Zumindest die etwas älteren Leser unter euch werden sich bestimmt noch an diesen beliebten Werbeslogan aus früheren Zeiten erinnern: MB präsentiert!
Spätestens kurz vor Weihnachten flimmerte regelmäßig das „Spiel des Monats“ von Milton Bradley im Vorabendprogramm über die Deutschen Fernsehbildschirme.
Dabei standen die Produkte von MB, damals wie heute, immer im Zeichen hoher Qualität. Slotter, Vier Gewinnt oder Flottenmanöver sind nur einige dieser unvergessenen Klassiker. Aber neben den beliebten Gesellschaftsspielen für Zuhause, wurde das Unternehmen auch für sein elektronisches Spielzeug weltberühmt.
Darunter befindet sich eine markante schwarze Konsole mit dem Namen Vectrex, ein Gerät das aufgrund seiner Ausstattung und Optik einen ganz besonderen Platz in der Videospielgeschichte einnimmt.
Durch das einzigartige Konzept, inklusive Monitor, Arkade-Joystick und einem Tragegriff an der Rückseite, erscheint das Vectrex auf den ersten Blick fast wie ein überdimensionaler Handheld.
Tatsächlich ist die Hardware innerhalb weniger Sekunden aufgebaut und dank der integrierten Bildröhre vollkommen autark von externen TV-Geräten. Ein enormer Vorteil zu einer Zeit als gewöhnlich nur ein Fernseher im Durchschnittshaushalt existierte. Somit war auch kein Streit mit den Eltern vorprogrammiert, wenn mal wieder genau die Tagesschau beginnen sollte, wir aber gerade kurz davor standen unser Sonnensystem endgültig von den außerirdischen Invasoren zu befreien.
Ursprünglich steckte das amerikanische Unternehmen GCS (General Consumer Electronics) hinter der Entwicklung und Herstellung, unter dessen Namen das Vectrex ab Oktober 1982 in den USA vertrieben wurde. Die so genannte „Mini-Arkade für Zuhause“ lies sich anfangs nur schwer einordnen, eigentlich existierte gar keine passende Kategorie für so ein neues Format. Der Tragegriff (siehe Bild unten) wurde als Gimmick werbewirksam eingesetzt. Die japanische Firma Nintendo greift viele Jahre später auf diese Option zurück und präsentiert ab 2001 den GameCube erneut als tragbare Spielkonsole.
Ihr geistiger Vater Jay Smith hatte schon im Jahr 1979 mit dem MB Microvision, ein Handheld das erstmals in der Geschichte austauschbare Module verwendete, seine Kreativität und Einfallsreichtum unter Beweis gestellt. Milton Bradley, der weltumfassende Spielwarenkonzern, erkannte das Potential hinter dem System, übernahm im März 1983 die Lizenz und verkaufte die Konsole schon bald darauf auch in Europa und Japan.
Von Vektoren und Overlays
Das Vectrex zeigt sein gesamtes Spielgeschehen ausschließlich über so genannte Vektoren (Darstellung des Bildes durch Linien oder Polygone) und erreichte damit die grafische Qualität aus den öffentlichen Spielhallen. Besonders der Marktführer Atari setzte während der goldenen Arkade-Ära häufig auf diese dynamische Anzeige und schuf so einige der berühmtesten Videospiele aller Zeiten.
Beliebte Atari Klassiker mit Vektorgrafik
- Asteroids (1979)
- Battlezone (1980)
- Tempest (1981)
- Star Wars (1983)
Zusätzlich zur imposanten Hardware enthält das Vectrex gleich ein Programm fest auf der Platine vorinstalliert. Das Spiel „Minestorm“ verkörpert einen reinrassigen Asteroids-Klon der dem Original in keiner Weise nachsteht und stundenlang handfeste Weltraum-Action garantiert. Zahlreiche weitere Spiele konnten jederzeit in den seitlichen Modulschacht eingesteckt werden.
Insgesamt erschienen rund 30 Games und Anwendungen, die meisten davon sind knallharte Space-Shooter, ein Genre das sich ganz hervorragend für die ungewöhnliche Grafik eignete. Um das zugegeben triste Schwarzweiß-Bild etwas aufzupeppen bestand die Möglichkeit, stabile bunte Plastikfolien (Overlays), die in der jeweiligen Packung mit beilagen, vor dem Monitor zu klemmen.
Aber auch ohne diese speziellen Folien überzeugte der in Echtzeit (durch die CPU) gezeichnete Bildaufbau mit seiner extrem scharfen Anzeige. Selbst nach all den Jahren bleibt es rätselhaft, warum sich dieses Konzept nicht erfolgreich durchgesetzt hat. Allerdings betrug der Preis bei der Einführung in Deutschland stolze 499 DM (199 $ in den USA), dadurch lag das Gerät sicherlich am oberen Limit jeder herkömmlichen Haushaltskasse.
Bei komplexen Darstellungen begann das Bild leicht zu flackern, was leider oft als Defekt verstanden wurde. In Wirklichkeit lag der Mangel aber an den technischen Leistungsgrenzen des Prozessors. Dennoch existieren einige ganz hervorragende Programme. Keine Frage, damals galt die Arkade als das Maß aller Dinge und weil hier echte Vektorgrafik zum Einsatz kam, gehören gerade die Umsetzungen verschiedener Spielhallenhits zu den absoluten Highlights.
Armor Attack
Allen voran das atemberaubende Armor Attack. Ein 2D-Panzerspiel mit zahlreichen Barrieren, ähnlich dem VCS-Modul Combat. Jedoch mit dem Unterschied das hier die Spieler nicht gegeneinander, sondern auch im Team gemeinsam Angreifer bekämpften. Feindliche Boden- und Lufteinheiten machten unseren mobilen Jeeps das (Über-) Leben schwer. Dieser kooperative Modus eröffnete völlig neue Strategien, nur der separat gezählte Punktestand zeigte bei einem Zweipersonen-Match am Ende den Gewinner.
Ich erinnere mich daran, dass einige Kaufhäuser in München ihren jüngeren Kunden das Spiel nicht gerne vorführten, weil die militärischen Fahrzeuge, vor allem der Helikopter dort so unglaublich realistisch aussahen. Den Mitarbeitern kamen bei solch martialischem Inhalt ernsthafte Bedenken was den Jugendschutz anbelangte.
Scramble
Mindestens genauso überzeugend wie Amor Attack präsentiert sich die rundum gelungene Adaption des Spielautomaten Scramble. Die Konvertierung ist noch erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die Vorlage eigentlich herkömmliche Bitmap-Grafik verwendet. Konamis Scramble glänzt auf dem Vectrex besonders durch seinen abwechslungsreichen, spannenden Levelaufbau. Die Verwendung unterschiedlicher Waffensysteme (Bomben und Schnellfeuerkanone) machen den Höllenflug über das feindliche Areal zu einem imposanten Arkade-Erlebnis.
Aus der offiziellen Produktpalette gilt Cosmic Chasm als ein echter Geheimtipp. Das Spiel erinnert wieder an Asteroids, hat sogar die gleiche Schub-Steuerung, ist aber um einiges komplexer als der berühmte Atari Automat.
Zu den Grundelementen spielt hier der Faktor Zeit eine bedeutende Rolle. In der „kosmischen Kluft“ wächst stetig ein Nuklearkern in der Mitte des Bildes, der langsam größer wird und den Bewegungsradius deutlich einschränkt. Ein Feature das die Spannung erheblich steigert. Als wäre das noch nicht genug, muss das Raumschiff zuletzt mit einem Bohrer seinen Fluchtweg öffnen. Dieser Vorgang darf nur äußerst bedächtig erfolgen, wird man zu schnell, zerschellt das Schiff gnadenlos an scharfkantigen Felsen. Neben den ständig wachsenden Kern attackieren uns scharenweise Gegner, nichts für schwache Nerven also, hier kommt bestimmt keine Langeweile auf! Alle vier Feuerknöpfe sind einzeln belegt, ein Novum für ein Konsolenspiel dieser Generation.
Deutliche Schwächen offenbarte das System dagegen bei seinen beiden Autorennen. Der Joystick vermittelte nur ein sehr begrenztes Fahrgefühl, zusätzlich wirkte die Schwarzweiß-Grafik im Vergleich mit Simulationen anderer Anbieter ziemlich trist. Leider war auch der Sound nicht in der Lage eine spannende Atmosphäre zu produzieren. Zu dieser Zeit gab es durch die Mitbewerber bereits erheblich bessere Autorennen. Dafür entschädigte erneut die berauschende Geschwindigkeit unserer Boliden auf den digitalisierten Rennstrecken von Pole Position oder Hyperchase.
Alle 24 offiziellen Vectrex Spiele in der Übersicht
- Armor Attack
- Bedlam
- Berzerk
- Blitz (US Football)
- Clean Sweep
- Cosmic Chasm
- Flipper Pinball
- Fortress of Narzod
- Hyper Chase
- Minestorm
- Minestorm II
- Polar Rescue
- Pole Position
- Rip Off
- Scramble
- Soccer
- Solar Quest
- Space Wars
- Spike
- Star Castle
- Star Hawk
- Star Ship
- Web Warp
- Dark Tower (Prototyp/ Action Adventure)
Lightpen Module (3 Module)
- Animation
- Art Master
- Melody Master
3D-Imager Module (3 Module)
- Crazy Coaster 3D
- Minestorm 3D
- Narrow Escape 3D
Vektorgrafik heute
Seit einigen Jahren existieren für das Vectrex hausgemachte Module die sich keineswegs hinter den kommerziellen Programmen verstecken müssen. Interessanterweise basieren gerade solche „Homebrew“-Projekte abermals auf hochkarätigen Arcadegames wie Frogger, Tetris oder Space Invaders.
Absolut fantastisch ist Rockaroids, diesmal kein einfacher Klon, sondern eine fast hundertprozentige Fassung des legendären Originals. Zusammen mit Vektorgrafik fesselt das elementare Asteroids erneut für viele Stunden an den Bildschirm. Überraschenderweise erliegen selbst jüngere Videospieler dieser Faszination und gehen mit Begeisterung auf die hitzige Asteroidenjagd. Rockaroids rechtfertigt wohl alleine schon deshalb die Anschaffung einer klassischen Vectrex Konsole.
Exkursion in die Gegenwart: Geometry Wars demonstriert auf den aktuellen Spieleplattformen wie XBox 360, Wii, DS, oder PC wie erfolgreich ein minimalistisches Spielprinzip immer noch sein kann. Natürlich bleiben die beeindruckenden Effekte dort um ein hundertfaches erweitert, doch die Grundstruktur und Atmosphäre des actiongeladen Ballerspiels erinnert durchaus an die alten Arkadeklassiker. Gewissermaßen ein moderner Mix mit berauschend schrillen Farben & Formen aus Asteroids, Tempest und Defender. Übrigens erscheint gerade die Fortsetzung „Geometry Wars 2“ auf der XBox 360.
Alles Einstellungsache
Entriegelt man den Controller vorne aus seiner Halterung, entdeckt der Benutzer sofort die verschiedenen Einstellungs-möglichkeiten in der schwarzen Gehäusefront. An der Vorderseite befindet sich der Lautstärkeregler (dient gleichzeitig als Ein/Aus-Schalter), ein Reset-Taster und zwei 9-polige Anschlussbuchsen.
Auf der Rückseite liegt ein weiterer Drehregler versteckt, der die Helligkeit (Brightness) des Bildes steuert. Alle anderen Optionen werden später direkt über das Keyboard ausgewählt. Je nach Modul kommen dabei bis zu vier verschiedene Buttons zum Einsatz.
Der analoge Joystick wurde optisch stark an seine Vorbilder aus den Arkaden angelehnt. Ein zusätzlicher Controllerport ermöglicht das Spielen zu zweit. Die Anzeigegröße des Monitors (9″Zoll / 22 cm) ist ausreichend, um das Bild für beide Spieler gut sichtbar darzustellen. Das Stromkabel kommt direkt aus der Rückwand und endet an einem Eurostecker.
Zweifellos ist nicht nur die Konsole einmalig, auch das Zubehör gehört ohne Übertreibung zu den revolutionärsten Produkten der gesamten Branche. Dazu zählt beispielsweise die erste kommerzielle 3D-Brille, ein Gerät das selbst nach über 25 Jahren immer noch Aufsehen erregt.
Der Vectrex 3D-Imager
Echte dreidimensionale Grafik bleibt bis heute ein nicht eingelöstes Versprechen der Unterhaltungsindustrie. Zu einer Zeit als das Wort „Virtual Reality“ überhaupt nicht existierte, brachte Vectrex bereits eine futuristisch anmutende 3D-Brille auf den Markt.
Allerdings erschien die kuriose Erweiterung erst in der Endphase, mit einer sehr geringen Stückzahl und nur auf dem nordamerikanischen Kontinent. Dieses Schicksal macht den Imager, abgesehen von einigen Prototypen, zu einem der kostbarsten Videospiel-Sammlerstücke unserer Tage.
Trotz ihrer Seltenheit unterstützen gleich drei Module diese besondere Rarität: „Crazy Coaster, Minestorm 3D und Narrow Escape“. Zwar mag der 3D-Effekt sicher etwas bescheiden sein, betrachtet man aber das erhebliche Alter der Brille, bleibt die antike Technik dennoch extrem faszinierend.
Gerade das 3D-Minestorm ist aufgrund der räumlichen Optik ein exzellenter Shooter. Erstmals konnte unser Raumschiff über weiter entfernte Minen direkt hinwegfliegen ohne eine Kollision zu riskieren. Für ein Asteroids-Game einzigartig. Die 3D-Technik verbirgt einen weiteren positiven Aspekt, es werden nun alle Spiele auch ohne die Schablonen komplett in Farbe dargestellt, verursacht durch eine drehende Scheibe (Inlay) im Inneren der Maske. Jedes Modul benötigt dafür ein eigenes spezielles Inlay.
Die Entwickler machten sich hier den Shadder-Effekt zunutze. Dabei wird jeweils ein Auge mit einer rotierenden schwarzen Blende verdeckt, nur das andere Auge sieht (immer abwechselnd) das Geschehen auf dem Monitor. Die Informationen erreichen so leicht versetzt unser Gehirn und erzeugen dadurch die räumliche Tiefe.
Selbst moderne 3D-Brillen benutzen teilweise noch dieses einfache aber wirkungsvolle Verfahren, jedoch werden die Brillengläser hier nicht mehr mechanisch, sondern natürlich in elektronischer Form jeweils links und rechts verdunkelt. Gewiss gehört der Imager zu den ungewöhnlichsten Erweiterungen, aber auch unser nächstes Sonderzubehör ist nicht minder eindrucksvoll als die berühmte 3D-Brille.
Vectrex Lightpen
Betrachtet man die erstaunliche Idee die hinter dieser Hardware steckt, erscheint der aktuelle Touchscreen für Nintendos Gameboy DS gleich weitaus weniger spektakulär, geschweige denn innovativ. Erneut lieferte das Vectrex eine Erweiterung die um viele Jahre voraus war, ein Eingabegerät mit dem der Benutzer seine Befehle direkt auf dem Bildschirm ausführen konnte.
Auf diese Art und Weise sollte das System zusätzlich seriöse Lernprogramme anbieten. Ein kluges Marketing gegen die erfolgreichen Homecomputer, dass die attraktive Konsole nicht mehr nur als reines Spielzeug darstellte. Offenbar verwirklichten die kreativen Köpfe all Ihre Ideen und Möglichkeiten um die hauseigene Technik vollkommen auszureizen.
Die Verpackung versprach gleich vier verschiedene Zusatzmodule, von denen letztendlich nur drei in den regulären Handel gelangten:
- Art Master
- Animaction
- Melody Master
Um das Vectrex noch transportabler zu gestalten, stand als Zubehör eine hochwertige Tragetasche mit Aufdruck zur Verfügung. Nebenbei schützt der attraktive Behälter das Gehäuse vor Staub und Schmutz. Geradezu ideal, wenn man die Konsole längere Zeit nicht benutzte oder sie zu einem Freund mitnehmen wollte. Die Vectrex Tragetasche ist heute ein begehrtes Sammlerobjekt und schwer zu bekommen. Nicht selten werden hier bei Auktionen Kaufpreise bis zu 90 Euro geboten.
Das Ende des Vectrex
Es mag viele Gründe geben warum das faszinierende Vectrex 1984 wieder von der Bildfläche verschwand. Der Preis der einzelnen Module war bestimmt nicht zu teuer, doch der eingebaute Bildschirm trieb die Herstellungskosten deutlich in die Höhe. Die Anschaffung der Konsole hat damals zweifellos viele Taschengelder überfordert.
Außerdem existierten zu diesem Zeitpunkt schon ausreichend Anbieter, Vectrex kam also generell zu spät auf den Markt. Auch die Vektorgrafik wirkte ab 1983, zumindest in schwarz-weiß, bereits leicht antiquiert und zählte nicht mehr zum Standard moderner Videospiele. Ebenfalls negativ präsentierte sich Angebot der einzelnen Kassetten, dass im Gegensatz zur Konkurrenz vergleichsweise gering ausfällt.
Die neuen Homecomputer boten zu den recht eingeschränkten Spielkonsolen um ein Vielfaches mehr an Flexibilität und Interaktion. Und so ging die futuristische Mini-Arkade für Zuhause in die Geschichte ein.
Wer jetzt Lust bekommen hat das Vectrex einmal etwas genauer anzusehen, dem sei der MESS (Multiple Emulator Super System) Emulator ans Herz gelegt. Er ist inzwischen für alle gängigen Betriebssysteme verfügbar. Aber Vorsicht! – Kein PC der Welt besitzt die Fähigkeit auf dem heimischen Monitor echte Vektorgrafik darzustellen. Dieses einmalige Erlebnis bleibt allein den Fans und Sammlern mit ihrer Originalhardware vorbehalten.
Ein ansprechendes Konzept, außergewöhnliche Features und interessantes Zubehör machen die kleine sympathische Konsole zu etwas ganz Besonderem, genau wie es schon 1983 der Prospekt versprach: Vectrex, oder kennst Du was Besseres?
Weiterführende Links
- Infos rund um die VECTREX – die Spielekonsole der 80er
- Rockaroids Remix for the Vectrex
- Video zu Armor Attack
- Video zu Scramble
Bildergalerie
Überarbeitete Originalfassung vom 02.12.2008
Herzlichen Dank an René Achter von für das Aufmacherbild zum Beitrag!
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