Im Jahr 2007 hatte ich als 13-Jähriger viel am PC gespielt, sehr zur Frustration meiner Mutter, die mich lieber draußen an der frischen Luft sehen wollte, als vor dem „dämlichen Computer“, meine Zeit zu verschwenden. Ratet mal, wer 15 Jahre später selbst nun im Bann der Videospielwelt gefangen ist.
Schon als ich geboren wurde, existierten sämtliche Gerätschaften, die für jemanden wie mich unfassbar faszinierend waren. Fernseher, Spielkonsolen und sogar ein ganzes Computersetup, der seinerzeit ganz klassisch aus Monitor, Computer, Tastatur, Maus und Drucker bestand.
Während wir alle immer mal das ein oder andere Spielchen gezockt haben, hat meine Mutter nur nebenbei zugesehen. Selbst gespielt hat sie nicht wirklich. Gerade kinderfreundliche Videospiele sprachen meine Mutter besonders an, um diese in Erinnerung zu behalten, wenn sie jemand gespielt hat. So etwa in meinem Fall mit dem Lernspiel „Abenteuerwelt der Wörter“ aus dem Jahr 1997. Dann heißt es „Ach, das Spiel mit Alphabot“.
2009 zog eine Nintendo Wii in die Wohnung. Plötzlich ist innerhalb der Bewohner der Neubauwohnung im beschaulichen kleinen Städtchen in Sachsen-Anhalt das Bowlingfieber im beigelegten Wii Sports ausgebrochen. Stundenlange Partien und die ewigen Kämpfe um die meisten Strikes hintereinander vor dem großen Fernseher, bis sich am nächsten Tag der Muskelkater in den Armen gemeldet hat.
Was der Wunsch nach einer Nintendo Switch auslöste
Im Jahr 2022 erfüllte ich mir den Wunsch, eine Nintendo Switch zu besorgen. Das Hybridkonzept dieser meiner Meinung nach sehr eigenständigen Konsole auf dem Markt hat mich durchaus überzeugt. Die Suche nach dem ersten Spiel hat sich auch schnell erledigt, denn eine damalige Arbeitskollegin riet mir zu „Animal Crossing: New Horizons“. Das zu Beginn der Coronakrise veröffentlichte Abenteuerspiel erlaubt es, eine eigene Trauminsel mit tierischen Bewohnern aufzubauen. Laut Kollegin der perfekte Einstieg, wenn die Anzahl der Spiele noch recht gering ausfällt.
In der Tat ist es eine regelrechte Freude, die eigene Insel mit Bewohnern zu bevölkern und Aufbauten vorzunehmen. Und dabei jede Menge Sternies – die Währung von Animal Crossing – zusammenzukratzen, um Tom Nook zufriedenzustellen. Nach und nach wird aus dem Eiland ein kleines Dörfchen. Jede:r Spieler:in hat dabei seinen ganz eigenen Stil. Entweder vollgepflastert mit Gegenständen oder mit einem Wald zwischendrin.
Eines Tages stand eine Übernachtung bei meinen Eltern an und ich habe meine Switch samt Spiel mitgenommen. Voller Begeisterung zeigte ich meinem Vater die Konsole und die Insel, die ich in „Animal Crossing: New Horizons“ aufgebaut habe. Diese war zu dem Zeitpunkt schon in einem guten fortgeschrittenen Stadium. Damit scheine ich einen Nerv getroffen zu haben, denn einige Monate später berichtet mein Vater, dass er selbst eine Konsole bestellt hat. Natürlich mit dem Spiel.
Meine Mutter wird neugierig
Die Nintendo Switch ist – wie bereits erwähnt – eine Hybridkonsole. Man kann sie sowohl als Handheld als auch stationär in einer Dockingstation betreiben, um den Inhalt des Bildschirms auf einem HDMI-fähigen Anzeigegerät anzuzeigen. Letzteres hat mein Vater bevorzugt, um „Animal Crossing: New Horizons“ zu spielen. Das bemerkt auch meine Mutter, die daneben sitzt und plötzlich selbst Lust bekam, den Spielcharakter meines Vaters zu steuern.
Im Laufe der Zeit hatte meine Mutter so große Lust auf das Spiel, dass mein Vater sich dazu gezwungen gefühlt hat, extra für sie eine eigene Nintendo Switch samt Spiel zu besorgen, damit sie mit ihrem eigenen Charakter die Lust am Aufbau und Terraformen selber frönen kann.
Doch das ist ein wenig weiter eskaliert. Inzwischen besitzen meine Eltern je zwei Spielkonsolen, da die Inseln nur auf dem Gerät, aber nicht auf dem Cartridge gespeichert werden. So betreiben beide jeweils zwei Inseln mit zwei verschiedenen Charakteren. Wer das Spiel kennt, weiß, was das für Vorteile bringen kann.
Zwar kann man sich auch mit Spieler:innen aus der ganzen Welt verbinden, um Gegenstände auszutauschen. Diese Gelegenheit hat mein Vater zu Beginn durchaus genutzt, doch meine Eltern können unter sich noch was durchführen: bei der Insel des jeweils anderen vorbeischauen, um Rüben zu verkaufen, wenn es in Nooks Laden mehr gibt als auf der eigenen Insel.
Die Sucht nach Abenteuern
Für meine Mutter ist das Spielen von „Animal Crossing: New Horizons“ Entspannung pur. Die Insel mit Objekten vollkleistern, das Gelände entsprechend bearbeiten oder mit dem DLC „Happy Home Paradise“ für Urlauber:innen die Häuser nach ihren Wünschen gestalten, das alles fordert die Kreativität. Alles ideale Eigenschaften, die süchtig machen. Und auch bei meiner Mutter Anklang finden.
Anfangs noch mit viel Austausch mit meinem Vater die eigene Insel aufgebaut, hat sie vor einiger Zeit sogar komplett von vorne angefangen. Mit der Bedingung, alles komplett aus eigener Hand zu erledigen. Ohne Hilfe von außen. Ich darf inzwischen berichten, dass sogar meine beiden Eltern durch sehr viel Spielzeit viel mehr in ihrem Spiel bewerkstelligt haben als ich es jemals machen konnte. Mit dem Unterschied, dass sie sich fast ausführlich mit dem Spiel beschäftigen. Und ich mich mit sehr vielen verschiedenen.
Darüber hinaus muss man noch erwähnen: meine Mutter arbeitet seit den 1990er-Jahren in der Altenpflege. Ein Knochenjob, keine Frage. Da sorgt das ungezwungene Gameplay von Animal Crossing für eine innere Ruhe, wenn es darum geht, Entscheidungen mit der eigenen Spielfigur zu treffen. Klamotten wechseln, Früchte sammeln, Häuser gestalten, fischen gehen, die Möglichkeiten in dem Spiel sind unendlich groß.
Und da für meine Mutter brutale Medien ein absolutes No-Go sind, ist „Animal Crossing: New Horizons“ für sie das perfekte Spiel. So perfekt, dass sie darin ähnlich lange versinken kann wie ich in meinen Videospielen zu Schulzeiten. Ja, inzwischen muss man sie auch davon losreißen.
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