Wie bringt ein Spiel jemanden zum Nachdenken? Zum Grübeln und Staunen? Zum In-sich-kehren und Weltverbessern? Es muss nicht direkt ein Triple-A-Rollenspiel sein, oder das jüngste Kriminalverbrechen des Jahrhunderts, verfasst als Horrorgame. Es steckt im Detail, im kleinen Feinen. Und FLOWER ist ein Game, das mich nicht nur zum Blumenpflanzen brachte. Es brachte mir mein Kunterbunt zurück, dass ich in meiner düsteren Depression verlor…
Grau in grau
Viel Verkehr heute. Alle gestresst. Stressige Zeiten. Jeder muss zur Arbeit. Oder sonst irgendwo hin. Ich kann mir in diesem Moment nicht vorstellen, in einer solchen Stadt zu leben. Ich möchte nicht von so viel Verkehr, so viel Tumult, so viel Stress und Metall umgeben sein.
Ich lebe derzeit in dem äußeren Stadtteil einer Kreisstadt, einem „Dorf“ und finde es großartig. Morgens weckt mich Vogelgezwitscher und grasende Kühe. Ich werde durch den Tag begleitet mit Sonnenschein, Regenschauern oder Schneestürmen. Auf meinem Balkon kann ich mir die Zeit nehmen eine Tasse Tee zu trinken, mich hinzusetzen und in die Ferne zu schauen. Dort sehe ich Bäume, Weiden und höre … nichts.
Doch wenn ich im Spiel aus dem Fenster schaue … man, was würde mir das alles auf den Keks gehen! Der Lärm und das Grau von draußen dringt in Mark und Bein, wie ein schlimmer Kälteeinbruch. Und neben dem Bildschirm, da steht ein Blumentopf. Etwas trostlos sieht er aus, so geknickt, wie die Pflanze darin hängt. Doch wir treten näher an die Pflanze heran, bis sie uns ihre Geschichte offenbart und uns mitnimmt in eine Welt, so farbenfroh, lebendig und so schön!

Grün wie die Hoffnung
Es ist wirklich so wunderschön hier, an dem Ort, wo ich bleiben und verweilen möchte. Ich, die Pflanze (ich sehe aus wie eine Tulpe) stehe inmitten von grünem Gras und leuchte, als würde ich mit der Sonne konkurrieren.
Einen Moment später schenke ich dem Wind ein Blütenblatt, das sanft von ihm aufgenommen und zu anderen Blüten getragen wird. So komme ich mit weiteren Blütenblättern zusammen, unzählige, und wir werden vom Windhauch in die Welt mitgenommen.
Nebenbei ist die Musik- und Soundkulisse von Vincent Diamante, gepaart mit dem hübschen Design, einfach großartig. Es ist eine andere Art von ASMR-Moment, der mich dazu einlädt, weiterzumachen und mehr Freunde zu sammeln. Während man so durch die Welt fegt, erkennt man den roten Faden, der sich durch das Spiel zieht. Denn um weiterzukommen, muss man so viele Blumen wie möglich „aktivieren“ oder liebevoller ausgedrückt, darum bitten, eines ihrer Blütenblätter abzugeben, damit wir weiterziehen können. Wahrlich eine Liebeserklärung an Sinne und Herz!
Blumen sind die Liebesgedanken der Natur.
Bettina von Arnim
Über Stock und Stein
Nachdem das erste Level geschafft ist, bemerken wir, wie die welt dort draußen hinterm Fenster etwas klarer wird. Und hey, wir haben einen neuen Blumenfreund! Willkommen, du großartige orangefarbene Tulpe! Oder ist es eine Geranie? „Schnell mal googlen, was das ist“, dachte ich mir. Und ich habe so viele tolle Blumen entdeckt, die mir gefallen!
Nun geht meine Reise also weiter, mit einer neuen Blume. Wir begegnen nun nicht mehr nur anderen Blumen, sondern fliegen durch eine weite Welt mit allem was Natur und Mensch zu bieten haben. Wir rauschen vorbei an Windkrafträdern, die uns einen großen Schubs geben, um weiterzukommen. Müssen uns durch dunkle Höhlen einen Weg bahnen und malen die graue Welt kunterbunt.
Selbst als es irgendwann Nacht wird, erhellen wir die Mitternacht mit unserem Schein. So ein grafisches Meisterwerk, das es schafft, mit winzigen Details so große Emotionen zu bauen, habe ich selten gesehen. Es ist atemberaubend hübsch und man möchte gar nicht mehr fortgehen.
Auch dann nicht, wenn man in dem „Level“ ankommt, wo man als Blütenblatt das Gefühl hat, zu sterben. Zu versagen. Wir müssen einen Weg durch Stromkabel finden, die, jedesmal wenn wir ihnen zu nahe kommen, einige unserer Freunde und Freundinnen von uns trennen. Bis wir vielleicht zu schwach sind, uns vollkommen alleine fühlen und selbst der Wind uns verlassen hat.

Mensch verändert Natur – Natur verändert Mensch
Ich kann es mir wirklich gut vorstellen, mittlerweile sind wir sechs Blumen an der Zahl, wie der Mensch Natur und Umwelt verändert. Von den schaurigen Erlebnissen mit den Stromzäunen mal abgesehen.
Anstelle von hohen Bergen kommen wir vorbei an Hochhäusern. An Technik. Immer mehr erkennen wir, dass es nicht mehr nur Natur ist, die uns umgibt. Und es wird von Level zu Level immer schwieriger, an Freunde zu gelangen, weil diese Bauten und Konstruktionen uns den Weg versperren. Doch ist es nicht nur der Mensch, der bewirkt, dass Natur und Umwelt sich verändern. Was geschieht in uns, wenn wir uns ein Stilleben mit einer gefüllten Blumenvase anschauen? Erfreuen wir uns nicht auch an einem Schmetterling, diesem zarten Geschöpf, wenn es an uns vorbeifliegt und uns mit seiner vollendeten Schönheit beehrt?
Viele Psycholog:innen empehlen einen Waldspaziergang bei seelischem Unwohlsein, was mir persönlich auch sehr geholfen hat. In der Zeit, als mich Depression und Dunkelheit umfassten, war ein Spaziergang am Maar die Medizin, die ich brauchte, um mir Momente des Wohlergehens zu beschaffen. Und hey, das gab es sogar kostenlos, ohne Rezeptgebühr!
Und vielleicht ein persönlicher Tipp von mir: Wenn es euch nicht gut geht und ihr in der jetzigen Zeit nicht rausgehen könnt oder möchtet, dann lege ich euch FLOWER ans Herz. Genießt das visuelle und auditive Meisterwerk in vollen Zügen und schenkt euch Augenblicke der Schönheit und Entspannung.
In meiner „Down time“ habe ich mich das erste Mal so richtig an Indiegames und unter anderen auch an FLOWER herangetraut. Und es half mir. Vielleicht ja auch euch …
Lasst uns zur Biene werden!
Was mich FLOWER noch lehrte, war, dass jedes Stück Natur einzigartig ist und geschützt werden muss. Und es so viele einfache Wege dies zu tun. Für jeden von uns. Immer weniger wird darauf Acht gegeben, immer öfter wird zertrampel, zerpflückt, zerstört.
Doch es gibt Hoffnung, wenn jeder seinen kleinen Teil dazu beiträgt. Ich habe ein Video gesehen von Skateboardern, die verteilen in ihrer Stadt sogenannte „Samenbomben“ an jedem Fleckchen Erde, das sie sehen. Und die Vorher-Nachher-Bilder sind entzückend.
An vielen Häusern sehe ich Vögelhäuser und Insektenhotels hängen. Auch in den Kindergärten, ich denen ich gearbeitet habe, hat man sich Gedanken gemacht. Dort gab es Projekte wie eine Wildblumenwiese mitten im Garten, wodurch Kindern die Angst vor Bienen und Hummeln genommen wird. Ein großes Insektenhotel wurde gebaut. Es wurden für den Winter Tannenzapfen mit Vogelfutter ausgestattet und Nusskörchen für die Eichhörnchen in der „Wolkenwelt“ versteckt, nicht nur, damit die Kids es jedes mal feiern, wenn die Eichhörnchen ihre Nüsse im Laub verbuddeln.
Die Natur ist die beste Apotheke.
Sebastian Kneipp
Wenn du dich jetzt fragst, was kann ICH tun, hier ein paar kleine Tipps für den Alltag! Lass Blumen auf der Wiese stehen, auch wenn sie noch so schön sind.
Ganz einfach kannst du Samenbomben selbst herstellen und sie dort verteilen, wo es Erde, aber noch kein Grün gibt. Beispielsweise an Grünflecken in einer Großstadt. Hast du ein Flachdach, eignen sich tolle Dachbegrünungen mit Pflanzen, Blumen und Bäumen jeglicher Art. Außerdem ist es vorallem im Frühjahr Balsam für die Seele, sich in seinem eigenen kleinen grünen Paradies ein bisschen Auszeit zu gönnen.
Der Klassiker sind natürlich Insketenhotels, entweder in der DIY-Variante oder schon zu kleinen Preisen selbst zu kaufen. Denn ihr müsst wissen, dass wir ohne Bienen und viele Schmetterlingsarten gar nicht überleben könnten, genauso wenig ohne grüne, unbelastete Natur.
Es gibt natürlich noch viele weitere, einfache Tipps und Tricks, wie man zum „Klimaheld“ werden kann. Gerne kannst du, liebe:r Leser:in, dies auch in die Kommentare schreiben!

Mein Let’s Play
Vor etwas mehr als zwei Jahren habe ich FLOWER gestreamt. Es war mein erstes „richtiges“ Playthrough, denn einige Zeit zuvor habe ich es nur mal angetestet gehabt und direkt wieder nach dem ersten Level verworfen.
Doch ich wollte mehr wissen! Mehr darüber, wie ich als Blütenblatt die Welt verschönern kann. Was mich daran hindert. Wie ich Farbe in die graue Welt bringe. Und ob ich es schaffe, dieser doch so stressigen Welt, etwas Entspannung zu bringen.
Das Spiel ist sehr kurz, ich habe knapp anderthalb Stunden damit verbracht. Und allein diese anderthalb Stunden haben so viel in mir bewirkt. Vielleicht ja auch bei dir? Unten seht ihr mein LP auf YouTube, folgt mir gerne auf twitch.tv/salty_svila für noch mehr Indiegame-Abenteuer oder MMO-Action.
Ich bedanke mich sehr fürs Lesen & die geschenkte Aufmerksamkeit!
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