Die meisten Leser werden selbst seit frühester Kindheit Kontakt mit Computer- und Videospielen haben. Möglicherweise gab es hier und da mal eine Pause, so etwas kommt ja in den besten Familen vor.
Warum aber kehren wir immer wieder zu diesem Hobby, zu dieser Medienform zurück? Ist es die Breite an Charakteren und Genres, die uns angeboten werden oder ein Stück weit das Erhalten des inneren Kindes, dessen Spieltrieb uns kitzelt? Ist es, weil uns der Rechner den menschlichen Spielkameraden völlig ersetzten kann und uns in einsamen Stunden zur Seite steht?
„You can be my princess or you can be my whore“ heißt es im Bad Religion Song „I love my Computer“. Das führt das unschuldige Computerspiel schon in recht düstere Bahnen, oder?
Ganz klar: Letztendlich kann jede (übertrieben ausgelebte) Leidenschaft rasch in Isolation enden, aber auf diese Bahnen möchte ich hier gar nicht abbiegen. Viel mehr geht es mir um die nostalgische Komponente. Das viel jüngere Selbst, das ich mir im Spielen erhalte, das mich gleichzeitig aber auch in Kontakt mit so vielen tollen Menschen treten lässt, denen es genauso geht und das einen feuchten Kehricht darauf gibt, welcher Hautfarbe, Glaubensrichtung oder welchem Geschlecht mein Gegenüber angehört.
Für das innere Kind spielen all diese Parameter schließlich keine Rolle: Wir kommen miteinander aus, wir wollen dasselbe Spiel spielen – los geht’s. Wenn alles im Leben so einfach wäre, hätten wir eine Menge Probleme weniger auf der Welt. Natürlich sieht es in der Realität nicht derart simpel aus und freilich lässt sich das komplexe Miteinander der Menschen nicht einfach durch eine große Muliplayer-Runde Mario Kart verbessern, aber mir gefällt der Gedanke, dass es möglich wäre.
Meine Leidenschaft begann irgendwann im Herbst 1989. Die dritte Klasse hatte begonnen und ich saß mit meiner Schwester nach der Schule bei meinen Großeltern. Meine Eltern waren beide berufstätig und so verbachten wir die Nachmittage bis zum Feierabend meiner Mutter bei Oma und Opa, die 500 Meter Luftlinie vom Hort des Wissens entfernt wohnten.
An diesem besonderen Tag trug meine Mutter bei ihrer Ankunft zwei große Tüten in den Händen. In diesen schleppte sie einen C64 samt Diskettenlaufwerk, Joysticks und Software, sowie einen Monitor. Zumindest wenn ich meiner Erinnerung trauen kann, meine Mutter ist zwar eine Löwin von Frau, doch von zierlicher Statur bei 1,50 Meter Körpergröße.
Den neuen Heimcomputer präsentierte sie uns direkt vor Ort und hielt mir auch eine schicke schwarze Schachtel mit zwei bunten Dinosauriern darauf unter die Nase: Bubble Bobble.
Wir wollen dasselbe Spiel spielen – los geht’s. Wenn alles im Leben so einfach wäre, hätten wir eine Menge Probleme weniger auf der Welt.
Hardy Hessdoerfer
Die folgenden Minuten habe ich in sehr lebhafter Erinnerung: Das Betrachten der seltsamen Diskette, das kryptische Eingeben des Ladebefehls (Load „*“,8 – RUN), das Rattern des 1541-II Laufwerks – das waren für mich alles böhmische Dörfer, die schlagartig zu festen Anlaufstellen meiner Landkarte werden sollten.
Dazu trug zum einen bei, dass meine Mutter mit Bubble Bobble ganz klar eines der besten Spiele für den seeligen Brotkasten erworben hatte, zum anderen aber ebenso, dass ich dieses Spiel im Koop mit meiner kleinen Schwester gespielt habe, deren Videospielhistorie ansonsten eher kurz war und erst Mitte der 1990er nochmals kurz mit Phantasmagoria und Titanic: Adventure Out of Time aufflammte.
Damit eröffnete sich für mich aber auch ein ganz neuer Freundeskreis: Plötzlich ergaben sich Gemeinsamkeiten mit Kindern, die eben nicht in meiner Nachbarschaft wohnten oder wie ich jeden Dienstag und Donnerstag zum Judo-Training pilgerten. Wir tauschten Disketten (natürlich mit Demos und Freeware!), diskutierten über die Wertungen der Spielemagazinen und gaben uns gegenseitig Tipps, wie man knifflige Stellen am besten lösen könne.
Auch wenn sich viele Wege im Laufe des Lebens getrennt haben, einige dieser Kontakten pflege ich bis heute. Natürlich sieht man sich längst nicht mehr jeden Nachmittag nach der Schule, sondern bestenfalls einmal im Jahr zu Weihnachten, aber dann ist die Zusammenkunft ebenso verschworen, wie damals.
Das innere Kind habe ich mir also mit Sicherheit bewahrt. Auch wenn das einigen Menschen eher mitleidge Blicke entlocken dürfte, so hat es für mich durchweg positive Seiten. Die wichtigste davon ist, das nichts auf der Welt so ehrlich und bedingungslos ist, wie der Zusammenhalt zwischen Kindern, die sich miteinander verbunden fühlen.
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