Denke ich über meine persönliche Videospielgeschichte nach – über all die wunderbaren digitalen Werke, die mich in meiner Jugend begeistert haben – dann reihe ich TimeSplitters jedes mal gerne in meine imaginäre Best-of-Liste ein.
Eine Spieleserie, die heute etwas in Vergessenheit geraten ist, bekommt mit etwas Glück einen neuen Anlauf um auch eure Spielerherzen zu erobern. Dieses kleine Fünkchen Hoffnung auf einen neuen Teil, schimmert sanft aus den Büros von THQ Nordic.
Der schwedisch-österreichische Publisher hat die Rechte an der Marke gekauft. Dies geschah selbstredend nicht ganz zufällig, denn unter der Schirmherrschaft THQ Nordics arbeiten die ehemaligen Schöpfer von TimeSplitters. Grund genug, um in die Vergangenheit und Zukunft zu blicken, dabei ab und an eine Nostalgie Abzweigung zu nehmen und am Ende eine Videospielgeschichte reicher zu sein.

Escape through the Time Portal
Doch bevor wir durch die Zeitportale schreiten, sei erst einmal klar gestellt, wenn ich von TimeSplitters spreche, dann in erster Linie von Teil zwei. Den dritten Teil fand ich auch klasse, erreichte aber nicht ganz die Qualität des Vorgängers. Das Erstlingswerk ist damals leider völlig an mir vorbei gegangen. Deshalb verwende ich exemplarisch den zweiten Teil, um die Reihe zu beschreiben.
Um TimeSplitters zu verstehen, muss man wissen woher, deren Macher kommen. Deshalb schlage ich mein dickes verstaubtes imaginäres Videospiel-Geschichtsbuch auf und erzähle euch etwas über eine kleine Gruppe mutiger Leute, die ihren Traum verfolgten.
So viel Charme und Witz waren damals eher unüblich im Shooter Genre.
Philipp Arnold
Es war einmal, ein britisches Entwicklerstudio names Rareware. Diese machten sich zur Aufgabe, das Shooter Genre auf Konsolen endgültig zu etablieren. Lange bevor der Master Chief den Covenant in den Arsch trat, durften wir mit James Bond in Goldeneye und mit später mit Joanna Dark in Perfect Dark auf der Nintendo 64 unser können unter Beweis stellen.
Obwohl die beiden Spiele sowohl bei Fans als auch Kritikern fantastisch ankamen, lief bei Rareware nicht alles so wie erhofft. Glaubt man der Gerüchteküche, so hat es seinerzeit bereits zwischen Nintendo, dem damaligen Besitzer von Rareware, und dem Studio einige Unstimmigkeiten gegeben. Aber noch bevor der Verkauf an Microsoft im Jahre 2002 offiziell wurde, gründeten einige Mitarbeiter das Entwicklungsstudio Free Radical Design und begannen mit ihrem Herzensprojekt Time Splitters.
Der neue First-Person-Shooter sollte anders werden als seine beiden geistigen Vorgänger, dennoch spielerisch an ihnen anknüpfen. Optisch gab ein Comic Stil die neue Richtung an, der den Titel deutlich von Konkurrenten unterscheiden sollte, während das typisch schnelle FPS-Gameplay weiterhin an Goldeneye und Perfect Dark erinnerte. Die neu erworbene Freiheit führte auch zu einer weiteren Änderung in Ton und Atmosphäre.
Die Entwickler verpassten dem Titel viel Charme und Witz, damals eher unüblich im Shooter Genre, sodass ein wunderbarer britischer Humor quer durch jedes Element des Spiels zu finden war. Der deutlich lockerere Ton gepaart mit verzaubernd schönem Comic Look, bildete das Fundament für ein einzigartiges Spielerlebnis, das ich bis heute in dieser Form nicht mehr erleben durfte.
Schieß den Affen die Melonen aus der Hand!
Die Story Kampagne begleitet Hauptcharakter Sgt. Cortez durch verschiedene Zeitepochen auf der Jagd nach Zeitkristallen. So schießen wir uns durch das Chicago der 1930er, aztekische Ruinen in Guatemala genauso wie durch Raumstationen der Zukunft.
Durchaus bemerkenswert war, dass jede Mission mit völlig unterschiedlichen Waffen der jeweiligen Zeitepoche, sowie Design der Locations begeistern konnte. Obendrauf untermalt durch einen Soundtrack der die Atmosphäre jeder Zeitepoche unterstrich. Diese Vielfalt ist besonders bemerkenswert, wenn die kleine Mitarbeiteranzahl des damaligen Entwicklerstudios berücksichtigt wird. Die wunderbare, aber eher kurze (4-5 Stunden) Kampagne, wurde mit verschiedenen Herausforderungen in einem Arcade-Modus ergänzt.
Herumlaufenden Affen, Melonen aus den Händen schießen oder Kirchenfenster in Notre-Dame mit einem Granatenwerfer bearbeiten – Beispiele von lustigen Aufgaben, die sich Free Radical Design ausgedacht hatten.
Auch der Multiplayer-Modus strotzte nur so von Features, welche wir uns von heutigen Titeln nur wünschen können. Bis zu vier Spieler lokal durften sich in verschiedenen Modi bekriegen. Wahlweise auch mit Bots, einen Begriff, den man heute ja schon fast erklären muss. Die Konfigurationsmöglichkeiten hinsichtlich Modi, Gegnervielfalt, Waffensets, Teameinstellungen und Karten war und ist bis heute beeindruckend! Durch tolle Vielfalt an Optionen kam auch im Multiplayer Modus ein einzigartiges Spielgefühl auf.
Kreative Geschichtsschreibung
Wenn ich heute an TimeSplitters denke, fallen mir neben der lustigen und abwechslungsreichen Kampagne vor allem der Mutliplayer Modus und der Karten Editor ein. Letzterer erlaubte es Karten selbst anhand von Räumen, Gängen, Objekten, Zielen, Waffen, Gegnern und vielem mehr zu entwerfen. So fand ich mich damals tagelang, am Multiplayer Level basteln wieder.
Selbst Singleplayer Story Missionen ließen sich entwerfen und anschließend testen. Mit Triggern durften simple Logik Abläufe eingebaut werden, sodass selbst ein kleiner Einblick in Missions- und Leveldesign erhascht werden konnte. Bewaffnet mit einer Memory Card, wurden Missionen und Karten mit Freunden ausgetauscht. Hier entstanden teils völlig neue Geschichten und Herausforderungen, die uns über viele Monate hinweg begeisterten.
Die Zeichen für die Rückkehr von TimeSplitters stehen heute so gut, wie schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr.
Philipp Arnold
Die umfangreichen Multiplayer Optionen und der Level Editor förderten somit vor allem eines: Kreativität. TimeSplitters 2 war und ist in dieser Hinsicht ein Leuchtturm, an dem sich selbst moderne Spiele orientieren können. Wenn ich an TimeSplitters denke, dann an all die wunderbaren Stunden, die ich mit meinem besten Freund durch die Mutliplayer Level gejagt bin. All die Karten und Missionen, die wir selbst gebaut und getestet haben. All die Geschichten die wir uns ausgedacht, entworfen und voller stolz präsentiert haben.
Es waren Momente wie diese, die aus einem Videospiel eine Geschichte gemacht haben. Denke ich an TimeSplitters, denke ich daran wie es mich unterhalten, verbunden und gefördert hat.

Future Perfect
Wie anfangs erwähnt, dürfen wir auf einen neuen Teil der TimeSplitters Reihe hoffen. Doch wie könnte ein Modernes TimeSplitters ausschauen? Besinnt man sich auf die Stärken der Vorgänger, schlägt man auch heute in eine Nische, die kaum bedient wird. Versucht man hingegen, mit den „Großen“ im Shooter Genre zu konkurrieren, wird sich ein mögliches TimeSplitters 4 schwertun.
Die bereits genannten Alleinstellungsmerkmale wie die einzigartige Atmosphäre, die sich aus Art Design, britischen Humor, Abwechslung in Locations, Waffen, Charakteren und Soundtrack auszeichnet, gepaart mit einem Multiplayer Modus, der mit seinen unzähligen Freiheiten herausragt, würden heute genauso wie damals funktionieren.
Der Leveleditor aus Teil zwei wäre zudem ein Fundament für unzählige spannende Stunden und tolle Basis für „User-generated content“ in der online Welt. Die „Generation Minecraft“ dürfte damit genauso angesprochen werden, wie die typischen Singleplayer Spieler.
Mit den Dambuster Studios in Nottingham hat THQ Nordic eine tolle Entwicklertruppe, die sich aus vielen ehemaligen Free Radical Design Mitarbeitern zusammensetzt. Der Einkauf der Marke TimeSplitters, lässt zumindest stark auf ein Wiedersehen mit Sgt. Cortez hoffen.
Folgt man bei THQ Nordic dem Darksiders Weg, dürfte einem Remaster der Vorgänger, mit anschließendem neuen Teil, nichts im Wege stehen. Die Zeichen für die Rückkehr von TimeSplitters stehen heute so gut, wie schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr.
Besinnt man sich auf die eigenen Stärken, können wir uns auf ein schönes Wiedersehen mit den TimeSplitters freuen und viele weitere Geschichten schreiben.
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