Lotek64 ist eine Zeitschrift über Retrocomputing aus Österreich, die es seit 2002 gibt. Wenn man das Projekt nicht kennt und zum ersten Mal eine Ausgabe in den Händen halt, wird man von der Hingabe und Detailtiefe förmlich erschlagen.
Höchste Eisenbahn also, dass wir einen Blick hinter die Kulissen der Lotek64 werfen und die vergangenen 15 Jahre mit einem ausführlichen Interview feiern. Dafür hat uns der Herausgeber, Georg Fuchs, seine Zeit geschenkt.
Übrigens: bevor ihr nun fragt, wofür der Name Lotek64 steht, kommt hier die Antwort, die auch in der Ausgabe 50 des Magazins nachzulesen ist. Dort schreibt Georg: „Lotek64 – dieser Name stammt aus der Kurzgeschichte Johnny Mnemonic von William Gibson, wo er eine Gruppe von Hacker-Guerilleros („Low-Tecs“) bezeichnet, die in einem düsteren, aber technologisch hochgerüsteten Anti-Utopia einen Piratensender betreiben.
Die Verfilmung aus dem Jahr 1995 bietet neben Keanu Reeves unter anderem Dolph Lundgren, Udo Kier und Henry Rollins auf, das genügte mir als Referenz für ein Magazin, das nach meiner Vorstellung zwischen Retrotrash und ernster Anti-Mainstream-Attitüde angesiedelt sein sollte.“
Interview vom 13. Januar 2017
André Eymann: Eure Publikation steckt voller Leidenschaft und Informationen. Wie kam es dazu? Was war der initiale Zündfunke für die Lotek64? Kannst Du uns diesen Moment beschreiben?
Georg Fuchs: Ich bin in den 80er-Jahren aufgewachsen und bekam Ende 1984 meinen ersten Heimcomputer, einen Commodore 16. Im Laufe der Jahre folgten ein C64 und ein C128, als der C64 kaputt wurde, später ein Amiga 500. Commodore-Computer haben meine Jugend also maßgeblich geprägt und ich habe mich leidenschaftlich mit ihnen beschäftigt.
1994 bin ich auf einen PC umgestiegen, der ein reines Arbeitsgerät war. Nach fünf oder sechs Jahren habe ich aus nostalgischen Gründen die alten Heimcomputer wiederentdeckt und mich sehr intensiv mit ihnen beschäftigt, vor allem aber die alten Spiele wieder gespielt.
Das war noch ein paar Jahre, bevor es einfach möglich wurde, im Internet Leute mit ähnlichen Interessen zu finden. Die Zeitschrift Go64! gab es noch, aber ich hatte noch nie von ihr gehört. So ist über einige Wochen die Idee gereift, eine Zeitschrift zu gründen. Ich hatte immer nur ein reines Hobbyprojekt ohne große Verpflichtungen im Auge. Nachdem ich nicht genau wusste, wie ich Mitarbeiter finden sollte, habe ich dann irgendwann einfach ein paar Artikel geschrieben und sie mit PageMaker in Form gebracht.
Dazu ein Logo und dann wurde das Ergebnis auf die billigst mögliche Art gedruckt. Ein paar Interessierte kannte ich ja, auch eine Yahoo-Gruppe hatte ich ins Leben gerufen, die bekamen die erste Ausgabe von Lotek64 dann zugeschickt. Das muss Anfang 2002 gewesen sein. Ich war sehr stolz auf mein Baby, auch wenn die Ausgabe eher bescheiden war.
Im Sommer 2002 war ich dann bei der Vision in Hamburg und habe einige Exemplare der zweiten Ausgabe verteilt. Dadurch bin ich zu vielen neuen Kontakten gekommen. Inzwischen war es auch einfacher geworden, sich via Internet mit anderen zu vernetzen und neue Kontakte zu knüpfen.
Welche Systeme und Spiele haben Dich geprägt?
Das prägendste System für mich war, ist und bleibt der C64, danach der Amiga. Gespielt habe ich in unterschiedlichen Phasen meines Lebens verschiedene Genres. Am C64 waren es die Epyx-Sportspiele, denen ich viel Lebenszeit geopfert habe, aber auch Textadventures von Infocom und Magnetic Scrolls habe ich mit viel (zu wenig) Geduld gespielt.
Titel, die mich wirklich geprägt haben: Donkey Kong, Winter Games, Impossible Mission, Jinxter, Giana Sisters, Superfrog, Yoshi’s Island, die meisten Mario-Spiele, Duke Nukem 3D, Donkey Kong 64, Diablo. In etwas jüngerer Vergangenheit gefallen mir die meisten Assassin’s-Creed-Titel recht gut, aber als Mittvierziger ist mir offenbar die Begeisterungsfähigkeit abhandengekommen, mit der ich früher technischen Neuerungen am Spielesektor begegnet bin.
Welche Ziele der Lotek64 liegen Dir persönlich am Herzen?
Mir war es immer wichtig, dass Lotek64 ein Freizeitprojekt bleibt. Ich wollte meine Freizeit nie mit dem Eintreiben von Geld und Einhalten von Deadlines verbringen, sondern mich einfach mit alten Computern und Konsolen beschäftigen und darüber schreiben. Dabei hatte ich einen gewissen Qualitätsanspruch vor Augen: Die Texte sollten allgemein verständlich, aber nicht oberflächlich oder sprachlich unerträglich sein.
Viele Webseite pflegten damals einen sehr elitären Anspruch und ließen „Normaluser“ außen vor. Mich hat immer die persönliche Seite interessiert, nicht nur die technische. Warum haben Computer so viele Menschen meiner Generation fasziniert, und welchen Einfluss haben sie auf ihr Leben gehabt? Dem wollte ich in den ersten Ausgaben nachgehen.
Wie hat sich das Lotek64-Team gefunden und entwickelt? Gab es viele Veränderungen in den letzten 15 Jahren?
Nach fünf oder sechs Ausgabe, die ich mehr oder weniger im Alleingang produziert habe, wurde mir mein Hobby zu mühsam. Ich habe also alle meine Kontakte aufgerufen, sich an Lotek64 zu beteiligen. Ich habe nicht viele Rückmeldungen bekommen, aber die, die sich gemeldet haben, sind bis heute der Kern geblieben.
Im Laufe der Jahre gab es eine große Fluktuation, viele Mitarbeiter und Autoren sind gekommen und wieder gegangen. Meistens sind persönliche Gründe ausschlaggebend, mit zunehmendem Alter fehlt vielen die Zeit, um neben Job und Familie noch ein relativ zeitraubendes Hobby zu pflegen.
Viele von uns kennen sich gar nicht persönlich, arbeiten aber seit fast 15 Jahren regelmäßig zusammen. Das ist faszinierend! Einen ernsten Streit haben wir in der Redaktion in all den Jahren nie erlebt. Ob das auch so wäre, wenn wir eine kommerzielle Publikation wären? Keine Ahnung.
Wie läuft der Redaktionsprozess bei euch? Habt ihr einen roten Faden für jede Ausgabe, oder wird „wild gesammelt“? Wie ist das Verhältnis Team-Texte zu „Texte von außen“?
Unser wichtigstes Instrument ist eine „Oldschool“-Mailingliste. Wir versuchen meistens, für eine Ausgabe ein Konzept zu machen, aber letztendlich hängt es immer davon ab, wer Lust und vor allem Zeit hat. Fixpunkte sind Steffens Musikkolumne, Tims Newsticker, Simons Retro Treasures, Martins SIDologie und Lo*bert. Die Rückseite gestalten wir abwechselnd. Alles andere entsteht entweder spontan oder in Absprache mit anderen Redaktionsmitgliedern. Besonders stolz bin ich auf Artikel, die als Gemeinschaftsarbeit entstehen, zuletzt die umfangreiche Gameshow-Geschichte in Ausgabe 53.
Gewöhnlich legen wir einen Redaktionsschluss fest, und bevor das Layout beginnt, nimmt sich Lektor Arndt die Texte vor. Jens kümmert sich um die Veröffentlichung auf unserer Webseite, die uns Thomas Dorner seit vielen Jahren kostenlos zur Verfügung stellt.
Von außen kommen relativ häufig Artikel, wobei einige ehemalige Außenstehende mittlerweile in der Redaktion gelandet sind.
Wie kommen die Interviews zustande? Wer organisiert all diese Kontakte?
Normalerweise derjenige, der den zum Interview gehörigen Artikel schreibt. Die meisten, die Webseite, Vlogs, Blogs, Podcasts etc. betreuen oder betreiben, machen ja ganz gerne Werbung für ihr Projekt. Absagen gibt es selten. Nur „Promis“, die vermutlich viele Anfragen bekommen, sagen manchmal ab oder antworten auf Anfragen einfach nicht. Und dann gibt es auch potenzielle Interviewpartner, die sich im Netz rar machen und einfach nicht auffindbar sind.
Warum erscheint Lotek64 als Magazin in Papierform bzw. PDF? Warum publiziert ihr nicht ausschließlich online?
Das machen wir mittlerweile so. Lotek64 war immer kostenlos, nur die Portokosten mussten die Abonnenten bezahlen. Die wurden aber immer teurer, damit geriet das Konzept ins Wanken. Vor allem aber war der Aufwand extrem groß, der nötig war, um eine gedruckte Zeitschrift (wenn auch in überschaubarer Stückzahl) zu produzieren und zu versenden. Alleine die Abo-Verwaltung hat richtig viel Zeit gekostet.
Ich gehöre, wie andere Redaktionsmitglieder, zu jenem vielleicht sentimentalen Menschenschlag, der Gedrucktes gerne auf Papier liest. Deshalb arbeiten wir daran, allen, die darauf nicht verzichten wollen, eine Print-on-demand-Lösung anbieten zu können. Das ist nicht so einfach, wie es sich anhört. Aber wir machen Fortschritte!
Schon in der Anfangszeit gab es aber auch Leser, die mir geschrieben haben, dass sie mit dem PDF zufrieden sind und es am Computer (später kamen die mobilen Geräte dazu) lesen. Manche drucken sich Lotek64 selbst aus, dafür bieten wir ein spezielles PDF an. Also muss niemand auf Papier verzichten, wir begnügen uns aber seit 2014 damit, Lotek64 ausschließlich elektronisch zu veröffentlichen.
Was ist für die Zukunft der Lotek64 geplant?
Da kann ich nur für mich persönlich sprechen: Neben einer guten PoD-Lösung: neue Autoren zu finden, die neue Themen und Blickwinkel einbringen. Selbst mehr Zeit finden, um eher nostalgisch angehauchte Erinnerungen aufzuschreiben. Ein bisschen dazu beizutragen, die tolle Hard- und Software der Vergangenheit am Leben zu halten. Ein Magazin zu produzieren, das ein paar Stunden gute Unterhaltung bietet.
Vielen Dank Georg. Wir freuen uns auf viele weitere Jahre mit der Lotek64 und bedanken uns für die tolle Arbeit der letzten 15 Jahre!
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