Wie mich Computer- und Videospiele musikalisch prägten
Im kommenden Jahr sind meine Frau und ich 10 Jahre verheiratet. Ich erinnere mich immer noch gerne an unsere kirchliche Hochzeit. Beim Einzug in die Kirche lief Pachelbels Kanon, bei unserem gemeinsamen Auszug sogar „Pomp and Circumstance“, das Theme des ikonischen Wrestlers „Macho Man“ Randy Savage.
Ich war kurz davor, einen Elbowdrop von einem der Bankpfosten der Kirche zu machen, konnte mich aber gerade noch zügeln. Aber, wie man vielleicht schon ahnt: Ich habe eine für meine Generation vielleicht ungewöhnlichere Affinität zu klassischer Musik und Orchestermusik im Allgemeinen. Und das hat seine Wurzeln durchaus in der Gaming-Welt.
Als ich gegen Ende der 80er Jahre zunächst in den Ferien den C64 meines Bruders stundenlang okkupiert hatte und dann endlich meinen eigenen Commodore bekam (erstmal nur mit Datasette – womöglich bin ich deshalb heute ein recht geduldiger Mensch!), öffneten sich die Tore zu einer völlig neuen Welt.
Atemberaubende Bilder und sensationelle Töne flimmerten über den Fernsehbildschirm, während meine Eltern stöhnten, wenn der Junior wieder den wertvollen Platz am TV-Gerät blockierte („Du kriegst noch mal viereckige Augen!“). Nun, eine Brille trage ich auch heute, mit Mitte 40 noch nicht. Dafür konnte ich damals aber eine unfassbare Zahl an Spielen mit all ihren audiovisuellen Reizen auf mich einwirken lassen.
Dabei lernte ich nicht nur schon im Grundschulalter die ersten englischen Begriffe (was damals noch vollkommen ungewöhnlich war), sondern auch viele klassische Werke und imposante Themen aus der Filmwelt kennen.
Alleine eine Runde „Battle Through Time“ führte nicht nur durch eine Vielzahl von Kriegsschauplätzen, sondern auch durch eine musikalische Reise: Den Beginn machte Beethovens Fünfte Symphonie im Titelscreen. Doch das war nur der Anfang. Vom „Morgenapell“ in Runde eins über „When Johnny Comes Marching Home“ und „Suicide is painless“ (das TV-Titellied von M.A.S.H.), den Walkürenritt, den Imperial March (Star Wars hatte ich damals noch nie gesehen, das Lied war aber direkt im Kopf implantiert) bis hin zum Donauwalzer im letzten Level wurde ich hier schon mit allerlei weltbekannten Musikstücken beschallt.
Es folgten weitere Klassiker auf dem Brotkasten, so zum Beispiel „Who Dares Wins“, das als Titellied „The Great Escape“ nutzte. Oder die vielen verschiedenen Stücke von Jean Michelle Jarre, sei es in Ocean Loader Screens oder als Titelmusik, z.B. von Yie Ar Kung Fu oder Bomb Jack. Und wer erinnert sich nicht an die Version des Donauwalzers in Elite?
Bomb Jack oder Yie Ar Kung Fu sind nur zwei von vielen Beispielen für grandiose Musik von Jean Michel Jarre, die es auf den C64 geschafft hat.
Aber auch auf dem SNES boten sich ein paar Perlen der Musikkultur: Alleine in Parodius, dem Kult-Shmup von Konami, wurden allerlei Klassiker verwendet, sei es das Thema aus der „Unendlichen Geschichte“, der Hummelflug, Beethovens Neunte, die Mondscheinsonate, der Nussknackermarsch, der Walkürenritt oder der mitreißende Einmarsch der Toreros von Bizet oder das bekannte Schwanensee-Thema von Tschaikowsky.
Manchmal lehnen sich berühmte Musikstücke auch nur an klassische Musik an oder stibitzen einzelne Passagen, wie bei Final Fantasy VI, wo das Thema beim „Phantom Train“ der Trauermarch von Chopin ist.
Auch abseits meiner ganz persönlichen Erfahrung zeigt sich: Bereits Mario Bros. auf dem Arcadeautomaten glänzte mit der kleinen Nachtmusik, bei Pirates! finden sich einige klassische Stücke von Händel & Co., und wer kennt nicht die epische Tetris-Musik, das russische Volkslied „Korobeiniki“ oder das Menuett der französischen Suite No. 3 von Bach, das das C-Thema auf dem Gameboy abbildet.
Was ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf: Lucasarts Klassiker Loom, der während des gesamten Spiels diverse Stücke aus Tschaikowskys Schwanensee darbietet. Hier ist die Fusion aus klassischer Musik und Gameplay bemerkenswert gut gelungen. Zumal sogar die Befehlseingabe nicht, wie bei anderen Point & Click-Adventuren, über die klassischen Verben wie „Öffne“, „Gehe zu“ oder „Drücke“ funktioniert, sondern der Hauptcharakter Bobbin Threadbare eine Art musikalischen Zauberstab verwendet und Tonfolgen abspielen muss, die dann im Spiel für Interaktionen sorgen.
Und heute? Da gibt es ganze Tourneen und Alben von renommierten Orchestern wie dem Royal Philharmonic Orchestra, die Videospielmusik von Super Mario bis Fortnite spielen. Die Fusion aus Klassik und Videospielmusik ist also mittlerweile komplett. Und ich liebe es!
Fallen Euch noch weitere Spiele ein, in denen ikonische klassische Musik oder zeitgenössische Film- und TV-Themes eine Rolle spielen? Habt Ihr vielleicht auf ähnliche Weise den Zugang zur orchestralen und/oder klassischen Musik bekommen? Lasst dazu gern ein paar Kommentare da. Vielleicht auch mit Euren Top-Listen an Videospiel-Musikstücken. Ich würde mich darüber freuen!
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