Alles begann zu einer Zeit, als es noch keine Computer gab. Zumindest nicht für Normalsterbliche. Auch keine Handys, Videospielkonsolen oder ähnliches. Telefone hatten Kabel und Wählscheiben. Fernseher hatten eine Bildröhre und Ananas war ein seltenes und teures Obst. Das war 1977.
Mein Vater arbeitete damals für ein Reisebüro und hatte öfter Reisende zum Flughafen zu bringen. Oder abzuholen? Mich interessierte das gar nicht. Was mich interessierte war, dass er mich – notgedrungen, denn er konnte mich wohl kaum alleine Zuhause sitzen lassen, während meine Mutter arbeitete – zum Flughafen mitnahm. Wer jetzt denkt ich war fasziniert von Flugzeugen und dem ganzen Kram, hat sich leider getäuscht. Auch für hübsche Stewardessen, so nannte man die weiblichen Flugbegleiter damals noch, war ich noch zu jung. Ich war acht Jahre alt. Mich interessierten die Videospielautomaten! Die waren zu dieser Zeit noch zahlreich überall aufgestellt.
Damit ich meinem Vater nicht auf die Nerven ging und er sich um seine Leute kümmern konnte, gab er mir ein paar Mark und ich sollte mich damit zu einem der Spielautomaten verziehen. Übrigens war meine Mutter schockiert, als sie davon erfuhr: Mein Vater lies mich als kleinen Knirps ganz allein auf dem Frankfurter Flughafen herumlaufen. Sie erfuhr es zum Glück erst jetzt, sonst wäre die Ehe wohl noch früher in die Brüche gegangen. Aber das ist eine andere Story.
Ich erinnere mich an zwei Spielhallen im Frankfurter Flughafenterminal. Eine im Untergeschoss bei der Ankunft, ganz hinten in der Ecke, die gibt‘s sogar heute noch. Und eine zweite im Erdgeschoss beim Abflug, dort war ich meistens Damals waren Videospiele für jeden zugänglich. Nix mit FSK und solche Scherze. Bei der groben Pixelgrafik ist wohl niemand auf die Idee gekommen, dass man damit Jugendliche gefährden könne. Ist ja auch Quatsch. Die Erziehung gefährdet die Jugendlichen, nicht die Videospiele. Aber auch das ist ein anderes Thema. Die Automaten standen jedenfalls frei zugänglich herum, niemanden interessierte es, wer da spielte oder wie alt einer war.
Zusätzlich zu den Spielhallen gab es an verschiedenen Plätzen im Terminal, einfach so an diversen Ecken, noch einzeln aufgestellte Videospielautomaten. Das ging mit ganz primitiven schwarz-weiß Grafik Autorennspielen los. Die Farbe wurde durch farbige Folien erzeugt, die den Bildschirm überdeckten. Oder Autorennspiele, die sogar noch mechanisch funktionierten, also ohne einen richtigen Bildschirm. Speed King – was man da sah war eine beleuchtete Scheibe, die sich drehte und durch optische Vergrößerung die Rennstrecke darstellte. Das eigene Auto war aus Pappe ausgeschnitten an einer Stange angebracht, die durch das Lenkrad vom Spieler nach links und rechts bewegt werden konnte. Keine Ahnung wie da die Kollision mit dem Straßenrand gecheckt wurde. Jedenfalls war das Spiel ziemlich frustrierend aber dennoch bombastisch – für einen acht Jahre alten Jungen zu dieser Zeit.
Die Erziehung gefährdet die Jugendlichen, nicht die Videospiele.
Yoda Zhang
Tailgunner war auch eines der ersten beeindruckenden Spiele. Einfarbige Vektorgrafik in simulierter 3D-Ansicht. Man schaut quasi hinten aus einem Raumschiff heraus und muss die in Dreiergruppen angreifenden Jäger abschießen. Diese fliegen in immer komplizierteren und schnelleren Mustern umher und verschwinden dann irgendwann. Ein sehr einfaches Spielprinzip, aber damals durch die quasi 3D-Grafik schon sehr beeindruckend.
Später gab es da auch Galaxian, Asteroids und die ganzen anderen Klassiker. Als kleiner Junge war ich natürlich nicht in der Lage, mit einer Mark länger als zwei Minuten zu überleben. Das machte aber gar nichts, denn die Spiele waren auch beim bloßen Zuschauen schon so faszinierend, dass mir nicht langweilig wurde. Videospielautomaten hatten ja den sogenannten „Attract-Mode“, also eine Demonstration des Spieles, damit der potentielle Spieler sehen konnte, wie das Spiel aussieht und zum Spielen animiert wird.
Diese Demo konnte ich mir wieder und wieder ansehen, ich verinnerlichte jeden einzelnen Pixel. Und immer wenn ich glaubte das Spiel jetzt vollständig begriffen zu haben, traute ich mich, eine Münze einzuwerfen und eine Runde zu wagen. Und tatsächlich dauerte auch diese wieder höchstens zwei Minuten. Das war Adrenalin pur! Wenn ich dann nach einer Stunde zu meinem Vater zurückkam wunderte er sich immer, dass ich mit viel Geld – drei Mark – nur so kurz Spielen konnte. Er wusste ja gar nicht dass ich die ganze Zeit nur zuschaute und das eigentliche Spiel nur so kurz war.
Er hätte mir mit Sicherheit kein Geld mehr gegeben, wenn ihm das klar gewesen wäre.
Buch: Level 1 – Gulp, Kapitel 1, Seite 17
GULP SPLAT ZONG – DAS BUCH
Dieser Text ist Yodas Buch „Gulp Splat Zong“ entnommen.
Dank seiner Lektüre werden wir nicht nur in die ersten Sternstunden der Arcade-Automaten in Deutschland zurückversetzt, sondern erinnern uns an Atari VCS Klassiker wie Haunted House und an das schier endlose Abtippen von BASIC-Listings in den goldenen Tagen der Heimcomputer. Bei uns könnt ihr verschiedene Texte von Yoda lesen; sein Buch in gedruckter Form könnt ihr direkt auf seiner Webseite erwerben.
Wir versprechen: es lohnt sich!
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