Kämpfe und knoble dich mit Aarona durch verschiedene actionreiche Welten. Es erwarten dich fiese Gegner, Rätsel, knifflige Hüpfpassagen und jede Menge versteckter Geheimnisse, die es zu entdecken gilt.
Link zum Spiel
Wer meinen letzten Artikel hier auf Videospielgeschichten gelesen hat, kennt meine Leidenschaft für Videospiele. Schon früh in meiner Kindheit habe ich mich in Games wie The Legend of Zelda: A Link to the Past, Snake Rattle ’n‘ Roll und Top Gear fasziniert durch digitale Welten bewegt.
Während ich mich hauptsächlich für Konsolen interessierte (Plug and Play) und mir über die Jahre ein stabiles Wissens-Fundament über deren Einfluss in der Popkultur aufbaute, blieb mir das PC-Gaming mit einigen wenigen Ausnahmen verwehrt.
Zwei dieser Ausnahmen waren Rick Dangerous und Prince of Persia. Mit staunenden Augen saß ich Anfang der 1990er Jahre bei meinen Schulfreundinnen Carolin und Ramona vor dem PC, um die knackschweren Levels des Abenteurers Rick in und auswendig zu lernen. Anders waren die – auf Trail and Error ausgelegten – Levels nämlich nicht zu meistern.
Etwas gemächlicher ging es bei dem Prinzen zu, den man durch klar definierte Plattform-Levels steuert, um die Tochter des Sultans zu befreien. Vor allem die damals ultra-realistischen Animationen der Figuren ließen mir die Kinnlade nach unten klappen. Entwickler Jordan Mechner hatte sie durch das sogenannte Rotoskopie-Verfahren kreiert, indem er seinen Bruder abfilmte und die einzelnen Standbilder in Pixel übertrug. Meine Liebe zu Plattformern, mit ihren schnell zu erlernenden Spiel-Mechanik, habe ich wohl in dieser wunderbaren Zeit entwickelt.
![Jordan Mechner verwendete Videos seines Bruders als Referenz für die Originalanimation des Spiels [1]](https://www.videospielgeschichten.de/wp-content/uploads/2023/02/Prince_of_Persia_1_-_MS-DOS_-_Gameplay.gif)
Die Angst vor dem Unbekannten
Dass ich einmal selbst Games entwickeln würde [2], habe ich mir nie träumen lassen. Wenn sich Freunde Anfang der Neunziger Jahre über erste Gehversuche am C64er unterhielten, ellenlange Zahlenkombinationen aus Games-Zeitschriften abtippten und sogar eigene kleine Programme schrieben, hörte ich zwar interessiert zu, konnte die ganzen Ausdrücke und Fachtermini aber in meiner Imagination nicht in bunte Welten übersetzen.
Bei Begriffen wie „Programmieren“ und „Coden“ tanzen mir heute noch Fragezeichen über dem Kopf. Als ich im Zuge meiner Elektrikerausbildung für meine Lehrabschlussprüfung einmal eine kleine Steuerung „programmieren“ musste, lief mir der kalte Schweiß über den Rücken. Mein Gehirn – so meine Schlussfolgerung – war für das „Denken in Zahlen“ einfach nicht konzipiert. Mit Wörtern, ja, damit konnte ich etwas anfangen. Sie sind für mich – wenngleich ebenso abstrakt – greifbarer und plastischer. Ein wunderbares Instrument, um mich auszudrücken und Welten zu kreieren.
Aber alles, was aus 0en und 1en und Klammern und Tastenkürzeln bestand, speicherte ich in meinem Kopf unter den Dingen ab, die mir in diesem Leben verwehrt bleiben würden. Wie eine Reise nach Amerika (panische Flugangst) oder eigene Kinder (bin jetzt leider schon zu alt). Kurz: Software-Entwicklung war mir schlicht zu kryptisch, zu sperrig, zu hoch. Mein Platz war definitiv nicht an der Tastatur, sondern vor dem Fernseher. Und das mit einem Controller in der Hand.

Die Reise beginnt
Als ich 2016 die ersten Ideen zu meinem Kinderbuch hatte, dass eine junge Let’s Playerin in den Mittelpunkt rückte, keimte jedoch die Idee in mir auf, das ganze durch ein simples Videospiel zu flankieren. LeserInnen sollten ebenso wie Lina Knut das geheimnisvolle Land Onitrea kennenlernen. Also unterbreitete ich meinem damaligen Arbeitgeber Ubisoft das Konzept eines 2D-Plattformers, in dem man sich rätselnd und kämpfend durch die Levels bewegt. Die abenteuerliche Geschichte ist hier auf Videospielgeschichten nachzulesen.
In meiner naiven Spontanität fragte ich auch bei einigen kleinen Gamestudios an, ob es dort Interesse und Kapazitäten für die Umsetzung eines Aarona-Spiels gab. Denn – so meine naive Vorstellung – mein Buch Lina Knut würde in den kommenden Monaten zu einer globalen Marke anwachsen, die sich durch ein zusätzliches Videospiel optimal vermarkten lassen würde. Wer wolle da nicht etwas vom Kuchen abhaben?

Klar, das war nichts als Wunschdenken und tief in mir wusste ich natürlich, dass Niemand ein komplettes Videospiel für mich programmieren würde. Dennoch, je älter ich werde, desto mehr Gefallen finde ich daran, meine Ideen und Visionen freiheraus zu kommunizieren. Auch wenn vieles im Sand verläuft.
Die Idee für ein Videospiel hielt sich dennoch hartnäckig in meinem Kopf. Über die Jahre guckte ich immer wieder mal sporadisch, auf welchem Stand sich die Spielentwicklung befand und ob es mittlerweile Tools gab, die es auch Noobs wie mir ermöglichte, sich – zumindest rudimentär – in die Welt der Spielentwicklung zu wagen.
Das richtige Tool
Im September 2022 war es dann so weit. Kurz nach meiner Buchveröffentlichung surfte ich ein wenig im Internet und stieß auf den Namen gdevelop. Dabei handelte es sich um ein einfach zu lernendes Programm zum Entwickeln von Videospielen. Und das Beste: Das Ganze sollte komplett ohne Coden möglich sein. Die Software nutzt eine eventbasierende visuelle Programmsprache, die es AnwenderInnnen ermöglicht, Spielmechaniken überwiegend durch grafische Elemente und kausale Verknüpfungen zu realisieren.
Eine Gameplay-Mechanik wie die Konfrontation mit einem Gegner kann schnell und simpel umgesetzt werden. Das sieht dann in etwa so aus: „Wenn „Spielfigur“ ist in Kollision mit „Gegner“, dann „verliert“ Spielfigur ein Lebensherz. Es ist eine Wechselwirkung aus „Voraussetzungen“ und den daraus resultierenden „Actions“, mit denen sich alle erdenklichen Mechaniken umsetzen lassen. Die Benutzeroberfläche wird dabei durch Textblöcke und Grafiken visualisiert, was deutlich zur Übersichtlichkeit beiträgt und auch für einen Noob wie mich verständlich ist.

Ein weiterer Vorteil. Gdevelop ließ sich ganz einfach im Browser starten. Mittels eines kurzen Erklärvideos wurde ich in die ersten Schritte eingeführt und schon nach etwa einer Stunde hatte ich meinen ersten kleinen Plattformer „programmiert“. Nun ja, ich hatte nicht viel mehr getan als ein bestehendes Jump ’n‘ Run genommen und die Spielfigur gegen meine Pixel-Aarona ausgetauscht.
Dennoch, es fühlte sich richtig cool an, meine kleines Waldläuferin in ihren vier Animationsphase durch den Level staksen zu sehen. In mir keimte wieder jene alte Leidenschaft auf, die mich in jungen Jahren oft durchdrungen hatte, wenn sich das hektische Treiben in der Welt auf einen klaren Gedanken konzentriert, der dann für eine kurze Zeit der Mittelpunkt unserer Welt ist.
Feldforschung
Voller Faszination erarbeitete ich mir das Programm und klickte mich durch die Parameter. Auf Knopfdruck ließ sich z.B. die Schwerkraft im Level verändern und Aarona schwebte wie einst Luigi in Super Mario Bros. 2 über die Plattformen. Das Anpassen der Größenverhältnisse, das Installieren von neuen lustigen Sounds oder ein aggressiveres Gegnerverhalten – alles war nur ein paar Mausklicks entfernt. Eine völlig neue Spielwiese tat sich vor mir auf. Doch aus großer Macht folgt große Verantwortung. Rasch merkte ich, dass willkürliches Vorgehen kein gutes Spieldesign ergibt. Ich musste also erst die Regeln lernen.

Also war Feldforschung angesagt. Ich schnappte mir meine Nintendo Switch und daddelte mich durch eine Menge Games, um dem Geheimnis guter Plattformer auf die Schliche zu kommen. Ori and the Will of the Whisps, Ender Lilies – Quietus of the Knights, Metroid Dread, Castlevania und Infernax – immer wieder Infernax, ein bestialisch guter Retro-Plattformer im Pixel-Look. Und je mehr ich spielte, desto mehr wuchs meine Bewunderung für all jene Menschen, die Videospiele machten. Es ist eine Mammutaufgabe, seine Ideen zu visualisieren, an Grafiken und Sounds zu tüfteln, Bugs zu beheben, den Ballast abzuklopfen und immer wieder feinzutunen, um dem Game am Ende seine Berechtigung und somit Identität zu geben.
In meinem naiven Eifer machte ich naturgemäß viele Fehler. Ich lud viel zu große Dateien in das Spiel: riesenhafte JPGs, megabyte-große Grafik-Assets und gewaltige Wave-Audio-Dateien, die das Spiel langsam machten und lächerlich viel Speicherraum benötigten. Ich arbeitete wie ein Elektriker, der eine Mauer aufstemmt, um ein komplexes neues Kabelsystem zu integrieren. Aber anstatt von Grund auf ein stabiles und übersichtliches Stromnetz zu installieren, hängt er seine Drähte einfach an die alten Kabel, in der Hoffnung, dass das ganze Konstrukt irgendwie weiter funktioniert.
Mit jeder neuen Grafik, die ich einfügte, mit jeder neuen „Regel“, die ich „programmierte“ wuchs meine Befürchtung, das abenteuerliche Konstrukt würde in sich zusammenbrechen. Schon nach wenigen Tagen hatte ich ein frankensteinsches Monstrum erschaffen. Ein aus vielen Teilen zusammengestückeltes Machwerk aus Pixel-Assets, selbstgezeichneten Animationen, hastig entworfenen Hintergründen und minderwertigen Audio-Files – nur lose zusammengehalten von gut sichtbaren spielmechanischen Nähten.

Qualitätskontrolle
Also unterzog ich meinem Spiel eine notwenige Rosskur. Ich entfernte Duplikate, löschte unpassende Grafiken, führte verstreute „Regelsätze“ zu einheitlichen „Blöcken“ zusammen und versuchte, aus dem digitalen Flickenteppich ein homogenes Ganzes zu kreieren. Von unschätzbarem Wert waren mir dabei YouTube-Tutorials und die Community, die ich als sehr hilfsbereit und lösungsorientiert kennenlernte.
Und dann war es plötzlich da. Das von mir so sehr geliebte World Building, das ich normalerweise nur von meiner Tätigkeit als Autor kenne. Wenn sich vage Ideen zu stabilen Konstrukten zusammenfinden und die vielen kleinen Zahnrädchen immer mehr ineinandergreifen. Mit verhältnismäßig wenig Aufwand konnte ich phantastische Welten kreieren, sie mit Verbündeten und Feinden bevölkern, die Witterung bestimmen und kleine Rätsel einfügen.
Wie erreicht man jene Plattform? Ist diese Sprungpassage auch nicht zu schwierig? Was hat sich hier in der Vergangenheit abgespielt? Je nach Musikeinsatz konnte ich diese Welten bedrohlich oder friedlich wirken lassen. Kaum hatte ich eine Spiele-Mechanik verstanden, grübelte ich über der nächsten. War ein Level abgeschlossen, baute ich den nächsten, längeren, komplexeren. Wichtig war mir, das Spiel nicht zu einfach zu machen. Es sollte durchaus eine Herausforderung bieten und auch für geübte GamerInnen anspruchsvoll.

Von Freunden und Beschränkungen
Kennt ihr auch Menschen, die popkulturell immer am Puls der Zeit sind und jeden noch so kleinen Indie-Titel, jede noch so kauzige Metalband und jeden noch so trashigen Horrorfilm kennen? Mein Kindheitsfreund Julian [3] gehört eindeutig zu dieser Gattung. Während ich über drei Monate sieben Tage die Woche an meinem Plattformer werkelte, hielt ich mir die Donnerstagabende frei, um mit Julian meine Fortschritte zu besprechen und ihm die aktuelle Version von Aarona vorzuspielen. Das Probespielen förderte immer wieder Bugs und Probleme zu Tage, die ich allein nur zu leicht übersah.
Bei einer Flasche Wein ließ ich mir anschließend eine Menge Games und Filme zeigen, die Julian gleich einem Kurator angesammelt hatte. Return oft he Obra Dinn, The Messenger, Papers, Please oder Baba Is You führten mir einmal mehr vor Augen, wozu wirklich großartiges Game-Design imstande war. Kleinere Filme wie Skinamarink, Deadstream oder Exordium inspirierten mich in meinem Vorhaben, das Videospiel fertigzustellen.
Viele Ideen konnte ich schlussendlich aber aufgrund mangelnder Expertise nicht umsetzen. So wollte ich, dass Aarona mit ihrem Ezku-Bogen angreift: die Standartwaffe der Waldläuferinnen. Doch die Implementierung einer Schuss-Mechanik überstieg mein Wissen um ein Vielfaches, weshalb ich mich für eine simple Super Mario-Mechanik entschied. Jetzt kann Aarona Gegner einfach durch Auf-dem-Kopf-Hüpfen besiegen.
Auch ein Power-Up-System schien mir reizvoll. Wie cool wäre es, wenn Aarona im Spielverlauf verschiedene „Tränke“ findet, mit denen sie höher springen, unter Wasser tauchen oder sich gar in Tiere verwandeln kann so wie einst in Little Nemo: The Dream Master. An Ideen mangelte es mir nicht. Immerhin kann sich meine mutige Waldläuferin an bestimmten Stellen im Spiel schrumpfen, um geheime Areale zu erreichen.

In den letzten Wochen habe ich dann noch einen Doppelsprung (ein Plattformer ohne Doppelsprünge in möglich, aber sinnlos) sowie eine Zeitmessung „programmiert“, um das Spiel auch für Speedrunner interessant zu machen. Auch kann man jetzt in manchen Levels kleine Kopfnüsse finden (Schlüssel- und Verschieberätsel) und das eine oder andere Easter-Egg habe ich natürlich auch verbaut. Zu guter Letzt habe ich noch einen Trailer gemacht.
Der Schatz im Spiel
Herzstück des Spiels ist aber der Schatz[ 4], der im Spiel versteckt ist. Wer aufmerksam spielt und gut kombiniert kann im Spiel einen realen Schatz „freischalten“. Als großer Fan von Schnitzeljagten sowie den überaus faszinierenden „Armchair Treasure Hunts“ konnte ich es mir nicht verkneifen, mit meinem ersten digitalen Spiel die Brücke zur echten Welt zu schlagen und habe für findige EntdeckerInnen ein Rätsel geschaffen. Alles was dazu benötigt wird, findet ihr – gut versteckt – im Spiel. Details findet ihr hier in diesem Video.
Viel Spaß beim Entdecken und Miträtseln.

Infos: Um das beste Spielerlebnis zu garantieren solltest ihr beim Spielen auf eine gute Internetverbindung achten und einen aktuellen Computer benutzen. Sollte das Spiel ruckeln oder die Sounds zu spät abspielen, ladet das Spiel einfach neu oder versucht es über einen anderen Internet Browser.

Das Spiel ist immer noch weit entfernt, ein professioneller Spieletitel zu sein. Oft genug bricht die Framerate gut sichtbar ein und Audio-Sounds laden an den falschen Stelen, aber – und das schien mit bei dem Experiment am wichtigsten – Aarona lässt sich doch erstaunlich gut spielen. Vorausgesetzt man daddelt mit der Tastatur auf einem modernen PC oder MAC. Aarona lässt sich auch auf Smartphone/Tablet spielen, aber mit Touchscreen gesteuert, leiden derartige Plattformer naturgemäß unter der unpräzisen Steuerung.
Nahezu alle Grafiken im Spiel sind Assets von freundlichen Usern, die ihre Kunstwerke kostenlos auf Itch.io zu Verfügung stellen. Ohne deren selbstlosen Taten wäre mein Vorhaben schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt gewesen. Auch die Musik und Soundeffekte verdanke ich der Community. Einige wenige Monster und Animation habe ich schließlich selbst in Grafikprogrammen wie Paint und Photoshop zusammengebastelt.
Quellenangaben und weiterführende Links
- [1] The video game was ran through an emulator (Dosbox 0.70), that exported a recording in avi format, which was edited and converted to gif format by myself., CC BY-SA 4.0, Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=78726146
- [2] Aarona – das Pixel Game bei itch.io
- [3] Julian hat auch den superben englischen Trailer für mich eingesprochen: hier
- [4] Alles zur Schatzsuche: hier
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