Der Ton macht die Musik – Über die Klangwelt von Half-Life 2

Von André Eymann am
Kommentiert von: Rene, André Eymann, Amon, Ferdi
Videospielgeschichten lebt durch Unterstützung! Wenn dir unsere Beiträge gefallen, überlege doch bitte ob du unseren Blog fördern kannst. Durch deine Hilfe stellst du sicher, dass Videospielgeschichten weiterleben kann und die unabhängige Medienwelt bunt bleibt!

Nachdem ich vor einiger Zeit niedergeschrieben habe, was mich am Setting und Gameplay von Half-Life 2 begeistert, möchte ich mit diesem Beitrag ein Schlaglicht auf das Sounddesign von Valves Meisterwerk von 2004 werfen.

Die Vertonung des Spiels ist untrennbar mit den ikonischen Schauplätzen im Spiel, wie beispielsweise City 17, Ravenholm oder Nova Prospekt, verbunden. Selbst nach Jahren erscheinen die passenden Spielsituationen in meinem Kopf, wenn ich einmal mehr dem offiziellen Soundtrack lausche. Und dies ist auch der Grund, warum mich das Thema neugierig gemacht hat. Warum ist das so? Und wer hat das möglich gemacht?

Für Einsteiger: Den Grundton des Half-Life 2 Soundtracks beschreibt man am besten mit den folgenden Begriffen: Synthesizer, Industrial, Elektro, Techno, Drum’n’Bass, Treibend, Atmosphärisch, Geheimnisvoll.

Mehrere Musikstücke vom HL2-Soundtrack wurden vom ersten HL-Spiel übernommen, umbenannt oder neu abgemischt.

Die Credits für die Klangwelten von HL2 sind Kelly Bailey zuzuschreiben. Bailey war von 1998 bis 2016 Komponist und Sounddesigner für Valve. Er hat Half-Life, Half-Life 2, Portal, sowie HL2 Episode One und Episode Two vertont. In Bezug auf Valve ist Bailey eine Legende: er war der fünfte Mitarbeiter, den die Firma seinerzeit eingestellt hatte. Außerdem geht man davon aus, dass das Gesicht des Hauptcharakters von Half-Life „Gordon Freeman“ nach seinem Gesicht modelliert wurde. Seit 2016 entwickelt er das VR-Spiel „Vanishing Realms“, das schon jetzt eine sehr positive Resonanz findet.

Um den Gesamtumfang des Sounds von HL2 zu erfassen, möchte ich zunächst die Frage beantworten, welche Elemente eigentlich zum Sounddesign dazugehören.

Das dystopische Half-Life 2 kann als cineastisches Spiel bezeichnet werden und so verwundert es nicht, dass gesprochene DIALOGE eine wichtige Rolle spielen. Das wird besonders in der Eröffnung durch den G-Man, Gesprächen mit den Widerstandskämpfern oder den Monologen von Dr. Breen deutlich. Ebenso gibt es viele (relativ kurze) MUSIKSTÜCKE, die das Setting unterstützen. Und dann natürlich auch EFFEKTGERÄUSCHE, wie das der Waffen oder das charakteristische Ableben („Pfieeeep“) der Combine-Soldaten.

Für alle drei Elemente möchte ich ein Beispiel geben. Schließlich ist es schwierig, nur über „Klangwelten“ zu schreiben. Man sollte sie auch hören können.

DIALOGE

Half-Life 2: Opening scene with G-man

MUSIKSTÜCKE

Half-Life 2: Triage at Dawn scene

EFFEKTGERÄUSCHE

Half-Life 2 Sound Design

Ich bin der Meinung, dass Videospielmusik oft unterbewertet wird und nicht die Anerkennung erhält, die sie verdient. Cäcilia vom Blog schraeglesen hat das wunderbar in ihrem Beitrag Musikerinnerungen (und Neuerungen) eingefangen. Auf der einen Seite ist es schade, dass Musik in Spielen nicht so prominent wahrgenommen wird. Auf der andere aber ist es logisch. Denn ein guter Soundtrack bildet mit dem Spielgeschehen eine Einheit und fügt sich in das Gesamtwerk ein. Er darf weder störend noch zu dominant sein.

Genau dieses Kunststück gelingt auch Bailey mit seiner Klangarbeit zu Half-Life 2.

Das Spiel selbst begünstigt die Möglichkeiten für eine abwechslungsreiche Vertonung. Zwar ist HL2 ein Shooter, aber eben keiner bei dem es nur um Action geht. Das Gameplay variiert stark zwischen ruhigen und schnellen Passagen. Dabei bietet es viel Freiraum für die Farbtöne dazwischen. Außerdem erzählt HL2 eine Geschichte und hat eine Dramaturgie, die Dialoge erforderlich macht. Hintergründe, Konflikte und die wechselnden Stimmungen machen Half-Life 2 zu einem unvergesslichen Erlebnis für den Spieler. Und über allem steht der Soundtrack, der sich wundervoll in die Zwischenräume setzt und alles miteinander verbindet.

Bailey und das Designteam haben ein perfektes Gespür dafür, in welcher Szene welches Musikstück zum Einsatz kommt. Auf diesem Wege wird der Sound zum Gameplay-Element. Es ist kein Zufall, dass in einer dramatischen und traurigen Szene – wie der Verlust eines Freundes („Winston“, siehe Video oben) – das bewegende Stück „Triage at Dawn“ gespielt wird. Der Spieler wird diesen Moment nicht mehr vergessen.

Auch die Frauenstimmen aus dem Off (“Achtung Bodeneinheiten, Antibürger in dieser Gegend!”), die besonders in City 17 immer wieder über die öffentlichen Lautsprecher zu hören sind, sind ein elementarer Bestandteil des Gameplays. Sie erinnern den Spieler immer wieder daran, in was für einer Welt er sich befindet und wie zerbrechlich das eigene Vorhaben ist.

Gleichwohl funktioniert des gesamte Soundtrack auch ohne Spiel. Den OST von Half-Life 2 höre ich seit Jahren immer wieder. Auf Reisen, mal am Computer beim Schreiben oder manchmal einfach nur nebenbei beim Aufräumen. Er hat die Kraft mich wieder in die faszinierende Welt von Marc Laidlaw, dem Autor des Spiels, zurückzuversetzen.

Wie ist es mit Dir? Kennst Du Half-Life 2? Hat Dich das Sounddesign des Spiels auch angesprochen und vielleicht sogar beeindruckt?

Quellen


Veröffentlicht in: Spielebesprechungen
TobiSarah Bee

Kommentieren  (5)

Folge uns

MastodonInstagramYouTube

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentare (5)

  1. Das hier HL2 oft erwähnt wird wundert mich nicht. Ich habe auch nur sehr gute Erinnerungen daran, sei es der Sound, die Grafik oder das Gefühlt mit allem interagieren zu können. Auch die nächtelange HL-Deathmatches, die wir bei einem damaligem bekanntem im Keller gemacht hatten, sind unvergessen :). Das Gameplay kann sich auch heute noch sehen lassen. Garnicht so lange her konnte ich sehen das HL:Deathmatch auch bei Rocket Beans gespielt wurde. Da kamen Erinnerungen hoch, vor allem das Geräusch vom der Armbrust… pfummp 🙂

  2. Half-Life 2 war einer der ersten Shooter, die ich in einem zarten Alter gespielt habe und es hat so einen Impact hinterlassen. Ravenholm war so unglaublich gruselig und ist bis heute eins der best designten Shooter Level, die ich kenne. Ich kann immer noch das G-Man Intro komplett auswendig mit auf sagen und auch der Loop, der über die Lautsprecher in City 17 läuft, assoziiere ich noch mit dem Spielgefühl von damals:”Welcome, welcome to City 17″
    Wegen dem Artikel würde ich jetzt gerne HL2 nochmal wie beim ersten Mal erleben

    1. Danke für Deine Zeilen Amon! Wenn Du HL2 noch einmal spielen möchtest, dann lade Dir bei Steam die Version “Half-Life 2: Update”. Die spiele ich auch gerade noch einmal. In dieser Version – die das Originalspiel unberührt lässt – sind die Licht- und Partikeleffekte verbessert und das Spielerlebnis ist noch etwas intensiver. Es lohnt sich.

      Ich stehe gerade am Ende von Ravenholm und muss sagen, dass ich mich schon darauf freue diesen Ort hinter mir zu lassen 😉 Wie Du siehst, es hat mich wieder gepackt. Verdammt gruselig. Verdammt gut. Noch immer.

  3. Du hättest Dir für dieses Thema sicher viele Referenzspiele rauspicken können, z. B. CoD 2. Warum überrascht mich das kein bisschen, dass Du ausgerechnet Half-Life 2 ausgewählt hast. Und wieder ist Dir ein hervorragender Artikel dazu gelungen.

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass auf der VSG über kein Spiel mehr Zeilen geschrieben worden sind, als über Half Life 2. Vor allem von uns 😉

    Architektur, Setting, Gameplay, Leveldesign, Immersion, Narration, Flow und jetzt auch noch Musik und Sounddesign. Immer muss Half-Life 2 herhalten.

    Über das Sounddesign und die Musik in Half-Life 2 zu schreiben, wäre mir tatsächlich nicht in den Sinn gekommen. Meist stelle ich die Musik in Videospielen leiser; nicht selten mache ich sie sogar ganz aus. In Half-Life 2 habe ich sie laufen lassen, da sie dezent im Hintergrund läuft; sich nicht aufgedrängt. Im Gegenteil, sie unterstützt die Dramaturgie durch treibende Beats oder ruhige Klaviereinlagen. Du hast Recht und die Beispiele sind gut gewählt, wie ich finde.

    Wenn ich darüber nachdenke fallen mir weitere Beispiele ein. Es sind vor allem die ruhigen Momente in Half-Life 2. Auf einer großen Stahlbrücke höre ich das Meeresrauschen und in der Ferne Möwen kreischen. Alles ist still, der Wind pfeift durch die Stahlrohre und die Brücke quietscht ein wenig. Herrlich. Oder auch das Pfieeeep-Geräusch, kurz vor dem Ableben eines Combine-Soldaten. Ein winziges Geräusch und doch ist sofort klar, dass gerade kein Mensch von uns gegangen ist. Unvergessen ist aber auch das schrille Gejaule der Strider´s. Außerirdisch.

    Früher wusste ich nicht, warum mir dieses und jenes Spiel gut oder schlecht gefallen hat. So auch bei Half-Life 2. Jetzt weiß ich es. Es hilft tatsächlich darüber zu schreiben und eben solche Artikel wie diesen hier zu lesen.

    Oder um es mit Deinen Worten zu sagen: „Und immer wenn ich darüber nachdenke, weiß ich auch warum.“

    1. Lieben Dank für Deinen Kommentar Ferdi!

      Du hast recht: HL2 wird auf VSG tatsächlich oft erwähnt. Das liegt natürlich nicht zuletzt an uns 😉 Und es macht deutlich, dass das Spiel scheinbar auf vielen Ebenen von uns als Referenz herhält.

      Du hast aber noch einen sehr interessanten Punkt angesprochen: das Schreiben über das Erlebte (in unserem Fall die Spiele) ermöglicht eine ganz besondere Reflexion. Denn auf diese Art nehmen wir die Spiele erneut wahr und wir denken noch einmal über sie nach. Die Musik ist dabei ein schönes Beispiel, welche Emotionen beim Spielen auf uns wirken. Wenn sie akzentuiert eingesetzt wird, kann sie das Erleben verstärken. Und genau diesen Punkt wollte ich auch mit dem Beitrag hervorheben. Über Musik in Spielen zu schreiben, hebt auch hervor, wie viele künstlerische Details in Spielen stecken und wie diese miteinander verknüpft sind.

      Ich finde es faszinierend und macht mir immer wieder Spaß auf solche Aspekte einzugehen.