Ich bin – wie so oft – beruflich mit dem Auto unterwegs. Dabei höre ich – wie so oft – einen Podcast. Aber nicht irgendeinen Podcast. Wie so oft ist es Stay Forever!
Ich fahre also und höre gebannt der Folge über Prince of Persia zu. Am Ziel angekommen passiert Folgendes: Ich stelle den Motor ab, und bleibe im Auto sitzen! Die Arbeit ruft, die Kollegen warten; aber ich bleibe einfach sitzen und höre gebannt weiter zu. Manchmal muss man im Leben Prioritäten setzen.
Der Podcast ist schließlich noch nicht vorbei und es ist gerade so interessant und gleichzeitig so spannend. Ja richtig gelesen: Interessant und spannend! Ich höre keinen nervenaufreibenden Krimi, Thriller oder spannenden Sci-Fi-Roman, sondern einen Podcast über alte Spiele von zwei (noch) älteren Männern und dennoch fällt es mir schwer, den Podcast abzuschalten, auszusteigen und zur Arbeit zu gehen. Gut, Letzteres ist ja verständlich. Aber wieso fällt es mir so schwer, mich vom Podcast zu lösen? Unmöglich, das in einem Satz zu beschreiben.
Zunächst möchte ich natürlich wissen, wie die Geschichte rund um die Entstehung von Prince of Persia weiter geht. Der Podcast ist so gut inszeniert, wie die Spielereihe. Und die Entstehungsgeschichte ist genauso interessant, wie das Spiel selbst. Ich bin beeindruckt, über das Hintergrundwissen der beiden; das Detailwissen über das Lebenswerk und die Anekdoten rund um Jordan Mechner, den Schöpfer von Prince of Persia.
Aber ich bin auch beeindruckt, mit was für einer sprachlichen Gewandtheit, ja mit welcher Leichtigkeit Christian die besondere Faszination des Spiels in Worte fassen kann. Gunnar lobt gerade sehr anschaulich die Reduziertheit des Quasi-Vorgängers Karateka, als er plötzlich unvermittelt verstummt. Nach 5 Minuten schaltet sich mein Autoradio automatisch ab. Ok, ich habe den Wink verstanden. Ich muss zur Arbeit …
Mein erster SF Podcast war übrigens die Folge über Elite. Ja, wieder richtig gelesen. Ich bin erst bei Folge 37 bei SF eingestiegen und das war auch erst im vergangenen Jahr. Asche über mein Haupt. Mit der VSG war das ganz genauso; wie auch bei Twitter. Immer hänge ich hinterher. Aber das ist gar nicht so schlimm. Denn – wie auch bei der VSG – sind alle Folgen/Artikel verfügbar und jederzeit abrufbar. Mittlerweile habe ich das Versäumnis nachgeholt, und nahezu alle Folgen gehört. Wie gesagt, ich bin öfter beruflich im Auto unterwegs und immer öfter höre ich …
Aber zurück zu meinem ersten gehörten Podcast von Stay Forever, zurück zu Elite. Ich war anfangs skeptisch. Elite ist schließlich mein Lieblingsspiel auf dem C64, mit dem ich ungezählte Stunden in der Cobra MK III unterwegs war, und von dem ich wirklich alles weiß. Dachte ich jedenfalls. So naiv wie ich nun mal bin, dachte ich mir: „Was sollen die beiden mir darüber schon erzählen, was ich nicht schon weiß.“ UND: „Die unterhalten sich 90 (!) Minuten über ein einziges Spiel. In 10 Minuten müsste doch wirklich alles darüber gesagt sein.“
Oje, wie habe ich mich doch getäuscht. Ich habe auf SF den folgenden Kommentar hinterlassen, der meine Stimmungslage nach dem Podcast ganz gut wiedergibt:
„Das ist der erste Podcast von Euch, den ich mir angehört habe. Ich bin begeistert. Ich habe mich anfangs gefragt, wie ihr 90 Minuten mit der Besprechung von „einem“ Spiel füllen wollt. Jetzt, nachdem ich damit „durch“ bin, weiß ich es. Und ich fand keine Minute langweilig. Erstaunlich, dass ihr noch so viele Details rund, um über das Spiel parat habt; obwohl Elite auf dem C64 über 30 Jahre alt ist. Ich bin Jahrgang 1969 und habe Elite auf dem C64 mit meinem Bruder, Jahrgang 1965, viele viele Stunden gespielt. Es ist eines meiner Lieblingsspiele, und nach Eurem Podcast weiß auch wieder warum. Danke dafür!„
Wie so oft, war ich spät dran. Alle anderen Kommentare sind 3 Jahre vor mir verfasst worden. Wurscht.
Mittlerweile habe ich so viele Stunden mit SF verbracht, dass mir die beiden schon sehr vertraut sind. Als hätte ich mit denen früher im Sandkasten gespielt.
Selbst alte Folgen höre ich mit großer Freude. Das ist das Schöne an Retro: Der Zeitbezug ist nicht von Bedeutung. Jede Folge von SF behandelt i.d.R. ein Spiel oder eine Spielereihe und steht für sich. Und jede Folge ist ein zeitloser Klassiker, genauso wie die Retro-Spiele, die sie besprechen.
Aber was ist eigentlich Retro? Die Frage haben sich auch hier viele gestellt. Eine Diskussion darüber – die auf Twitter begann – hat André Eymann geistesgegenwärtig aufgegriffen, und auf der VSG fortgeführt. Er hat sie sozusagen für die Nachwelt festgehalten, sonst wäre sie im schnelllebigen Twitter-Gewitter untergegangen. Sie mündete in der überaus spannenden Diskussion „Wann setzt das Retro-Gefühl ein?“, in die sich viele Leser mit tollen Beiträgen eingebracht haben.
Auch SF haben in der Zwischenfolge „Was ist eigentlich Retro?“ ganze 70 Minuten ihre Gedanken darüber ausgetauscht. Nicht nur ich war von der Folge begeistert.
Was ist Stay Forever?
„Stay forever“ ist ein (Audio-)Podcast und als solcher im Wesentlichen eine Serie von Gesprächen über alte Computerspiele zwischen Christian Schmidt und Gunnar Lott. So steht es auf deren Homepage. Sie haben 2011 damit begonnen und seither (Stand Mai 2017) 65 Folgen (ohne Zwischenfolgen) veröffentlicht. Eine Folge dauert – je nach Spiel – 45 bis 90 Minuten; manchmal auch länger.
Was es mit dem Namen auf sich hat
Der Titel des Podcasts bezieht sich auf das uralte Computerspiel Impossible Mission von 1984, das als eines der ersten ein paar Sätze Sprachausgabe aus den Lautsprechern quetschen konnte. Und die gekrächzten Begrüßungsworte durch den Oberbösewicht Dr. Alvin Atombender, „Another Visitor. Stay awhile, stay forever!“, waren für die viele von uns die allerersten von einem Computer gesprochenen Wörter, die wir hörten. Das Sample zum Eingang des Podcasts ist das Original aus dem Spiel.
Und wer sind Christian Schmidt und Gunnar Lott?
Christian ist der „Lego-Spieler“, er hat ein exzellentes Gedächtnis – selbst für kleinste Details – und spricht druckreif. Er mag „kalte“ Spielmechaniken und liebt deshalb Spiele wie Sim City und Civilization. So würde Gunnar ihn wohl umschreiben. Bei Christian sind Spiele oft ikonisch oder archetypisch. Er ist redegewandt und schlagfertig. Christian mag es gar nicht, wenn andere noch schöner Schreiben als er selbst. Er sammelt passioniert Spiele. 5.000 sollen es mittlerweile sein. Er kommt aus Nürnberg, lebt und arbeitet aber in Hamburg; vermutlich in einer Lagerhalle mit schweren, langen Holzregalen.
Ich stell mir das so traumhaft vor, ein Lebensabend als Archivar in meinem Spielearchiv zu verbringen. Mit langen Reihen von Regalen aus schwerem Holz wo die Spiele drin stehen, wie in einer Bibliothek. Und dann kommen Leute und fragen mich: Was war das erste Spiel mit einer Scratch-and Sliv-Karte? Dann verschwinde ich, als alter Mann in den tiefen dieser Regalschluchten, steige die Leiter hoch und ziehe The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy heraus. Sich in dieses historische Wissen einzugraben und zu vertiefen und akademisch zu erforschen, das stelle ich mir traumhaft vor.
Christian Schmidt
Was zum Geier ist eine Scratch Dingbums-Karte?
Toni Schwaiger (GameStar Urgestein) hat von den beiden professionelle Videoportraits aufgenommen, die einen kleinen Einblick in ihr Privatleben gewähren.
Gunnar
Christian
Ein Stück Privatleben geben die beiden aber auch in der Zwischenfolge „Das sehr geheime Interview – Lott fragt Schmidt und umgekehrt“preis, in der sie sich jeweils gegenseitig interviewen.
Christians Privatleben –was sein Erwachsenenwerden angeht – ist ja ohnehin ein offenes Buch bzw. offener Podcast. Denn er hat mit seinen Bruder Peter den wunderbaren Podcast „Young in the 80s“ aufgenommen. Peter ist genauso sympathisch wie sein kleinerer, aber älterer Bruder und auch ein begeisterte Computerspieler. Da wundert es nicht, dass es auch eine Cross-Over-Folge von Young in the 80s und Stay Forever über Videospiele gibt.
Im Gegensatz zu Christian hat sich Gunnar die Spiele meist „nur geliehen“. Schließlich hat er als Student in einem Spieleladen gearbeitet.
Aber der Herr Schmidt brachte ohnehin schon ein immenses Wissen mit, eine normale Jugend kann er nicht gehabt haben, so viele Spiele kannte er aus eigener Anschauung.
Gunnar über Christian´s Beginn bei der GameStar 1998
Gunnar hat einen virtuellen Schrein für Christian angelegt, als dieser die GameStar in 2011 verlassen hat und einige seiner journalistischen Werke hervorgehoben. Darunter auch den großartigen Test von Minecraft auf YouTube mit fast 800.000 Views, wie Gunnar in 2011 schrieb. Aktuell hat das Video 6,6 Millionen Views! Das Video zeigt eindrucksvoll Christians Qualitäten als Spiele-Journalist.
So. Und warum gebe ich mir so eine Mühe, das Ausscheiden eines einzelnen Redakteurs zu bereden? Nun, weil Chris meiner bescheidenen Meinung nach der beste Autor und Spiele-Analyst der ganzen verdammten deutschsprachigen Spielejournaille ist. Und der GameStar mächtig fehlen wird.
Gunnar Lott im Juni 2011 zum Ausscheiden von Christian aus der GameStar
Hach, das ist doch nett von Gunnar. Kein Wunder also, dass Gunnar den so geschätzten Kollegen Schmidt noch im selben Jahr dazu überredet hat, einen Podcast über alte Spiele aufzunehmen. Gut gemacht Gunnar!
Gunnar ist genauso alt wie ich – seit vielen Jahren 39 – also noch ganz schön jung. Gunnar steht weniger für „Lego“ (wie Christian), sondern eher für „Playmobil“. Er liebt Narration in Spielen sowie klare Strukturen und Regeln. Zeitkritische Rätsel sind ihm genauso verhasst wie logische Widerprüche. Die können Gunnar das Spielerlebnis ganz schön kaputt machen. Er liebt glaubwürdige Spielwelten und „Wurscht“.
Gunnar ist der Menschenkenner mit einer feinen Beobachtungsgabe. Man lese dazu nur den kurzen Artikel „Einkaufen! Mit Frauen!“
Ich frage mich gerade, ob Gunnar zu Typ 1 oder Typ 2 gehört.
Wenn Christian ein Spiel – dass Gunnar besonders mag – treffend und schön umschreibt sagt Gunnar: „Hach Christian“. Er liebt Wörter wie „sensationell“, „unfassbar“ und „genau“; mit Letzterem stimmt er Christian zu. Gunnar sagt aber auch gerne Sätze wie: „Das ist schon ganz schön super“ und beginnt Sätze oft mit: „Auf eine Art … “ die dann meist mit „und so.“ enden. Und wenn Christian beschreibt, was Spieler früher auf sich genommen haben, um z.B. ein Spiel überhaupt zum Laufen zu bekommen, sagt Gunnar entweder: „Das kann sich heutzutage ja keiner mehr vorstellen.“ oder einfach nur: „Schlimm!“. Wir hatten ja nichts.„Ähem“.
Gunnar findet es grundsätzlich ungerecht, wenn Menschen viele Fähigkeiten besitzen, und dazu noch in mehreren Bereichen erfolgreich sind. Dabei gehört er ja selbst auch dazu. Er kommt aus dem niedersächsischen Holzminden, lebt und arbeitet aber in Karlsruhe.
Gunnar hat nach eigenen Angaben ein gefährliches Halbwissen und Christian ein beängstigendes Details-Wissen. Gemeinsam streben sie die Weltherrschaft an.
Vorher war Gunnar bei der GameStar und hat es sogar bis zum Chefredakteur geschafft. Bemerkenswert ist der Weg dorthin, den Gunnar in dem kurzweiligen und sehr unterhaltsamen Artikel „Wie ich mich damals bei GameStar beworben habe“ beschreibt. Die Bewerbung ist kreativ, das Vorstellungsgespräch mit Jörg Langer der Hammer. Der Artikel ist genauso witzig und originell wie die Bewerbung.
Apropos Bewerbung: Gunnar´s Frau schimpft heute noch, dass er 1994 die geplante Stellenanzeigenseite unter jobs.de nicht realisiert habe, OBWOHL DAMALS DIE DOMAIN NOCH FREI WAR! Tja Gunnar, in diesem Fall hättest Du mal besser auf Deine Frau gehört.
Vorher hat Gunnar nebenher in einem Spieleladen in Kassel und Göttingen gearbeitet und kannte sich schon damals “fantastisch mit Games aus; vier Jahre Zugang zu kostenlosen Spielen als Teil meines Nebenjobs waren nicht spurlos an mir vorüber gegangen“. Ich bin ihm bestimmt begegnet ohne es zu wissen. Denn so viele Spieleläden gab es in Kassel ja nicht.
Ich würde gerne etwas ganz Eigenes machen, was Kleines, total Beherrschbares, bei dem man nicht Teil einer großen Firma sein muss. Mein ultimativer Traum wäre etwas ganz Eigenes zu haben, das einen ernährt.
Gunnar Lott
Oh, da gab’s ja noch ein nettes Mini-Interview mit Gunnar zum Thema Retrogames, letztes Jahr in Hamburg aufgenommen.
Was zeichnet Stay Forever aus?
Stay Forever ist ein ganz besonderer Podcast. Ein herausragender Podcast. Aber was zeichnet SF aus? Was macht SF zum ganz besonderen Podcast?
Die Antwort ist ganz einfach. Es sind Gunnar Lott und Christian Schmidt. Die beiden sind es, die SF zu einen herausragenden Podcast machen.
Da haben sich zwei gesucht und gefunden, die sich hervorragend ergänzen, die gut harmonieren, sich gegenseitig schätzen, sich gut kennen und verstehen.
Vor allem sind sie leidenschaftliche Spieler und das spürt man in jeder einzelnen Folge. Zusammen sind Gunnar und Christian schlicht weltklasse. Sie ergänzen sich perfekt, auch wenn sie – was hin und wieder vorkommt – völlig unterschiedlicher Meinung sind. Man hört ihnen einfach gebannt zu.
Klar, trägt das schlaue Konzept dazu bei, sich auf ein Spiel zu konzentrieren. Und auch das unfassbare Spielewissen, dass beide mitbringen. Und ja, die beiden verstehen es auch, ihre Kompetenz zu nutzen, und die Stärken und Schwächen der Spiele im historischen Kontext präzise und mit überraschender Leichtigkeit herausarbeiten.
Gunnar und Christian sind eben herausragende Spiele-Redakteure, zwei Spiele-Archivare und -Bibliothekare, die ihren Podcast mit den Erfahrungen aus der GameStar-Redaktion, mit wertvollem Hintergrundwissen, langjährigen Spielerfahrungen und geistreichen Anekdoten zu einen ganz besonderen Podcast machen.
Das gelingt ihnen mit einer beneidenswerten Leichtigkeit. Ihre Dialoge sind eloquent, sprachgewandt, pointiert und witzig. Kein Gestammel, kaum nervige ähs und ehms. Das liegt auch an der sorgfältigen Nachbearbeitung und der stets guten Vorbereitung. Die Folgen sind sicher auch ungeschnitten ein Hörgenuss. Aber Christian´s Nachbearbeitung geben den Podcasts den letzten Feinschliff. Er ist offenhörbar ein Perfektionist. Dazu gehören auch die mit sehr viel Liebe zum Detail und noch mehr Liebe zum Spiel von Paul Schmidt gestalteten Podcast-Cover.
Zu der Zeit war ich selbst GameStar-Leser und schätze die beiden genauso wie die Ikonen des Spiele-Journalismus schlechthin – Heinrich Lehnhardt und Boris Schneider-Johne – mit denen ich quasi aufgewachsen bin. Gunnar und Christian stehen denen in nichts nach.
Was mir aber besonders gut an Stay Forever gefällt, ist wie die beiden miteinander umgehen: Respektvoll, so wie gute Freunde das eben tun. Sie lassen einander ausreden und fallen sich nie ins Wort.
Fazit
Stay Forver ist ein ganz besonderer Podcast. Ein herausragender Podcast. Hätte mir das doch bloß schon vorher mal jemand gesagt, dann wäre ich nicht erst bei Folge 37 eingestiegen. Ihr könnt Euch – nachdem ihr das gelesen habt – nicht mehr rausreden. Ich habe es Euch ja gesagt: Hört Stay Forever! Fangt einfach bei Folge 1 an, und dann immer weiter bis …, ja solange es Stay Forever eben gibt. Stay awhile, stay forever!
Verlinkungen sind die Würze des Internets. Also bitte StayForever.de verlinken. Das würde mich sehr freuen.
Gunnar Lott in der Podcast-Folge Ultima
Aber gerne doch Gunnar!
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