The Witcher Monsterbuch: Osteuropäische Einflüsse

Von Yannic Borchert am
Kommentiert von: David, André Eymann, Yannic Hertel, Miau Wau, Aurelia
Videospielgeschichten lebt durch Unterstützung! Wenn dir unsere Beiträge gefallen, überlege doch bitte ob du unseren Blog fördern kannst. Durch deine Hilfe stellst du sicher, dass Videospielgeschichten weiterleben kann und die unabhängige Medienwelt bunt bleibt!

Striege, Kikimora, Koschtschei ─ wer diese Wörter zuordnen kann, hat entweder die The Witcher-Reihe gespielt oder ist mit der osteuropäischen Sagenwelt vertraut.

Die Entwickler der Witcher-Spiele haben sich nämlich neben viel kreativer Eigenleistung, ebenso wie der Autor der Bücher Andrzej Sapkowski, an der Mythologie der unterschiedlichsten Kulturen bedient. Allen voran natürlich aus den Sagen und Legenden Osteuropas, welchen im Folgenden auf den Grund gegangen werden soll.

Auszug aus: „Das Monstrum, als da ist eine Beschreibung des Hexers“

“Wahrlich, nichts Abstoßenderes existiert denn diese widernatürlichen Ungeheuer, die man da Hexer nennt, sind sie doch die Ausgeburten übler Zauberei und Hexerei. Schurken ohne Gewissen sind sie, ausnahmslos: Tugend und Skrupel sind ihnen fremd – sie sind wahre Kreaturen der Hölle, die nur Mord und Totschlag kennen. Unter anständigen und ehrlichen Leuten ist kein Platz für ihresgleichen. Und dieses Kaer Morhen, wo die Bösen hausen und ihre üblen Rituale ausüben, muss vom Antlitz der Erde getilgt werden, woraufhin sämtliche Spuren ihrer teuflischen Präsenz mit Salz und Salpeter zu reinigen sind, um das Werk zu vollenden.”

Striege

Velerad sprang auf. ‘Die Prinzessin sieht aus wie eine Striege’, platzte es aus ihm heraus. ‘Wie die striegigste Striege, von der ich je gehört habe! Ihre königliche Hoheit, der verdammte Bankert, ist vier Fuß groß, ähnelt einem Bierfass, sie hat ein Maul von einem Ohr bis zum anderen, mit Zähnen wie Stiletten gespickt, rote Guckeln und fuchsrote Zotteln. Ich wundere mich, dass wir noch nicht angefangen haben, ihre Miniatur an befreundete Höfe zu verschicken! Die Prinzessin, verrecken soll sie, ist schon vierzehn Jahre alt, Zeit, dran zu denken, dass man sie irgendeinem Prinzen zur Frau gibt!’

Andrzej Sapkowski, Der Hexer

Die Striege, auch bekannt als Adda die Weiße, Tochter von Foltest, König von Temerien, ist das Monster aus der ersten Geschichte um Geralt von Riva. Im ersten Kapitel der Kurzgeschichtensammlung „Der letzte Wunsch“, in welcher der Hexer zum ersten Mal in Erscheinung tritt, muss sich Geralt mit der verfluchten Tochter eines Königs auseinandersetzen.

Die Geschichte rund um einen Monsterjäger, der mit List und Geschick den Zauber aufhebt, der auf einer Prinzessin lastet, ist das Paradebeispiel für Sapkowskis Erzählungen – Modern und doch traditionell vereint er dreckiges Mittelalter, mit modernen Anleihen und einer fantastischen Welt.

Die Striege indes, vom Namen her den meisten Europäern unbekannt, ist keine Erfindung Sapkowskis. In Polen ist sie als „Strzyga“ bekannt: eine Abart des Vampirs. Geboren mit zwei Seelen, zwei Herzen und zwei Reihen von Zähnen soll dieses, in der Regel weibliche, Ungeheuer im Normalfall bereits im frühen Kindesalter sterben – so wie Adda in der Romanreihe. Doch laut dem Volksglauben geht beim Tod nur eine der beiden Seelen ins nächste Leben weiter. Die zweite Seele verbleibt auf der Erde und belebt den Leichnam wieder, der fortan aus seinem Grab aufsteigt, um Menschenblut zu trinken.

Man glaubte, dass die Strzyga des Nachts in Form einer Eule die Lande unsicher macht, um ihr nächstes Opfer zu finden. Wenn ein Mädchen starb, dass man als Strzyga wähnte, vergrub man ihren Kopf an einer anderen Stelle als den Rest ihres Körpers – das sollte sie davon abhalten, als Striege wieder aufzuerstehen.

Der Hexer indes greift nicht zu solch rabiaten Mitteln. Er muss die Striege nur bis zum dritten Schrei des Hahns am Morgen davon abhalten, in ihren Sarkophag zurück zu kehren, um sie wieder zurückzuverwandeln. Ein Kunststück, das ihm gelingt, wenngleich er dabei schwer verletzt wird. Im ersten Computerspiel von The Witcher trifft man als Spieler dabei erneut auf Adda, die sich zu einer unsteten und lüsternen jungen Prinzessin entwickelt hat. Im Laufe des Spiels fällt der Schatten des Fluchs jedoch erneut auf sie und als Spieler kann man sich nun entscheiden, sie ein für alle mal zu töten oder erneut von dem Fluch zu befreien – wodurch sie in The Witcher 2 die Frau an der Seite von Radovid dem Gestrengen wird.

Kikimora

Caldemeyn trat von einem Fuß auf den andern und betrachtete die spinnenhaft, von dürrer Haut umhüllte Gestalt, das glasige Auge mit der senkrechten Pupille, die Nadelzähne in dem blutbefleckten Maul.

Andrzej Sapkowski, Das kleinere Übel

Diese Beschreibung nahmen die Entwickler als Ausgangspunkt für ihre Gestaltung der Kikimora. Ein Monster, das in allen Teilen der Computerspielserie auftaucht und vom Äußeren stark an ein widerliches Insekt erinnert. Die Kikimora tritt dabei über alle Spiele hinweg in unterschiedlichen Variationen auf: vom Krieger, über Arbeiter bis hin zur Königin.

Im „Monsterbuch“, das einigen Verkaufsversionen (Polen, Tschechien, Ungarn) vom Computerspiel The Witcher beigefügt war, sprechen die Entwickler über das Design der Kikimora.

Hier ein kurzer Auszug:

„Insekten sind wahrscheinlich die am meisten verwendete Inspiration bei der Erstellung von Monstern. Abstoßend wie gleichermaßen faszinierend, bergen sie das gewisse Etwas und haben das Fantastische für einen Ungeheuertyp. Für uns war von Anfang an klar, dass es insektenartige Gliederfüßler in The Witcher geben sollte. Aber es sollte keine eine schlichte Riesengattung der bereits existieren Arten sein.“

Erstaunlich ist dabei, dass der Name „Kikimora“ nur im entferntesten Sinne mit einem Käfer in Verbindung gebracht werden kann. Einst eine heidnische Gottheit der Slawen, wurde sie im Verlauf der Christianisierung zu einem Poltergeist degradiert, der als alte, seltsam gekleidete, meist unsichtbare Frau in Erscheinung tritt. Ein durchlöcherter Stein, der sogenannte „Hühnergott“ soll vor der Kikimora schützen. Ein Schutz, auf den sich Meister Geralt selbstverständlich nicht verlässt – er schwingt lieber sein Silberschwert.

Mittagserscheinung

Sie überquerten eine Brücke über einen von Murmeln und Entengrütze zugewachsenen Kanal und kamen an einem Streifen abgemähter Wiesen vorbei. Dahinter erstreckten sich, so weit das Auge reichte, bestellte Felder.
“Sieh doch nur, Geralt. Roggen wie Gold, und in dem Maisfeld könnte sich ein Mann zu Pferde verbergen. Oder der Raps, schau, wie riesig er ist.”
“Du verstehst etwas von Landwirtschaft?”
“Wir Dichter müssen von allem etwas verstehen”, erklärte Rittersporn geduldig. “Sonst würden wir uns beim Schreiben blamieren. Lernen muss man, mein Lieber, lernen. Von der Landwirtschaft hängt das Schicksal der Welt ab, es ist also gut, sich darin auszukennen.

Andrzej Sapkowski, Der Rand der Welt

Die Mittagserscheinung hat nur im ersten und dritten Teil der Spielserie ihren Auftritt. Als ausgemergelte Frauengestalt in zerfetzten Lumpen stellt sie vor allem für Bauern eine Gefahr dar, die zur Mittagszeit auf dem Feld arbeiten. Als „Mittagsfrau“ hat dieses Monster in beinahe gleicher Form auch ihr Äquivalent im slawischen Volksglauben. Auch sie erscheint während der Ernte zur Mittagszeit und tötet die Bauern, welche dieses Schicksal nur abwenden können, wenn sie ihr bis ein Uhr von der bäuerlichen Arbeit, insbesondere von der Flachsverarbeitung, erzählen.

Die pŕezpołnica hatte den serp (Sichel) in der Hand, und sagte, wenn jemand mittags auf dem Felde war: »Serp a šyju, Sichel und Hals«. Und wer nicht eine Stunde lang erzählen konnte, dem hat sie den Kopf abgehauen.

Willibald von Schulenburg: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin, Nicolai, 1882

Auch das weiße Gewand teilt sich die Mittagserscheinung mit der Mittagsfrau – und das aus einem bestimmten Grund: In der niedersorbischen Tracht hüllen sich Frauen in Tieftrauer traditionell in ein großes weißes Trauertuch. Kinder soll die Mittagserscheinung, im Gegensatz zur Mittagsfrau jedoch nicht stehlen.

Konzeptzeichnung der Mittagserscheinung aus The Witcher 1. (Bild: hexer.wikia.com)
Konzeptzeichnung der Mittagserscheinung aus The Witcher 1. (Bild: hexer.wikia.com)

Verschlinger/Jaga

Und da war etwas, was nur lebte, um zu töten. Vor Hunger, zum Vergnügen, aus jemandes krankhaftem Willen geboren oder aus anderen Ursachen. Eine Mantikora, ein Wyvern, ein Nebling, ein Sägmaul, ein Steinbeißer, eine Greule, ein Waldschrat, ein Vampir, ein Ghul, ein Graveir, ein Werwolf, ein Gigaskorpion, eine Striege, eine Jaga, eine Kikimora, ein Vipper.

Andrzej Sapkowski, Der letzte Wunsch

Der Verschlinger wird in der Buchvorlage von Sapkowski nur ein einziges Mal genannt – und hier auch unter anderem Namen: Jaga. Dass hier ein und die selbe Kreatur gemeint ist, entnimmt man nur dem Bestiarium-Eintrag aus The Witcher 1: Es heißt, die Geschichte von Baba Yaga handelt von einem Mann, dem ein Verschlinger begegnet ist. Wenn dem wirklich so ist, muss eines erwähnt werden. Die Geschichte gibt nur einen vagen Eindruck von dem wieder, was wirklich einem Wanderer zustoßen kann, der das Pech hat, in ein Verschlingerlager zu stolpern.

Verschlinger werden oft Jaga oder Nachthexen genannt, da sie Ähnlichkeiten mit hässlichen alten Frauen haben und für ihre hexentypische Heimtücke berühmt sind. Diese Kreaturen zählen zu den Nekrophagen und verschlingen Menschenfleisch. Obwohl sie bereitwillig auch Leichen verzehren, gelüstet es sie vor allem nach frischem warmem Fleisch. Verschlinger jagen nach Einbruch der Dunkelheit in Gruppen, die von Bauern Sabbate genannt werden. Dennoch entbehren Geschichten über mitternächtliche Ritte auf Besenstielen und Knusperhäuschen jeder Grundlage.

Welche Sagengestalt aus der osteuropäischen Mythologie hier gemeint ist, ist natürlich offensichtlich: die auch in Deutschland bekannte Baba Jaga. Die Baba Jaga ist eine alte, slawische Hexe – in ihrer Beschreibung den jungen Waldfrauen nicht ganz unähnlich und es wird oftmals angenommen, dass die Baba Jaga tatsächlich einst eine Waldfrau gewesen sein könnte. Ihr Aussehen ähnelt sehr dem bekannten Aussehen von Hexen aus der Deutschen Märchenkultur, war jedoch einst oft auch als Teil einer dreifaltigen Göttin bekannt – nicht ganz unähnlich den Muhmen.

Die Entwickler indes nahmen den Namen der Jaga zum Vorbild für den Verschlinger und gaben sich dabei große Mühe, dieses Monster möglichst hässlich erscheinen zu lassen. Ein Auszug aus dem weiter oben bereits genannten Monsterbuch:

„Die Wurzeln des Verschlingers liegen – wie bei den Mittagserscheinungen – in der slawischen Mythologie. Zu Anfang war da nur der Name, den Sapkowski erwähnt hatte. Die Vorstellung, wie der Verschlinger dann aussehen sollte, folgte bald: eine alte bösartige Frau. Unser Concept-Zeichner ging mit Eifer dabei, die hässlichste alte Schachtel zu erschaffen, die es gibt. Und dann war der Verschlinger geboren. In der finalen Version ist der Verschlinger eine alte Vettel mit einer wundervollen Hakennase, Hängebrüsten und einem Bauch mit verwelkten “Rettungsringen”. Der geöffnete Mund verleiht der Kreatur ein gehässiges Grinsen. Die heraushängende Zunge und das zurückgestrichene Haar erinnern an einen hechelnden Hund nach einer Jagd.“

Koschtschei

Korin schaute sich um. Hinter einem Gewirr von Felsbrocken hervor, gut hundert Schritt entfernt, ragten die klobigen Gelenke gekrümmter Spinnenbeine hervor. Gleich darauf schob sich über den Steinhaufen polternd ein Körper von mindestens sechs Meter Durchmesser, platt wie ein Teller, erdig-rostfarben, rau, von stachligen Auswüchsen bedeckt. Drei Paar Beine schritten gleichmäßig voran, trugen den tellerförmigen Körper durch das Geröll. Das vierte, vordere Paar Gliedmaßen, überproportional lang, war mit mächtigen Krebsscheren bewaffnet, die Reihen von spitzen Stacheln und Hörnern trugen.

Andrzej Sapkowski, Etwas endet, etwas beginnt

Der Koschtschei, wie er in The Witcher 1 erscheint, ist ein besonderer Fall, da es hier einige Übersetzungsverwirrungen gab. Das Monster basiert eigentlich auf der Kurzgeschichte “Der Weg, von dem niemand zurückkehrt” aus der Sammlung “Etwas endet, etwas beginnt” und wurde dort vom Übersetzer Erik Simon mit dem Wort “Knoch” ins Deutsche übertragen – im The Witcher 1-Universum wird diese Geschichte als “Eine Straße ohne Wiederkehr” zitiert, mit dem Monsternamen “Koschtschei”. Diese Übersetzung nehmen wir hierbei als Grundlage für die Interpretation. Doch auch sonst ist vor allem diese Kurzgeschichte sehr zu empfehlen, da sie sich um Geralts Eltern dreht.

Im Gegensatz zu anderen Romanen der Reihe, handelt die Kurzgeschichtensammlung „Etwas endet, etwas beginnt“ jedoch nicht nur vom berühmten Hexer aus Riva. Nur „Der Weg, von dem niemand zurückkehrt“ befasst sich kanonisch mit ihm. Die zweite Geschichte, “Etwas endet, etwas beginnt” berichtet zwar über die Hochzeit von Geralt und Yennefer, läuft jedoch außerhalb des Storykanons.

Der Koschtschei, im Spiel wie im Buch, ist eine riesige Kreatur, die von einem Magier erschaffen wurde und beinahe unmöglich zu besiegen ist. Dies ist auch der direkte Querverweis zum eigentlichen Ursprung des Namens: ein russisches Volksmärchen. Koschtschei der Todeslose, ist hier ein mörderischer Zauberer, der seine Seele außerhalb seines Körpers aufbewahrt. Sie ist in einer Nadel versteckt, welche sich in einem Ei befindet, das in einer Ente ist, die wiederum in einem Hasen steckt, der in einer eisernen Kiste sitzt, die unter einer Eiche auf der Insel Bujan vergraben liegt, welche weit draußen im Meer liegt. Was den Versuch, ihn zu töten, zu einem sehr aufwändigen Verfahren macht, ebenso wie den Sieg über den Koschtschei im Spiel. Die Problematik bei der Übersetzung ergibt sich hierbei aus einer Namensgleichheit: Im Polnischen kann sein Name von dem Wort „kość“ (polnisch für „Knochen“) abgeleitet werden.

Waldschrat

Der Waldschrat, der zu den stärksten Kreaturen in The Witcher 3 gehört, hat seinen Ursprung ebenfalls in der osteuropäischen Mythologie. Er ist der Hüter des Waldes und seine englische Bezeichnung „Leshy“ liegt hierbei näher am polnischen Ursprung: „las“ für Wald.

In der Romanreihe taucht diese Gestalt nur am Rande erwähnt auf und muss von Geralt auch niemals selbst bekämpft werden. Das ändert sich jedoch in The Witcher 3, wo er diesen Kreaturen begegnet und sogar Aufträge annehmen kann, die diese Herren der Wälder betreffen. Die Kreatur nimmt ihren Ursprung aus dem großen Respekt der Slawen gegenüber den Wäldern und soll, so die Legende, den Wald beschützen – ihn aber niemals verlassen. Wer sich zwischen Fichten und Birken verirrt hat, soll seine Kleider links herum anziehen um dem Irrweg des Waldschrats zu entkommen und wieder den Weg zurück zu finden.

Ein Waldschrat. (Bild: deviantart.com, Künstler: Marek Madej)
Ein Waldschrat. (Bild: deviantart.com, Künstler: Marek Madej)

Wodjanoi

Direkt neben dem Hexer explodierte das Wasser. Rittersporn schrie auf. Das aus dem Schaum heraufschießende glotzäugige Ungeheuer hieb mit einer breiten, gezähnten, sensenartigen Klinge nach Geralt. Geralt hatte schon seit dem Augenblick, als das Wasser sich aufzuwölben begann, das Schwert in der Hand, so drehte er sich jetzt nur noch zielsicher in den Hüften und versetzte dem Ungeheuer einen Schlag gegen die schlaffe, schuppige Wampe. Sofort wandte er sich zur anderen Seite, wo der Nächste das Wasser aufwallen ließ, in einem sonderbaren Helm und etwas, das an eine Rüstung aus grünspanbedecktem Kupfer erinnerte. Mit einem weit ausholenden Schwertstreich schlug der Hexer die Spitze des auf ihn gerichtete kurzen Spießes beiseite, und mit dem Schwung dieser Bewegung spaltete er die fischähnliche, zahnbewehrte Schnauze.

Andrzej Sapkowski, Das Schwert der Vorsehung!

Die Wodjanoi stellen eine Ausnahme in dieser Auflistung dar – zum einen stehen sie Stellvertretend für die Ertrunkenen, Wasserweiber und alle anderen Kreaturen des kühlen Nass, zum Anderen dienen die Wodjanoi in The Witcher 1 dem Wassergott Dagon, was eine unmissverständliche Verbeugung vor dem Gottvater des Horrors, H.P. Lovecraft darstellt. Dennoch deutet auch der Name dieser Kreaturen auf einen anderen Ursprung hin – dem Wassermann des slawischen Volkes: dem Vodyanoy.

Als Wódny muž findet er sich in der Folklore der Sorben und spielt diesen mal gut und mal böse mit. Da seine Erscheinung oft mit der eines aufgedunsenen Ertrunkenen beschrieben wird, dürfte auch hier die Verbindung zu dieser Monsterart im The Witcher-Universum gegeben sein. Er verschlingt die Körper der Ertrunkenen und hält deren Seelen in umgestülpten Tontöpfen gefangen. Nur junge Mädchen können ihm entkommen. Vor allem Mädchen, die im Wasser Selbstmord begangen haben, sollen dann selbst entscheiden können, ob sie als Rusálka an der Seite des Vodyanoy leben wollen. Die Rusálka könnten dabei als hübsche Schwestern der Wasserweiber durchgehen.

Hiermit beenden wir erst einmal den Ausflug in die osteuropäische Mythologie der Monsterdarstellung von „The Witcher“, da es ab hier schwierig wird, gewisse Gegnertypen zweifelsfrei der slawischen, polnischen oder russischen Mythologie zuzuschreiben. Kreaturen wie der Draug, stammen eher aus der norwegischen Mythologie und die Muhmen tauchen als Schicksalsgöttinen ihn zahlreichen Sagen und Legenden auf. Und selbst die wilde Jagd ist eine in vielen Teilen Europas aufkommende Volkssaga.

Wenn Interesse besteht, kann in einem nächsten Beitrag natürlich noch auf weitere europäische Grundlagen der „The Witcher“-Spiele eingegangen werden.

Das könnte dich auch interessieren


Veröffentlicht in: Medien & Literatur, Podcasts, Spielebesprechungen

Kommentieren  (8)

Folge uns

MastodonInstagramYouTube

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentare (8)

  1. Sehr schöner Artikel! Schade, dass für die Bezüge auf konkrete Sagen des entsprechenden Kulturkreises keine Quellenangaben dabei sind (am besten über Wikipedia hinausgehend). Danke und Grüße!

  2. “hierbei näher am slawischen Ursprung: „las“ für Wald”
    Eher polnisch/russisch für Wald.
    In den südslawischen Sprachen suma und im Bulgarischen gora.

    1. Hallo Miau Wau,

      danke für die Korrektur! Ich spreche leider weder polnisch, noch bulgarisch. Ich werde den Fehler so schnell wie möglich korrigieren. Ich hoffe, du hattest am restlichen Artikel deine Freude!

      Liebe Grüße,

      Yannic

  3. Interessanter Text. Die Aufdröselung fand ich gerade auch deshalb spannend, weil ich die mythologische Ebene beim Witcher bisher gar nicht so explizit auf dem Schirm hatte bzw. mir beim Spielen spontan eher Monster-Klassiker wie Sirenen und Harpyien aus anderen Mythologien aufgefallen sind. Dabei ist dieser osteuropäische Einfluss eigentlich fast die Interessanteste Sache an der Witcher-Welt, weil es eben von vielem abweicht, was sonst so im Fantasy mit Mittelalter-Setting rumgeistert. Und – jedenfalls aus meiner Sicht, aber ich habe mir auch schon sagen lassen, dass ich etwas sehr streng mit “The Witcher” sei – noch dazu meistens der Teil dieser Welt, der erzählerisch etwas besser funktioniert, weil es eben z.T. etwas abseits vom Genre-Mainstream ist. (Ich erinnere mich daran, dass ich in “The Witcher 3” im Gegensatz dazu z.B. Werwölfe ziemlich generisch und langweilig bzw. zumindest einen Auftrag, den ich dazu gespielt habe, ziemlich vorhersehbar fand.)

    1. Hallo Aurelia,

      danke für den Kommentar! Es freut mich sehr, dass er die so gut gefallen hat und dass ich noch einige zusätzlichen Aspekte nennen konnte, die dir bisher entgangen sind. Tatsächlich ist The Witcher in vielen Belangen ein außergewöhnlich gutes Spiel. Dies hat es jedoch neben den genialen Entwicklern auf der reichhaltigen Welt zu verdanken, die Sapkowski erschaffen hat. Diese düstere Art von Fantasy, die wir auf einer seltsamen Ebene sehr gut mit der heutigen Welt verbinden können gehört dazu.
      Ich denke, dass in einem Folge-Artikel vor allem die Wilde Jagd unter die Lupe genommen wird. Immerhin ist diese Reiterarmada ein sehr wichtiger Bestandteil der Serie – und auch wenn das Spiel sie gut portraitiert, so fehlt ein wichtiger Teil der Motivation, wenn man die Bücher nicht gelesen hat.

      Liebe Grüße,

      Yannic

  4. Ein sehr schöner Text, der zeigt, wie tief und verwurzelt Videospiele in der Kulturgeschichte sein können. Ich muß gestehen “The Witcher” selbst noch nie gespielt zu haben. Gesehen habe ich es natürlich schon, nur bin ich mit der Spielwelt nicht vertraut. Dein Artikel fasziniert aber eben auch vollkommen unabhängig davon.

    Diese Mythen sind hochinteressant und zeitlos. Die Zeit des Unerklärlichen schaffte unzählige Metaphern und Geschichten, deren Wesen und Gestalten bis heute präsent sind. Natürlich wird (im Alltag) nicht mehr so zentral darauf Bezug genommen. Aber wenn ich meine Schwiegereltern in Portugal besuche, dann werden auch in 2017 noch Geschichten aus der “dunklen Zeit” erzählt. Und nicht nur das: die Buchläden dort sind voll mit Schriften über die Sagen und Mythen von damals. Ich schätze diese Dinge werden auch weiterhin bleiben.

    1. Hallo André,

      ich finde es toll und sogar wichtig, dass diese Geschichten nicht für immer verloren gehen. Tatsächlich ist dies auch eine der Motive in den The Witcher Büchern, die so leider nicht ganz in den Spielen wieder gegeben wird. Geralt ist ein Relikt in einer modernen Welt – der Zins wurde erfunden, Banken und Mächtige Herrscher haben die Welt unterjocht. Monster gibt es nur noch wenige – und wenn die Monster verschwinden, dann braucht es keine Hexer mehr. Diese Problemaitk und das Hadern des Helden mit sich selbst wird auch noch einmal schön dargestellt.
      Da fällt mir eine Passage aus “Der Rand der Welt”, aus dem Kurzgeschichtenband “Der letzte Wunsch” ein. Da spricht Geralt davon, dass es zwar Monster gibt, Menschen sich aber gerne noch mehr ausdenken. Damit sie, wenn sie mal wieder Betrügen, Vergewaltigen oder Stehlen sich besser fühlen – weil es da draußen etwas gibt, was noch böser ist als sie. Ein interessanter Gedanke.

      Liebe Grüße,

      Yannic