Mit Sea of Stars ist dem Entwicklerstudio „Sabotage Studio“ ein tolles Spiel gelungen. Wer sich wie ich in den 90er Jahren nach der Schule in Spiele wie Chrono Trigger, Secret of Mana oder Final Fantasy verloren hat und generell ein Freund der JRPGs der alten Schule ist, ist hier genau richtig.
Der Trend, alte RPGs wieder aufleben zu lassen, ist ungebrochen. Die Liebhaber der Klassiker der 90er Jahre werden immer wieder von Entwicklern als Zielgruppe fokussiert, speziell in der Indieszene. Man denke zuletzt an Chained Echoes, das Ein-Mann-Projekt aus Deutschland, das mit Lob überschüttet wurde. Und selbst Nintendo legt das Super Mario RPG neu auf. Nun bringen uns die Macher des Indie-Hits The Messenger die nächste Indieperle: Sea of Stars.
Klassische Story mit Tiefgang
Die Story nutzt hier den klassischen Coming of Age-Ansatz: Zwei Kinder mit besonderen Fähigkeiten sind auserkoren, gegen das Böse anzutreten und man begleitet sie auf ihrer Reise. Dabei erwerben sie nicht nur immer mehr Fähigkeiten, sondern lernen neue Freunde kennen, vertiefen die Beziehungen untereinander und müssen sich (Achtung: Spoiler!) sogar mit dem Tod von geliebten Menschen auseinandersetzen.
Gerade in diesem Storyteil findet Sea of Stars einen angenehmen Rythmuswechsel und gibt sowohl den Charakteren als auch mit ihnen dem Spieler die Möglichkeit zur Reflexion. Die Story hat darüber hinaus einige interessante Twists, so dass Charaktere, die man anfangs noch in klassischen klischeebehafteten (pun intended!) Rollen vermutet, sich später in gänzlich anderer Form offenbaren und damit neue Storystränge anstoßen.
Interessant ist der Ansatz, dass den Helden Valere und Zale die Attribute „Tag“ und „Nacht“ bzw. „Sonne“ und „Mond“ zugeteilt sind. Spielmechanisch sind sie dann ab einem gewissen Zeitpunkt nämlich in der Lage, den Tag/Nacht-Wechsel zu beeinflussen und dadurch zum Beispiel Rätsel zu lösen. Auch schön: Die Musik „beruhigt“ sich in der Regel, sobald die Abenddämmerung einsetzt, während das musikalische Thema gleich bleibt.
Abwechslung bieten die kurzen Zeichentricksequenzen im Stile der Animeserien der 80er- und 90er-Jahre. Diese kommen an relevanten Storypunkten zum Einsatz, etwa, wenn ein Boss eingeführt wird.
Bewährte Elemente aus anderen JRPGs
Das Kampfsystem erinnert an eine Mischung aus Chrono Trigger und Mario RPG: Statt von einem in den nächsten repetitiven Zufallskampf zu fallen, kann man zum Beispiel Gegnern ausweichen. Im Kampf kann man dann durch gutes Timing die eigenen Attacken verstärken und gegnerische Angriffe abfedern.
Die Entwickler haben neben den Zufallskämpfen auch viele weitere Ärgernisse alter JRPGs vermieden: Statt zwischen Kämpfen immer auf die Lebensenergie achten zu müssen, kann man einstellen, dass diese zu Beginn jedes Kampfs wieder 100%ig hergestellt wird. Magiepunkte können im Kampf durch einfache Attacken regeneriert werden und produzieren zudem noch magische Kugeln, die von der Party genutzt werden können, um ihre Angriffe noch wirkmächtiger zu machen.
Zudem gibt es Kombos, die verschiedene Partymitglieder nach ausreichend ausgeteiltem und erlittenem Schaden nutzen können, um unterschiedlichste Attacken oder Heilmechaniken auszuführen. Und ergänzend sorgt ein „Schlosssystem“ für Abwechslung, wie man es in ähnlicher Form zum Beispiel von Octopath Traveller kennt.
Zwischendurch müssen im Spiel immer wieder kleine Rätsel gelöst werden, die in der Regel aber keinen hohen Schwierigkeitsgrad besitzen: Hier einen Block verschieben, da eine Sprungpassage merken, dort die Nacht zum Tag machen.
Bossfights
Die Bosse im Spiel sind interessant gestaltet und bieten abwechslungsreiche Kämpfe. Klar, das Rad wird auch hier nicht neu erfunden. So gibt es immer mal wieder den klassischen Sidekick, der den Boss heilt, während der zweite Unterstützer Monsterattacken aufbaut. Aber das stört nicht, da diese Mechanik ja nicht ohne Grund auch in der Vergangenheit bereits gut funktioniert hat.
Progression und Minispiele
Die Charakterprogression ist angenehm und nimmt erst gegen Ende etwas sprunghaft zu. Sea of Stars bietet auch leichte Metroidvania-Anleihen wie man sie zum Beispiel aus dem SNES-Klassiker A Link To The Past kennt: Sind Bereiche zu Beginn noch nicht erreichbar, ermöglichen es Questgegenstände der Party im Laufe des Spiels, zu immer mehr Bereichen der Welt vorzudringen. Angenehm außerdem: Der Skilltree ist deutlich reduziert, so dass man gar nicht groß in Versuchung kommt, noch ein paar Stunden Grinding einfließen zu lassen, um für die nächste Gegnerwelle gewappnet (oder overpowered) zu sein.
Was dem Witcher sein Gwint oder Final Fantasy VIII sein Triple Triad ist Sea of Stars das spaßige Spiel „Räder“. Hier kann man im Verlauf der Story immer wieder gegen Kontrahenten antreten, die den Helden nach erfolgreichem Duell Verbesserungen für das eigene Setup anbieten. Bei „Räder“ geht es darum, mithilfe zweier zu Beginn gewählter Figuren mit unterschiedlichen Eigenschaften das Schloss des Gegners anzugreifen und dessen Counter auf Null zu setzen. Hierzu werden die namensgebenden Räder in einer Art Slotmachine drei mal gedreht und man kann einzelne Räder nach jedem Dreh feststellen. Ein wirklich spaßiger Zeitvertreib für zwischendurch.
Bildergalerie









Fazit
Sea of Stars ist ein gelungenes Wiederaufleben der klassischen JRPGs der frühen 90er (Chrono Trigger, Lufia, Final Fantasy) mit einer spannenden Story, angenehm reduziertem und dennoch eingängigem Kampfsystem und individuell adaptierbarem Schwierigkeitsgrad. Vom Cozy Gaming bis zum Hardcore Gaming ist alles drin. Für Rollenspielfans der 16-Bit-Ära der 90er Jahre eigentlich ein Muss, gerade zu diesem Preis.
Positiv
- Wunderschöne Grafiken im 16-Bit-Stil mit hohem Detailgrad und flüssigen Animationen
- Tolle Musik, die die Spielszenerie wunderbar untermalt
- Coole Zwischensequenzen im Anime-Look
- Interessante Story mit überraschenden Twists, die sich auch nicht davor scheut, das Thema Tod zu thematisieren
- Angenehmes Aufbauen der Zugangsoptionen auf der Weltkarte, vom Erkunden per pedes über das Reisen mit Riesen, den klassischen Seeweg bis hin zum körperlosen Flug durch die Landschaft
- Sehr angenehmer Schwierigkeitsgrad, der dem jeweiligen Spielstil über Relikte individuell anpassbar ist
- Nettes Minispiel „Räder“, das auch nach dem 30. Mal spielen nicht langweilig wird und seine eigene Progressionsmechanik mitbringt
Negativ
- Mitunter längere Wege ohne „ToDos“ (Gegner, Rätsel) ermüden etwas
- Die Rätsel sind mitunter etwas einfach
- Das Backtracking bei Sidequests und (optionale) Suchen von Questobjekten wie Muscheln ist mitunter anstrengend,
- Da Gegner nicht mitleveln und das Niedermähen von völlig unterlegenen Gegnern einfach nur zum Zeitfresser verkommt
Links
Habt Ihr Sea of Stars schon gespielt? Nintendo bietet für die Switch zum Beispiel eine Demo an, mit der man sich einen guten Überblick verschaffen kann. Was haltet Ihr von diesem Werk und dem Revival des Genres im allgemeinen? Was waren früher Eure Lieblingsspiele auf SNES, Megadrive und Co.?
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