Zu Gast bei der Classic Videogames Convention

Von Christian am
Kommentiert von: Christian, Svila, Poly, André Eymann, Tobi, Michael
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Am 26.03.2022 fand in Euskirchen die 16. ClaViCon (Classic Videogames Convention) statt. Es war ein Tag voller alter Hardware, mit alten und neuen Spielen, netten Leuten und viel Kaffee.

Aus der Erinnerung wird wieder Realität

Während gefühlt das komplette Spielerlager die Welten von Elden Ring und Horizon Forbidden West besuchen oder in Gran Turismo 7 Vollgas geben, verstaue ich einen C64 Maxi, einen echten, alten C64 und einen Atari 7800 in meinem Auto und fahre eine Stunde Richtung Eifel.

Ziel ist Euskirchen. Seit 2013 findet dort zweimal jährlich die „Classic Videogames Convention“ statt. Retrofans treffen sich hier und schwelgen nicht nur in Erinnerungen, sondern spielen auch den ganzen Tag lang Computerspiele auf diversen alten Systemen. 

Etwa 40 Teilnehmer waren Ende März 2022 auf der letzten Convention dabei. Fast jeder hat – so wie ich auch – eigene Hardware dabei und baut sich am Veranstaltungsort seinen kleinen Spielplatz auf. Seinen wir mal ehrlich: Wir Retrofans erinnern uns oft und gerne an die Stunden, die wir in unserer Jugend mit dem C64, dem Amiga, dem SNES oder einem anderen System verbracht haben. Aber viel zu selten packt man die alten Sachen dann doch wieder aus und spielt ausgiebig damit. Meist fehlt letztlich die Zeit und der alte Kram ist irgendwo im Keller oder auf dem Dachboden eingelagert, sodass es mühsam ist, die Geräte aufzubauen und in Betrieb zu nehmen. 

Auf der Convention steht der Tag aber voll und ganz unter dem Motto Retrospiele. Ist die Hardware aufgebaut und startklar, fühlt man sich wie in 20 Kinderzimmern gleichzeitig. Überall flackern alte Fernseher, klackern alte Competition Pro Joysticks. Es ist laut. Aus einer Richtung dudelt die C64-Musik von Bubble Bobble in einer Endlosschleife, aus der anderen johlen virtuelle Mega Drive-Zuschauer in einem Stadion während sich zwei Spieler auf dem Eis prügeln. In der nächsten Ecke ist ein Super Mario offensichtlich gerade unverwundbar, aus anderen Lautsprechern der Monitore sind Schüsse, Explosionen und von den Teilnehmern viel Gelächter, Jubel oder Flüche zu hören.

Hardware zwischen „funktioniert“ und „Liebhaber-Super-Sammler-Zustand“

Es ist interessant, was die Teilnehmer alles mitgebracht haben. Einige Konsolen wirken verlebt, wie ein berühmter Altrocker, der seit 40 Jahren auf der Bühne steht. Das Leben war immer intensiv und die Jahre haben Spuren hinterlassen, aber wenn es drauf ankommt, wird noch immer zuverlässig Leistung abgeliefert.

Bei anderer Hard- und Software hat man den Eindruck, einen frisch polierten Oldtimer vor sich zu haben, der nur bei bestem Wetter aus der Garage geholt wird und man möchte sich am liebsten ehrfürchtig Lederhandschuhe anziehen, bevor man sich ihnen nähert. Es ist spannend, durch die Reihen zu laufen und die mitgebrachte Hardware zu begutachten.

Während ich durch den Raum schlendere, entdecke ich neben vielen bekannten Systemen auch Hardware, die ich live noch nie gesehen habe. Am Nebentisch spielt mein Nachbar auf einem wunderschönen Commodore SX-64, der aussieht, als hätte er die letzten Jahrzehnte nur in einer Vitrine gestanden. Sogar die Originalkiste ist noch vorhanden. Ein Maniac Mansion im Topzustand begeistert mich genauso sehr, wie ein Pitfall II Modul inkl. Originalunterschrift von David Crane in der Spielanleitung.

Commodore SX-64 (Quelle: Eigenes Foto)
Commodore SX-64 (Quelle: Eigenes Foto)

C64, Amiga, NES, SNES, Sega Mega Drive, Saturn, Dreamcast, Atari 2600 und 7800, Everdrive VS, MSX und einige Raspberry Pis waren vor Ort im Einsatz und sicher noch ein paar Systeme, die ich schon wieder vergessen habe.

Bei der letzten Convention im Herbst 2021 habe ich so auch erstmals mit einem Virtual Boy von Nintendo spielen können. Auch die teuren, aber wirklich tollen SNES und Mega Drive Nachbauten von Analogue wurden bespielt. Wer wollte, konnte sich mit den anderen in einem Pong Turnier messen. Der Veranstalter stellte dazu einen Atari 2600 inklusive Paddles zur Verfügung und auf dem Fernseher warteten drei kleine Pokale auf die späteren Gewinner.

Durchgebrannte Netzteile – Der Albtraum für Besitzer alter Hardware

Wie sehr wir unsere alte Hardware liebgewonnen haben, merkten wir, als es plötzlich leicht verkokelt roch. Sofort ging es auf die Suche nach einem verschmorenden Netzteil. Mit der Nase schnupperten wir besorgt und vorsichtig an unseren Geräten, auf der Suche nach dem Übeltäter. Wir konnten die Quelle nicht finden, der Geruch wurde aber sogar etwas stärker.

Mir fiel ein Gespräch mit einem Bekannten ein, der mir vor kurzem erst sagte, er würde seinen alten C64 nicht mehr mit dem original Netzteil betreiben. Das Risiko sei ihm zu groß und er hatte sich auch kürzlich ein neues Netzteil gekauft. Vor mir stand mein eigener C64 mit – natürlich – dem uralten Netzteil. Ein Blick aus dem Fenster sorgte dann aber für Erleichterung: Draußen versuchte gerade jemand, einen Grill anzuzünden. Daher kam also der Geruch. Glück gehabt, weiterspielen.

Retrosysteme, aber nicht zwingend Retrospiele

Spannend fand ich, dass nicht nur die alten Klassiker gespielt wurden, sondern bei den Teilnehmern auch neue Spiele auf alten Systemen hoch im Kurs standen. Auf so ziemlich jedem C64 habe ich im Laufe des Tages irgendwann Briley Witch Chronicles entdeckt und Sonic raste natürlich auch auf dem C64 durch Green Hill.

Einige Partien Rogue64 wurden ebenso gespielt wie Sam‘s Journey, das 2018 für den C64 erschien und technisch und grafisch hervorragend ist. Ich finde es beeindruckend, dass es noch immer einige Entwickler gibt, die viel Zeit und Energie in die alten „toten“ Systeme stecken und ihnen Spiele entlocken, die man eigentlich nicht für möglich gehalten hätte. Wer das im Winter 2021 veröffentlichte Sonic auf dem C64 noch nie gespielt hat, sollte das unbedingt einmal nachholen. 

Viele der Mega Drive und SNES Besitzer hatten darüber hinaus Turrican dabei. Wäre Strictly Limited Games eeeeeendlich lieferfähig – Turrican kann mittlerweile immerhin seit 1,5 Jahren vorbestellt werden – hätte man vermutlich an diesem Tag einige Pakete der Turrican Collectors Edition direkt nach Euskirchen ausliefern können.

Ich war erst zum zweiten Mal auf der Classic Videogames Convention und habe nun bereits einige Gesichter wiedererkannt. Offenbar hat die Veranstaltung einige Stammgäste. Sehr angenehm ist, dass die Teilnehmer alle gerne über ihr Hobby reden und sich sehr einfach gute Gespräche entwickeln. Man hat das Gefühl, man würde sich eigentlich schon länger kennen. Solche Gespräche sind es dann auch, die den besonderen Reiz der Treffen ausmachen.

Im Alltag erntet man doch regelmäßig irritierte Blicke, wenn man erzählt, dass man sich noch heute sehr für Computer von Commodore oder Nintendos Game Boy interessiert. Ich habe jedenfalls in meinem alltäglichen Bekanntenkreis niemanden, der diese Leidenschaft mit mir teilen würde.

Couch-Coop: Unschlagbar

Wieder einmal fasziniert hat mich, wie einfach sich ein Retrospiel zu zweit spielen lässt. Vor allem Sportspiele eignen sich wunderbar für eine unkomplizierte Partie gegeneinander. Auf dem Mega Drive haben wir Pete Sampras Tennis und NHLPA Hockey 93 eingelegt. Das Modul von Pete Sampras Tennis hat übrigens eine interessante Form und enthält zwei zusätzliche Joypad-Anschlüsse – quasi ein 4-Spieler-Adapter im Modul.

Spieler bzw. Mannschaften werden ausgewählt und wie selbstverständlich konnten wir in beiden Spielen wählen, ob wir gegeneinander oder gemeinsam in einem Team spielen wollen. Wir hatten zwar keine Ahnung, wie die Steuerung funktioniert, aber die 3 Tasten auf dem Controller sind schnell durchprobiert. Und wenn der Tennisball bei den ersten Versuchen meilenweit ins Aus geht oder beim Eishockey der versuchte Bodycheck in einer handfesten (virtuellen) Prügelei auf dem Eis endet, sind Lacher garantiert.

Besuch von Factor 5

Ein Highlight am Abend war für mich noch der Besuch von Lutz Osterkorn von Factor 5, der als Game Designer maßgeblich an Super Turrican 1 und 2 (SNES) und Mega Turrican (Sega Mega Drive) mitgewirkt hat.

Turrican gehört zu meinen absoluten Lieblingsspielen, vor allem Turrican 2 hat mich auf dem Amiga umgehauen. Verantwortlich dafür war nicht zuletzt auch die Musik von Chris Hülsbeck, die wohl zu dem Besten gehört, was jemals auf dem Amiga veröffentlicht worden ist. Wer einen Spotify Account hat, findet dort übrigens zahlreiche schöne Stücke von Chris.

Die Konsolenversionen und auch Turrican 3 kannte ich dagegen damals nicht. Mit der Turrican Flashback Sammlung habe ich diese 2020 erstmals gespielt und ich hatte große Schwierigkeiten, mich darauf einzustellen, weil vor allem das in Turrican 1 und 2 unbekannte Seil das Spielgefühl deutlich ändert. Am Abend konnte ich dann bei Lutz sehen, wie man diese Spiele richtig spielt und die Level auch ohne Rückspulfunktion der Flashback Collection meistert…

Turrican (Quelle: Eigenes Foto)
Turrican (Quelle: Eigenes Foto)

Die nächste ClaViCon im Oktober 2022

Alles in allem war es ein richtig schöner Tag und ich freue mich bereits auf die nächste Convention am 8.10.2022, wie immer in Euskirchen. Wer sich selbst ein Bild von der Veranstaltung machen möchte, sollte einmal die Homepage besuchen. Dort stehen auch die Termine und die Anmeldemöglichkeiten.

Benutzt ihr heute noch alte Hardware und schaufelt Euch die Zeit frei, um ab und zu eine intensive Spielsession einzulegen? Habt ihr selbst bereits solche Retroevents besucht? Kennt ihr andere, ähnliche Veranstaltungen, die ihr empfehlen könnt? Schreibt dazu gerne etwas in den Kommentaren. Ich würde mich freuen.


Veröffentlicht in: Medien & Literatur, Videospielgeschichten
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Kommentare (11)

  1. Das sieht einfach so toll aus! Auf der Gamescom bin ich immer wieder gern durch die Retro-Area geschlendert, weil es mich irgendwie fasziniert, wie alles “damals” anfing. Ich bin zwar keine Retro-Gamerin, aber viele, die ich kenne, schwelgen heute noch gern in Erinnerungen an ihre Gaming-Anfänge. Danke für den Beitrag! Es hat richtig Spaß gemacht, ihn durchzulesen ♥

    TobiAndré EymannChristian
    1. Hey Svila,
      vielen Dank für Deinen Kommentar. Das Schwelgen in Erinnerungen gehört für mich auch ganz stark dazu. Ich merke immer wieder, dass mich eben genau die alten Systeme am meisten interessieren, die ich selbst erlebt und mit denen ich früher auch Zeit verbracht habe. Die haben durch die eigenen Erfahrungen einen Bonus. Es freut mich, dass Dir der Beitrag Freude gemacht hat.

      TobiAndré Eymann
  2. Ich habe noch nie vorher von dieser Convention gehört, aber mit knapp 40 Teilnehmern ist das bislang wohl auch eher ein Geheimtipp für Eingeweihte. Deine Beschreibung erinnert mich irgendwie an die Lange Nacht der Computerspiele in Leipzig, wobei ich auch die bislang nur aus Erzählungen kenne. Wenn der Weg von Berlin nach Euskirchen nicht so weit wäre, würde ich mir diese Classic Con auch mal anschauen, aber dein sehr schön geschriebener Bericht ist ja auch fast so gut wie ein Besuch vor Ort 🙂

    ChristianAndré EymannTobi
    1. Hi Poly,

      freut mich sehr, dass Dir der Beitrag gefallen hat. Einen eigenen Besuch kann er aber sicher nicht ersetzen 😉 Ja, die Veranstaltung ist eher klein, aber das macht ja dann auch eine besondere Atmosphäre. Ich war wie gesagt erst zum zweiten Mal dort und dass ich trotzdem einige Gesichter wiedererkannt hatte, fand ich schon toll. Und dass die Leute offenbar gerne wiederkommen, spricht dann auch für das Event.

      Die Lange Nacht der Computerspiele kenne ich selbst nicht. Aber Berlin ist auch eigentlich meine Heimat. Wenn Du auch aus Berlin kommst, kennst Du vielleicht das Computerspielemuseum. Vor ein paar Jahren war ich mal dort und hatte einen tollen Tag. André hat über das Museum auch einen Beitrag geschrieben.

      Viele Grüße

      TobiAndré Eymann
  3. Vielen Dank für deinen sympathischen und lebhaften Bericht, Christian! Du hast alles so bildlich beschrieben, dass ich fast das Gefühl hatte, kurz mal vor Ort reingeschnuppert zu haben. Deine Beschreibungen der Zustände der alten Hardware und der Grillaktion sind einfach so gut, dass ich echt lachen musste. Und ehrlich, dieser Zustand ist echt eine Rarität bei mir. Herzlichen Dank dafür!

    Ich finde es schön, wenn Retrofans sich zu solchen Treffen zusammenfinden um fachzusimpeln oder einfach nur Spaß an dem Element Retro, den Spielen und dem Zusammensein zu haben. Wenn dann noch prominenter Besuch dazukommen sollte, ist das ja noch mal das Sahnehäubchen. Danke für deine Querverweise und das kurzzeitige Mitnehmen an einen anderen Ort.

    ChristianAndré Eymann
    1. Ich find’s übrigens richtig toll, wenn Leute wie Lutz Osterkorn auf solchen Events aufkreuzen.

      Hatte die folgenden Zeilen Chris schon per DM geschickt:

      Ich glaube fest daran, dass viele der Entwickler von damals heutzutage mehr “Wahrnehmung” für ihr Vermächtnis haben als noch vor 10 oder 20 Jahren. Das liegt einfach auch daran, dass das Internet ihre Arbeit viel “schätzbarer” gemacht hat. Dazu gehören auch wir, die darüber schreiben und sprechen. Ich freue mich, wenn die Entwickler sich darüber freuen und ihnen klar wird, dass sie unvergängliche Kunst geschaffen haben.

      ChristianTobi
      1. Hi André,
        das stimmt. Heute lassen sich diese Informationen ja auch im Netz gut finden und man kann relativ leicht Informationen über bestimmte Spiele oder Unternehmen erhalten. Ehrlich gesagt kannte ich den Namen Lutz Osterkorn bis letztes Jahr gar nicht. Er war ja wohl auch vor allem bei den Konsolenversionen von Turrican stark involviert und ich kannte nur die Amigaversion. Factor 5,Chris Hülsbeck, Manni Trenz und natürlich Julian Eggebrecht waren mir schon lange ein Begriff. Von Lutz habe ich letztes Jahr erstmals gehört. Er ist wohl auch ziemlich aktiv in der Retroszene und öfter auch auf entsprechenden Events.

        TobiAndré Eymann
  4. Ein wirklich schöner Beitrag!

    Spannend fand ich, dass nicht nur die alten Klassiker gespielt wurden, sondern bei den Teilnehmern auch neue Spiele auf alten Systemen hoch im Kurs standen

    Das finde ich aus sehr, sehr spannend! Auch unter dem Aspekt, den du erwähnt hast: was man heute (bzw. mit dem heute vorhandenen technischen Hintergrundwissen) alles machen könnte, an das man damals (in den 80ern) vielleicht gar nicht dran zu glauben wagte.

    ChristianAndré EymannTobi
  5. Ich liebe solche Events! Die Atmophäre ist immer ganz besonders. Die Systeme, Spiele und den Merch zu bestaunen ist die eine Sache, aber das gemeinsame soziale Gefühl solcher Veranstaltungen ist dabei für mich das zentrale Salz in der Suppe.

    In der Vergangenheit war ich immer wieder auf ähnlichen Events (hier finden sich übrigens ähnliche Beiträge) und habe nicht selten dort Bekanntschaften mit sehr netten Menschen gemacht.

    Spontan erinnere ich mich an eine Runde Leader Board Golf zusammen mit René Achter. Einfach großartig, wenn man ähnliche Gefühle beim Spielen teilen kann und so eine gute Zeit hat.

    Lieben Dank für Deinen ausführlichen Bericht und die schönen Fotos!

    ChristianTobi
    1. Dein Blog ist echt eine kleine Schatzkiste. Danke für den Link auf Beiträge zu anderen Events. Die hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Das sehe ich mir auch direkt an 🙂

      TobiAndré Eymann