beinhaltet. Hüpfen können wir allerdings nur, wenn wir genug Stofffetzen eingesammelt haben, um unseren durch Upgrades verlängerbaren Schal entsprechend mit Runen aufzuladen.
So minimalistisch sich das Spielprinzip anhört, so kreativ ist es eingesetzt. Egal ob wir unsere Sprungkraft durch herumfliegende Stoffrochen mitten im Satz wieder aufladen und damit die nächsthöhere Ebene eines der überall verteilten mysteriösen Gebäude erreichen, oder dem Sichtkegel übelgelaunter Widersacher mit geschickten Gleitmanövern entkommen: Selten ist so simples Gamedesign so effektiv gewesen.
Durch die relativ überschaubare Spielmechanik lassen die Macher von Journey umso mehr Raum für die sich wie ein roter Faden durch die Welt ziehende Metaphorik von sich stetig wiederholenden Kreisläufen und einer Kultur, deren Geschichte wir uns aus kryptischen Wandbildern und Andeutungen selbst zusammenpuzzlen müssen. Obwohl die einzigen Belohnungen für das Erforschen der Welt in dem Aufdecken besagter Wandbilder und dem Einsammeln von Upgrades für unsere Sprung- und Gleitdauer bestehen, zerrt einen die Neugier dann doch immer wieder weg vom offensichtlichen Pfad und in entlegenere Ecken.
Ohne zu viel zu verraten: Selbst das Ende von Journey beantwortet die Fragen, die man sich im Laufe des Spiels unweigerlich stellt, kaum: Wer hat die scheinbar magischen Stoffbahnen erschaffen? Warum strömen die Wüstenbewohner wie magnetisch angezogen zu dem über allem thronenden Berggipfel? Was hat es mit den überall verstreuten kulturellen Relikten auf sich?
Genau das macht allerdings die Magie von Journey aus. Das einzigartige Spiel erlaubt es jedem, seine eigenen Schlüsse zu ziehen, die Rahmenhandlung selbst mit Leben zu füllen und der spielerischen Vorstellungskraft, die zu keinem Zeitpunkt durch überfrachtete UIs oder kompliziertes Gameplay behindert wird, freien Lauf zu lassen. Meditativ, packend, kathartisch – auch in der Neuauflage gehört Journey zu einem Titel, der schneller aus dem Stack Of Shame verschwindet, als man gucken kann.
Dieser Beitrag ist zuerst am 21. August 2015 auf randomarticlemachine.com erschienen.
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