In unserer Fantasie bewegen sich Hacker als moderne Piraten illegal durch die Welt der digitalen Computernetze. Immer auf der Jagd nach wertvollen Informationen entschlüsseln sie geheime Passwörter oder suchen elektronische Sicherheitslücken.
Dabei führen sie eigentlich nie ernsthaft etwas Böses im Schilde, fast so wie einst Robin Hood, der berühmte Rebell aus dem Sherwood Forrest. Gerade Spielfilme zeigen Hacker gern als heroische Einzelkämpfer, die schnell und problemlos in Computersysteme eindringen, um dadurch mal eben die Welt zu retten. Der Film Matrix verkörpert wohl am besten dieses gängige Klischee. Vermutlich verlangt das Mainstream-Kino jene überzogene Darstellung. Aber wollen wir tatsächlich solche Superhelden sehen?
David Lightman, die Hauptfigur von WarGames, war dagegen absolut konträr. Als Teenager der 1980er-Jahre ging er noch zur Schule, räumte sein Zimmer nicht auf, verbrachte seine Freizeit lieber mit Videospielen anstatt mit Schulaufgaben und konnte, obwohl er an der amerikanischen Westküste lebte, noch nicht einmal schwimmen. David verkörperte das, was man in Amerika einen „Nerd“ bezeichnen würde.
Intelligent und begabt, ein Genie am Computer und begeisterter Videospieler, jedoch mit geringem Erfolg in der Schule und nur wenigen Freunden. Matthew Broderick spielte sich mit dieser Rolle in die Herzen der Kinozuschauer und schaffte so seinen Durchbruch in Hollywood. In gewisser Weise wurde er zum Vorbild für ein ganze Generation von Computerfans, denn egal wie hoffnungslos seine Lage auch war, „David Lightman“ gab niemals auf!
1983 widmete sich John Badham als erster Regisseur der aufkeimenden Hackerszene und traf damit den Puls der Zeit. Dank der Homecomputerwelle von Commodore und Atari erlangte WarGames nur knapp ein Jahr nach Disney’s Überraschungserfolg Tron ebenfalls Kultstatus für das neue Computergenre.
Ein Einspielergebnis von 75 Mio. Dollar und drei Oscar-Nominierungen zeigen den Erfolg des Films aber auch im kommerziellen Bereich. Im Gegensatz zu Tron verzichtete WarGames auf computeranimierte Spezialeffekte, sondern setzte hauptsächlich auf seine aufregende und geniale Handlung.
Shall we play a game?
Der 16-jährige Computerfreak David Lightman hackt sich auf der Suche nach neuen Videogames der Softwarefirma Protovision versehentlich in das Frühwarnsystem der amerikanischen Verteidigungszentrale NORAD (North American Air Defense Command) und löst dadurch einen simulierten Nuklearangriff der Sowjetunion aus.
«Is it a game, or is it real?»
David
«What’s the difference?»
Joshua
Der NORAD Zentralcomputer Joshua kennt keinen Unterschied zwischen Simulation und Wirklichweit und reagiert mit realen Gegenmaßnahmen. Zuletzt versucht Joshua, offiziell genannt WOPR (War Operational Plan Response), die amerikanischen Interkontinentalraketen für einen atomaren Gegenschlag allein zu starten. Nur David begreift als einziger den Ernst der Lage und versucht nun verzweifelt das Militär zu warnen. Von diesem Moment an beginnt ein spannender Wettlauf mit der Zeit, um einen dritten Weltkrieg zu verhindern.
Sicher sind verschiedene Szenen im Film etwas überspitzt dargestellt und dienen einzig zur Erhaltung der atemberaubenden Spannung. Bis heute frage ich mich zum Beispiel wer eigentlich die Zeit von globaler thermonuklearer Weltkrieg auf die insgesamt 73,5 Stunden voreingestellt hat?
Aber mal abgesehen von solch ungeklärten Fragen spielt der Film perfekt mit den realen Ängsten einer atomaren Apokalypse, die während des Kalten Krieges eine ständige Bedrohung unserer modernen Zivilisation darstellte.
Tatsächlich kam es am 3. Juni 1980 zu einem computergenerierten Störfall, der die amerikanischen Streitkräfte für ca. 8 Minuten in höchste Alarmbereitschaft versetzte. Die Handlung von WarGames war also absolut keine reine Fiktion der Drehbuchautoren, wie es das Militär damals gern erklärte. Im Jahr 1993 hatte ich selbst die Gelegenheit in Süd-Arizona ein atomares Raketensilo der US Luftwaffe (siehe Lageplan) zu besichtigen.
Atomare Raketentechnik war also beileibe nicht so hoch entwickelt wie wir es uns damals naiverweise immer vorstellten. Der Gedanke, daß unser Weltfrieden jahrzehntelang durch längst überholte Elektronik bewahrt wurde, hat mich im nachhinein ziemlich erschaudern lassen.
Unvergessen bleibt mir bis heute das zynische Verbandsabzeichen der Titan-Raketenstreitkräfte aus Arizona. Ein hämisch grinsender Joker, abgebildet auf einer Spielkarte mit dem Untertitel: „The Ace in the hole“.
Den gleichen Computer benutzte David auch im Film. Der Rechner ist für WarGames vorab so programmiert worden, daß egal welche Tasten Matthew Broderick bei den Dreharbeiten drückte, immer der richtige Text am Bildschirm erschien. Hergestellt in den Jahren 1976 bis 1979 war der IMSAI 8080 einer der ersten in Serie produzierten Mikrocomputer überhaupt. Er kostete zu dieser Zeit etwas 1000 US Dollar und wurde von der Firma IMS Associates gebaut.
Hinter den Kulissen
Bei WarGames ist der Einfluss der damals neuen Videospiele stark zu spüren. Aus diesem Grund stellte das Filmstudio Matthew Broderick für zwei Monate den Spielautomaten Galaga von Namco zur Verfügung, damit er sich entsprechend auf die verschiedenen Filmszenen in einer amerikanischen Spielhalle vorbereiten konnte.
Übrigens versteckt sich hier auch ein kleiner Fehler im Film, wer gut aufpasst bemerkt, das David beim Spielen mit Galaga ein Raumschiff verliert und darauf das Spiel plötzlich mit „Game Over“ endet, obwohl er in der vorherigen Szene noch eine ganze Menge Raumschiffe zur Verfügung hatte.
Ein weiterer netter Gag für Videospielfans findet man in der Szene, als eine Besuchergruppe im Crystal Palace durch eine Computerstimme „begrüßt“ wird. Der kurze elektronische Soundeffekt am Anfang dieser Durchsage stammt natürlich ebenfalls aus dem Arcadehit Galaga.
Die Rolle von David’s Freundin Jennifer, gespielt von Ally Sheedy, sollte ursprünglich wesentlich kleiner ausfallen. Als aber das Team von David und Jennifer bei den Dreharbeiten überraschend gut funktionierte, wurde die eigentliche Nebenrolle sogar noch kurzfristig erweitert. Im Jahr 1986 dann bekam Ally Sheedy ihre eigene Hauptrolle in dem Film Nummer 5 lebt!, ebenfalls ein 1980er-Jahre Klassiker von John Badham.
Nach den Erzählungen des Regisseurs ist die Filmszene in der ein Millitärjeep das NORAD-Einfahrtstor durchbricht durch Zufall entstanden. Geplant war eigentlich, dass dieses Fahrzeug nach der Kollision seinen Weg weiter fortsetzt. Aufgrund des verpatzen Stunt’s änderte Badham das Drehbuch und die Akteure mussten plötzlich zu Fuß weiterlaufen, um noch rechtzeitig den Bunkereingang zu erreichen.
Gegen Ende des Films kommt es zum großen Showdown im Crystal Palace, der Kommandozentrale von NORAD.
Dieser Ort ist nicht einfach frei erfunden sondern befindet sich tatsächlich tief im Inneren eines Berges, dem Cheyenne Mountain, im US-Bundesstaat Colorado. Während des Kalten Krieges war der Crystal Palace vermutlich der sicherste Ort der Welt. Hermetisch abgeriegelt sollte er selbst einen atomaren Volltreffer standhalten.
NORAD ist eine gemeinsame Einrichtung der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada, welche den Weltraum überwachen und vor Angriffen mit Interkontinentalraketen (ICBM) warnen soll. Sie wurde am 12. Mai 1958 unter dem Namen North American Air Defense Command gegründet. Der sogenannte „War Room“ wurde für WarGames extra im Filmstudio nachgebaut.
Der Film und seine Folgen
Ein verantwortungsvoller Umgang mit neuer Technologie war eine Thematik die den Regisseur John Badham später noch öfters beschäftigte. Neben WarGames behandeln zwei weitere Badham Filme jene große Gefahr unserer heutigen Gesellschaft:
- Das fliegende Auge (Original: Blue Thunder, Herbst 1983)
- Nummer 5 lebt! (Original: Short Circuit, ebenfalls mit Ally Sheedy, 1986)
Unbestätigten Gerüchten zufolge, kam es nach dem Film in den USA zu dramatisch erhöhten Umsätzen von Akustikkopplern und Modems. Diese Legende aus der Hackerszene erscheint aber als durchaus glaubwürdig, zumindest für jeden, der WarGames damals selbst miterlebt hat.
Insgesamt kostete der Film 12 Millionen US Dollar, wobei alleine das aufwendige Set der Kommandozentrale Crystal Palace eine ganze Million verschlang. Damit handelte es sich um eine der teuersten Hollywood Filmkulissen jener Zeit. Doch die Investition zahlte sich aus: WarGames wurde ein Hit. So spielte der Titel nach nur knapp 5 Monaten insgesamt 75 Millionen US Dollar ein und erhielt drei Oscar-Nominierungen für den Sound, Kamera und bestes Drehbuch. Seinen größten Erfolg feierte John Badham aber bereits 1977 mit dem Disco-Kultstreifen Saturday Night Fever. Ende der 1980er-Jahre widmete er sich dann mehr der Action-Komödie und brachte die folgenden Filme ins Kino:
- Ein Vogel auf dem Drahtseil (Original: Bird on a Wire, mit Mel Gibson, 1989)
- Auf die harte Tour (Original: The Hard Way, mit James Woods, 1991)
Ein Bericht über WarGames wäre wohl unvollständig, würde man nicht auch auf die gelungene Persiflage „Narr Games“ aus dem Satiremagazin MAD hinweisen. In der deutschen Ausgabe 178 findet sich dort ein humoristischer Beitrag, natürlich im gewohnten Stil von MAD, dem „vernünftigsten Magazin der Welt“.
Er zeigt in aller Schonungslosigkeit, wie es wirklich hinter den Kulissen aussieht. Zitat: „General!! Die Sowjets sind dabei Las Vegas auszulöschen! – Oh Gott wie furchtbar!! Wo ich doch nächste Woche dort Urlaub machen wollte!“
Für WarGames erschienen keine besonders aufregenden Merchandising Produkte, wie sie zum Beispiel für Disney oder Star Wars Filme in den Handel kommen. Es existieren nur einzelne Fanartikel, bestehend aus einem Videospiel, Soundtrack, Kinoplakat und einem Taschenbuch zum Film. Wer sich aber dafür interessiert, sollte sich diese Artikel unbedingt etwas genauer ansehen – es lohnt sich!
Der Soundtrack enthält neben den einzelnen Musiktracks zusätzlich viele Textpassagen aus der englischsprachigen Originalfassung des Films. Zusammen mit der Musik baut sich so, genau wie auf der Leinwand, eine wachsende Spannung auf.
Inzwischen kann man sich zwar diese Originalfassung auch auf DVD ansehen, trotzdem beeindrucken die alten Audio-Aufnahmen noch immer und erzählen, neben der Musik, in kurzen Auszügen die komplette Geschichte von WarGames. Leider ist der Soundtrack bisher nur auf Vinyl erschienen, eine offizielle CD-Version kam nie in den Handel. Dementsprechend schwierig gestaltet sich heute die Suche nach dieser alten Schallplatte. Selbst bei eBay ist das Album kaum mehr zu bekommen. Aber das macht ja gerade den Reiz solcher alten Raritäten aus.
Zum Kassenschlager WarGames sind auch Taschenbücher von David Bischoff erschienen. Ebenfalls 1983 und in zwei unterschiedlichen (deutschen) Varianten. Einmal als preiswertes Paperback und zusätzlich in einer hochwertigen gebundenen Ausgabe. Inhaltlich sind beide Bücher identisch und erzählen, genau wie der Film, die Geschichte von David Lightman, dem Computerhacker aus Seattle.
Dabei geht das Buch natürlich weiter ins Detail und auch die Beziehung zwischen David und Jennifer ist wesentlich intensiver beschrieben. Anspruchsvolle Literatur sollte man jedoch nicht erwarten. Die Qualität entspricht der von handelsüblichen Filmtaschenbüchern. Dafür ist die Geschichte aber mindestens genauso spannend wie die Filmvorlage.
Das Videospiel zum Film
Viele werden es wahrscheinlich gar nicht mehr wissen, aber es gab 1984 tatsächlich ein offizielles Videospiel zum Film. Der Grund weshalb dieses Spiel relativ unbekannt blieb liegt wohl daran, daß es zuerst nur für das CBS Colecovision erhältlich war, später erschienen weitere gleichwertige Adaptionen auf dem Commodore 64 und 8-Bit Rechnern von Atari.
Inhaltlich entsprach die Handlung allerdings nicht der Filmgeschichte, sondern verkörperte vielmehr den Wunsch von David Lightman, ein Videospiel mit dem Namen „globaler thermonuklearer Weltkrieg“ Wirklichkeit werden zu lassen. Das Spiel teilt die USA in 6 verschieden Sektoren ein, die einzeln über das Tastenfeld des Joysticks aktiviert werden können.
Dort muß der Spieler als „Simulation“ feindliche Marschflugkörper, Bomber und U-Boote abwehren, bevor sie eigene Städte oder militärische Stützpunkte zerstören. Am Ende eines Zeitlimits entscheidet sich, wie erfolgreich diese Verteidigung gelungen ist und ob WOPR, der NORAD-Zentralcomputer nun einen „echten“ atomaren Gegenschlag einleiten wird. Trotzdem bleibt WarGames eher eine Mogelpackung, den so aufregend wie diese Handlung scheint, ist das Spiel bei weitem nicht.
Tatsächlich wurde hier eine Menge Potential verschenkt, wie bei so vielen Filmumsetzungen in der Vergangenheit. Sound und Grafik waren bestenfalls Durchschnitt, insgesamt wirkt WarGames durch die grobe Kartenübersicht eher als ein Strategietitel. Und so bildet Joshua’s Zitat über den globalen thermonuklearen Weltkrieg am Ende des Films gleichsam eine realistische Bewertung für dieses Videospiel.
A strange game – the only winning move is not to play!
Joshua
Final credits – Der Abspann
- Deutscher Titel: WarGames – Kriegsspiele
- Originaltitel: WarGames
- Produktionsland: USA
- Produktionsjahr: 1983
- Länge: 114 Minuten
- Originalsprache: Englisch
- Altersfreigabe: FSK 12
- Regie: John Badham
- Drehbuch: Lawrence Lasker, Walter F. Parkes
- Produktion: Harold Schneider, Leonard Goldberg
- Musik: Arthur B. Rubinstein
- Kamera: William A. Fraker
- Schnitt: Tom Rolf
Besetzung des Films
- Matthew Broderick: David Lightman
- Dabney Coleman: Dr. John McKittrick
- John Wood: Dr. Stephen Falken
- Ally Sheedy: Jennifer Katherine Mack
- Barry Corbin: General Jack Beringer
- Juanin Clay: Pat Healy
- Kent Williams: Arthur Cabot
- Dennis Lipscomb: Lyle Watson
- Irving Metzman: Paul Richter, WOPR Technician
- Michael Ensign: Beringer’s Aide
- William Bogert: Mr. Lightman
- Susan Davis: Mrs. Lightman
- James Tolkan: FBI Agent Nigan
- David Clover: Stockman
Weiterführende Links
- Informationen zum Videospiel auf colecoboxart.com
- Offizielle Webseite von NORAD (North American Aerospace Defense Command)
Überarbeitete Originalfassung aus dem Oktober 2005.
Das könnte dich auch interessieren
- Jeder stirbt (ein Beitrag von Christian Gehlen über das Videospiel Defon hier im Blog)
Schreibe einen Kommentar