Simple 2000: Ein Kuriositätenkabinett auf der PlayStation 2

Von Mathias Nowatzki am
Kommentiert von: Mathias Nowatzki, André Eymann, Tobi, Alexander Strellen
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Der Publisher D3 ist eine in den 90ern gegründete Firma, die sich hauptsächlich eine Sache auf die Fahne geschrieben hatte, kleine Spiele zum kleinen Preis auf den Markt bringen. Damit fingen sie auch direkt an als sie auf der ersten PlayStation ihre Simple 1500 Budget-Linie erschufen. Jene Simple-Reihe sollte ihr Steckenpferd werden. Über 100 Einträge kamen auf die PS1. Es ging weiter auf PS2, PSP, DS und Wii, bevor die Linie in 2012 eingestampft wurde.

Der Erfolg jener Budget-Releases führte sogar dazu, dass Sega auf den Zug aufsprang und mit D3 zusammen die Sega Ages 2500 Spiele auf die PS2 brachten. Budget-Remakes und Re-Releases alter Klassiker im neuen Gewand. Aber das ist eine Geschichte für eine andere Zeit.

Hier soll es hingegen um die Simple 2000s gehen, welches der Name der Reihe auf der PS2 war. Die sich ändernde Zahl im Titel hat dabei übrigens Signifikanz. Sie ist schlichtweg der Preis der Spiele. Mit 2000 Yen war so ein Spiel also enorm billig im Vergleich zu einem Vollpreisspiel, das zwischen 6800 Yen (Resident Evil 4) und 8500 Yen (Final Fantasy XII) kostete.

Am Ende brachte die Linie über 120 Spiele auf die PS2. Das ist natürlich enorm. Zum Teil einfach dadurch möglich, dass D3 Publisher eben ein Publisher ist, und dahingehend mehrere kleinere Firmen dafür beauftragte, jene Spiele für sie zu produzieren. Selbstverständlich ist auch nicht super viel dran an ihnen. Gerade die ersten Dutzend sind hauptsächlich relativ simple Sport- und Casinospiele oder Minispiel-Sammlungen.

Bekannter ist die Reihe schon eher für spätere Einträge, deren Zusammenfassung schräg klingt: Zombies im Bikini schnetzeln, oder per Krankenwagen überfahren; Killerinsekten abschießen – merkwürdige Einfälle halt. Meist ist darüber hinaus nicht mehr dran an den Spielen, um hier ganz transparent ehrlich zu sein. Ein simpler Einfall in ein simples Spiel gesteckt, kurze Unterhaltung fürs kleine Geld, Qualität schwankend.

Interessant hierbei ist zudem, dass ein Großteil jener Spiele es auch nach Europa schafften, dank diverser Budget-Publisher wie Midas Entertainment, Agetec, Essential Games oder 505 Game Street. Die USA sah die Spiele hingegen nur selten. Nordamerika bekam eher nicht die Spiele, die für die Reihe produziert wurden, sondern oftmals diejenigen, die in ihr für kleines Geld ein Re-Release wiederfuhren. Taito-Spiele wurden beispielsweise oftmals als Simple-Titel neu herausgebracht.

Die Bekannten unter den Unbekannten

Man kann eigentlich nicht über die Reihe sprechen, ohne mit ihren beiden größten Kreationen zu beginnen. Zwei Spiele, die nicht nur innerhalb der Simple-Linie bereits Sequels bekamen, sondern auch über sie hinaus als eigenständige und später zum Vollpreis zu habende Franchise eleviert wurden. Gemeint sind natürlich Oneechanbara und Earth Defense Force.

Ersteres sind die großen Schwestern, die es auf insgesamt vier PS2-Einträge schafften, auch wenn dies etwas gemogelt ist. Genau genommen gibt es zwei eigenständige Spiele, die später mit Bonuscharakteren erneut veröffentlicht wurden. In Europa sind sie als  Zombie Hunters aufzufinden. Spätere Releases fügen gerne mal ein „Bikini Zombie Slayers“ hinzu und irgendwo erklärt das die Serie schon ganz gut. Nein, die Zombies sind leider nicht im Bikini, sondern deren Jäger. Als Aya im Bade-Zweiteiler oder ihre Schwester Saki in der Schulmädchenuniform, später auch Reiko im Lederoutfit, werden die Katanas in die Hand genommen und damit Horden an Untoten geschnetzelt.

Im Gegensatz zu Dynasty Warriors macht es hier immerhin Sinn, warum die Gegner relativ Hirntot agieren. Bonuscharaktere aus anderen Simple-Titeln gibt es wie gesagt in den Erweiterungen ebenfalls. Alles ein wenig dumpf, aber irgendwo doch ganz unterhaltsam. Und weniger sexualisiert, als man zunächst eventuell denkt, da das Budget für Cutscenes, in denen die Kamera an den Mädels hoch und runter leckt, schlicht nicht gegeben ist.

Earth Defense Force ist gleichermaßen stumpfsinniges Vergnügen. Anstatt Zombies im Fetisch-Outfit werden stattdessen von einem Soldaten in voller Kluft eine Horde an Insekten, Arachniden und später sogar Kaiju und Ufos über den Haufen geschossen. In der europäischen Version wahlweise als Monster Attack für das erste und Global Defense Force fürs zweite Spiel erhältlich. Überraschend hat es sogar als Global Defense Force Tactics das isometrische Strategie-Spinoff hierhergeschafft. Die Framerate geht natürlich ständig in die Knie, aber welcher Arachnophob nimmt das nicht in Kauf, um einen ganzen Planeten an Spinnen meucheln zu können?

Hartmetall und entbößte Haut

Sollen die Aliens doch lieber mit stabilen FPS und in einem Arcade-ähnlichem Setting erschossen werden, so kann auf Space Invaders: Invasion Day ausgewichen werden. Eines der Taito-Re-Releases via D3. Wer Aliens und ihre (mechanischen) Rieseninsekten lieber im Flug als ein Kampfjet abschießt, auch für den hat die Reihe ein Spiel zu bieten: Space War Attack.

Doch lieber ein ganz traditionelles Shmup, in dem auf einer 2D-Ebene vertikal orientiert geflogen und alle Opposition niedergeschossen wird? Als Steel Dragon EX gibt es hier ein Konsolen-Release des Arcade-Hits Shinryu. Davon gelangweilt immer Insekten, Aliens und anderen Flugschiffen den Gar auszumachen? In Demolition Girl wendet sich der Militärjet Riho Futaba zu, dem Maskottchen der Simple-Reihe, die in vielen Spielen einen Gastauftritt hat. In Demolition Girl ist sie der Hauptcharakter, macht unter Alien-Einfluss allerdings einen auf Angriff der 20-Meter-Frau und ist aufzuhalten, bevor sie Tokyo niedertrampelt.

Allgemein gibt die Serie einem jede Menge aufs Auge, wenn attraktive Frauen als Verkaufsgrund herhalten sollen. So attraktiv wie die rudimentären PS2-Modelle zumindest sein können. In Paparazzi wird beispielsweise Pokemon Snap gespielt, allerdings mit Idols. Im Gegensatz zu dem, was der europäische Titel eventuell vermuten lässt, werden hier keine Fotos in kompromittierenden Situationen geschossen.

Stattdessen ist es ein vom Fanclub sanktionierter Shoot, Bikini-Aufnahmen gehören jedoch schon dazu. Statt um eine Stufe gleich um zehn weitere spitzt Party Girls die Sache zu. Im Prinzip ist das eine Reihe an kleinen Minispielchen wie in einer japanischen Game Show, die bevorzugt gegen einen anderen Menschen statt die komplett randomisiert mal stupide, mal unschlagbare KI gespielt wird. Allerdings sind alle Spielfiguren erneut Idols, natürlich weibliche, natürlich im Bikini. Und diesmal dann doch mit Kameraschwenks, die klarmachen, dass es eher weniger um die Minispiele geht. Sozusagen Dead or Alive Xtreme Beach Volleyball ohne den Volleyball.

Fighting Angels ist dann quasi die gleiche Sache nur als Fighting Game. Verschiedene Frauen, inklusive selbstredend Riho, teilen im Bikini die Backpfeifen aus. Leider auch noch alle mit dem exakt gleichen Move-Set, was schon etwas dürftig ist, wenn man bedenkt, dass das Spiel von Tamsoft kommt. Die für Battle Arena Toshinden und Senran Kagura verantwortlich sind, also durchaus kompetente Fighter machen können. Dann doch lieber zu All-Star Fighters gegriffen. Denn Simple 2000 hat selbst eine Budget-Variante von Smash Bros im Repertoire. Es werden ein Dutzend der bekanntesten (oder am Wenigsten unbekannten?) Charaktere der Linie gegeneinander in die Kampfarena gesetzt.

Brachiale Kämpfe und Gruselstimmung

Wem ein Fighting Game vom Spielareal her zu abgesteckt ist und sich stattdessen freier in einem Beat em Up durch richtige Stages an Gegneraufkommen prügeln will, hat selbstverständlich auch Auswahl. Dragon Sisters beispielsweise, in der (ausnahmsweise nicht im Bikini) ein bis zwei von Spielern gesteuerte Mädels sich durch Weltkriegs-Automatons schlagen. Mit einem männlichen Charakter durch die Straßen Tokyos geht es hingegen in Yakuza Fury. Keine Bonuspunkte für diejenigen, die erraten können, wessen Sega Millionenseller-Franchise das Spiel nachempfunden ist.

Witzig zumindest, dass die Statuswerte und Kampf-Moves vom Outfit abhängen. Kazuma Kiryu musste nie mit einer Kombi aus Afro, Sakko, Unterhose und Sandalen durch die Straßen laufen. Wer es ein wenig niedlicher mag, dem bleibt immer noch Splatter Master. Wo ein Kürbiskopf-Junge sich durch Schreckgestalten im Nightmare before Christmas Look kämpft, wahlweise mit Kettensäge.

Wer allgemein ein Horror Game haben will, dem sind viele Optionen mit Zombies als Gegner beschert. Nebst den schon genannten wäre da beispielsweise Zombie Attack, welches sich überraschend mal die chinesische Variante an hüpfenden Zombies/Vampiren annimmt. Als Exorzistin versuchen wir nämlich die Zivilisten in einem überrannten Hochhaus aus deren Klauen zu retten.

Ebenfalls Zivilisten in einer Zombie-Apokalypse retten können wir in Zombie Virus. In dem wir sie mit Krankenwaben ins Krankenhaus chauffieren, während die Horden an Untoten schlicht über den Haufen gefahren werden. Für Spiele, die wirklich richtiger Horror und nicht Action-Spiele mit Horror-Monstern sind, wird es jedoch etwas dünner. Denn beide Einträge gibt es nur in Japan. Via THE Noroi no Game, einem Horror Visual Novel, welches Realaufnahmen-Stillframes nutzt und nach Beendigung sogar das gefilmte Material als einstündigen Horrofilm bereitstellt.

In THE Tairyou Jigoku hingegen sucht ein Schulmädchen nach ihrem Handy, welches von einem weißen Kaninchen geklaut wurde. Statt ins Wunderland geht es allerdings in Parallelwelten voller ekligem Krabbelzeug. Ableben via Herzinfarkt, sollten zu viele Kakerlaken, Ratten, Blutegel oder sonstiges über die Spielfigur herfallen.

Irgendwas ist für jeden dabei

RPGler haben es definitiv schwer. So weitläufig die Simple 2000s sind, so ist das hier eher nicht das Genre, welches sich auf Budget und vor allem in sehr kurzer Zeit entwickeln lässt. Lediglich zwei Möglichkeiten zur Durstlöschung bleiben. Beispielsweise Eternal Quest, ein randomisierter Dungeon Crawler in bester Roguelike-Manier. Dagegen bietet THE Hajimete no RPG wenigstens eine volle Spielwelt und traditionelle Heldenreise an, wenn auch in RPG-Maker-Sparoptik. Am von mir genutzten Namen lässt sich allerdings auch ablesen, dass dies wieder nur in Japan vorliegt.

Wollen wir Angeln? Bass Master Fishing steht bereit. Ein Puzzle-Spiel? Die beiden Super Puzzle Bobbles wurden in einem Bundle neu als Simple 2000 aufgelegt. Bock auf Dynasty Warriors? Shogun’s Blade liefert das im Alt-Japanischem Setting ab. Sport-Spiele? Bowling Xciting. Crazy Taxi für Arme? Taxi Rider ist in den Startlöchern. Aufbausimulation? Geht über MetropolisMania. Pikmin light? Heißt hier The Adventures of Darwin.

Es gibt nichts, was es in der Simple 2000 Bibliothek nicht gibt. Alles hier etwas einfacher. Etwas billiger. Mit mehr Ecken und Kanten. Mit Schönheitsfehlern und manchmal schlichtweg grausigem Gameplay. Wer gemein sein will kann dies eine Shovelware Reihe nennen, und liegt nicht absolut falsch. Doch war es eben nie die Ambition der Spiele, eine ausgefeilt und glattgeschliffene Vollpreis-Erfahrung zu bieten.

Und bei allen Makeln, es ist einfach interessant sich anzusehen, was doch unter den Beschränkungen alles zustande kam und die interessanteren Einträge zu entdecken. Es muss auch ein Platz für solche Spiele geben, egal wie das qualitative Endergebnis ausfällt. Ich möchte die Simple 2000s jedenfalls nicht missen.


Veröffentlicht in: Spielebesprechungen, Videospielgeschichten
SvenFlorian AuerAlexander StrellenAndré EymannTobi

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Kommentare (6)

  1. Hochinteressant lieber Mathias! Dein (fast) letzter Satz fasst es perfekt zusammen: “Es muss auch ein Platz für solche Spiele geben”.

    Mir war D3 bisher vollkommen unbekannt und habe ich Deinen Beitrag mit Spannung und Interesse gelesen. Wirklich fazsinierend, was dort alles auf die Beine gestellt wurde. Aus der Perspektive meines Jahrgangs kann ich aus der Heimcomputer-Ära mit der englischen Spieleschmiede Mastertronic ein passendes Gegenstück liefern. Bei Mastertronic aus UK gab es seinerzeit Spiele in einer £1.99-Reihe. Ebenfalls viel Zeug dabei, dass man nicht wirklich als Vollpreisspiel hätte vermarkten können. Dennoch erfreuten sich die Titel bei der Käuferschaft großer Beliebheit.

    Das aber die (schon grundsätzlich sehr potente) PlayStation 2 ebenfalls mit solchen “Perlen” abwarten konnte und kann hätte ich nicht erwartet und es erweitern meinen Horizont ungemein! Danke für Deine Mühe und dass Du uns mit auf diese Reise genommen hast!

    Mathias NowatzkiTobi
    1. Auf jeden Fall. Die 2000er sind da so etwas speziell, wenn es um die kleinen und experimentellen Spiele gibt. Die 90er waren voller Shareware und mittlerweile kann man Indies wieder so einfach wie nie zuvor veröffentlichen. Aber so die Zeit dazwischen muss geschaut werden, was die kleinen Publisher ohne es zu bewerben getrieben haben.

      André EymannTobi
  2. Oha, vielen Dank für diesen Ein- und Überblick, Mathias! Ich dachte eigentlich, dass ich mich in der frühen Playstation Ära recht gut auskennen würde – du hast mich mit deinem Beitrag ziemlich auf den Teppich zurückgeholt 😀
    Du listest hier Spiele auf, von denen ich nie etwas gehört oder gesehen habe und auch die D3 Homepage bringt mir da keine übereinstimmende Erinnerung zurück.
    Das Logo, sowie ein paar Spiele von D3 sind mir, zumindest vom Namen her, nicht unbekannt, aber diese Budet Reihe ist komplett an mir vorbeigezogen. Dass ein Publisher so viele (teils wohl echt merkwürdige) Titel auf den Markt gespült hat und mit der Simple-Reihe wohl auch eine Fangemeinde aufbauen konnte (den Budgetpreisen geschuldet oder nicht), ist schon bemerkenswert. Was du mit deinem Beitrag ja auch unterstreichst. Danke schön für diesen neuen Blick auf eine ganze Spielegeneration.

    Mathias NowatzkiAndré Eymann
    1. Danke. Es ist auch echt in der Ära nicht einfach zu sehen, was die kleinen Nischenpublisher so alles rausgebracht haben. Teilweise dann auch eventuell nicht Flächendeckend in Europe publiziert.

      André EymannTobi
  3. Ein schöner Überblick über diese, für mich unbekannte, Veröffentlichungen von Spielen. Nur Oneechanbara und Earth Defense Force waren mir vorher schon durch diverse Tests in Magazinen bekannt. Diese beiden Spiele haben ja auch in Deutschland ihre Fangemeinde gefunden. Earth Defense Force habe ich selber schon mal gespielt und kann es jeden empfehlen, der Spaß an einer unkomplizierten Ballerei im Multiplayer hat.
    Schaut man auf der offiziellen Homepage der Reihe, findet man ja das ein oder andere “Kleinod”. Wenn ich denn der automatischen Übersetzung der Titel glauben darf.

    Mathias NowatzkiAndré EymannTobi