Es kommt nicht auf die Länge an …

Avatar von Sabine Seggewiss
Lesedauer: 4 Minuten

Man öffnet die Spielebibliothek und da sind sie – Reihe an Reihe, Titel an Titel. Ein buntes Kaleidoskop an Spielen, welche man entweder immer wieder und wieder besucht oder die noch darauf warten, gespielt zu werden.

Bei genauerem Hinsehen fällt – mir zumindest – auf, dass ich keinen einheitlichen Spielstil pflege. Da steht schon mal der „Witcher“ neben „Gris“ oder ein „Divinity Original Sin 2“ neben „Journey“. Natürlich haben beide nicht ansatzweise die gleiche Anzahl an Spielstunden, jedoch weiß man ganz genau, dass man beide Spiele jeweils genauso gern spielt oder gespielt hat. Was ist es also, dass uns zeitgleich an den großen Epen der Spielewelt und den kleinen Juwelen begeistert?

Die Steam-Bibliothek: ein Ort für viele unterschiedliche Spiele (Quelle: Sabine Seggewiß, eigener Screenshot)
Die Steam-Bibliothek: ein Ort für viele unterschiedliche Spiele (Quelle: Sabine Seggewiß, eigener Screenshot)

Atmosphäre

Fangen wir ganz vorne an. Die Atmosphäre ist etwas, das jedem Spieler zuerst entgegenschlägt. Sie kann düster, geheimnisvoll, fröhlich oder romantisch sein (und natürlich noch vieles mehr).

Einem gefällt eher die Atmosphäre in Horrorspielen: düster-undurchsichtig und hinter jeder Ecke warten Zombies, Monster oder andere Schockmomente, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen und das Adrenalin in die Höhe schießen lassen. Andere brauchen diese Art von Blutrausch nicht. Sie ziehen sich lieber in eine Welt zurück, die sie mit offenen Armen empfängt und sanft an die Hand nimmt. Ohne Erschrecken, ohne heftige Kämpfe, ohne Monster – diese Gamer wollen einfach nur in Ruhe einer Geschichte folgen oder einer abstrakten Erzählung, wollen nicht dauerhaft unter Strom stehen. Genau diese Diversität macht es einfach zu verstehen, warum sowohl „Witcher – Wild Hunt“ als auch „Gris“ so beliebt sind.

Die Atmosphäre in Geralts Welt bietet alles: von düsteren Höhlen und dunklen Gassen in der Stadt, bis hin zu sonnendurchfluteten Feldern und Wäldern. Man kann selbst entscheiden, ob man nun der undurchsichtigen Quest folgt, die einem von einem schäbigen Bettler am Wegesrand gegeben wurde (obwohl einem das Wetter manchmal einen Strich durch die Rechnung macht).

Hingegen entscheidet man sich, wenn man zu Spielen wie Gris oder Journey greift, direkt bewusst für eine bestimmte Atmosphäre. Man weiß, worauf man sich einlässt, bis auf ein zwei kleinere Schrecksekunden. Und trotzdem schlägt einen die Umgebung in den Bann, obwohl es keine große Abwechslung bietet.

Grafik

Für viele ist die Grafik das Nonplusultra eines Spiels (und ja, auch ich zähle mich dazu). Wie realistisch sieht die Welt aus, in die ich mich begebe? Kann ich die einzelnen Blätter am Baum neben mir zählen, wenn ich wollte? Weht das Haar im Wind und ist Ray Tracing möglich und aktiviert? Fragen, die sich jeder, der nach der absolut hyperrealistischen Grafik sucht, stellt.

Gleichzeitig finden sich aber auch immer wieder Spiele, die eben nicht mit superrealistischen Welten punkten. Pixel wie früher, gezeichnete Spiele oder futuristische Blockgrafik – alles ist möglich. Warum gefallen mir also Spiele aus beiden Ecken des Grafikspektrums?

Genau deshalb, weil es ein Spektrum ist. Einmal habe ich Lust, mich nach Temerien zu begeben und die Welt in ihrer realistischen Art und Weise zu genießen. Dies hängt eng mit den erzählten Geschichten zusammen, die einem das Gefühl von Realität geben. Ich möchte in dem Fall die Tränen auf den Gesichtern der geplagten Flüchtlinge sehen, ich möchte sehen, wie sich bei einem Sturm die Äste biegen. Auf der anderen Seite möchte ich manchmal auch der Realität vollständig entfliehen. Dann brauche ich keine tragende Geschichte, die mich mit realen Problemen versorgt. Dann möchte ich durch eine gezeichnete Welt fliegen und mir selbst einen Reim auf die lose gebotenen Story-Elemente geben. Wasserfarben-Elemente, die sanfte Nuancen zeichnen, reichen hier vollkommen aus, um mich zu faszinieren.

Geschichte

Der obere Absatz bringt mich direkt zu meinem wichtigsten und letzten Punkt: die Geschichten die sowohl große als auch kleine Spiele erzählen. Manche Spiele – auch weil sie für mehrere Stunden Spielspaß konzipiert sind – brauchen viel Geschichte, viele Quests, viel zu erleben. Hier ist es wichtig, dass man nicht stundenlang auf Sammelquests verbringt oder Personen eskortieren muss (ich HASSE Beschützer-Missionen).

Die Storyline muss stimmig sein, hat eine gewisse Tiefe vorzuweisen und sollte so gut geschrieben sein, dass sie einen ohne Probleme in den Bann zieht. Kleinere Spiele kommen mit viel weniger aus, manchmal sogar ohne größeren Plot. Und auch hier ist es in meinen Augen wieder die Vielfalt, die die Faszination ausmacht. Wenn ich lange gefesselt sein soll, braucht es eine gute Geschichte. Wenn es nur um vage Andeutungen einer Geschichte geht, ist es gut, dass das Spiel keine 30 Stunden auf die Uhr bringt.

CD Projekt Red schafft es, eine unglaublich packende Geschichte rund um Geralt, Ciri und Yennefer (und Triss) zu erzählen. Ich habe bei meinem ersten Durchspielen fast nur Hauptquest gespielt, da ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Dabei habe ich keine Lücken in der Erzählung gefunden und meine Entscheidungen hatten wirklich Auswirkung auf die Geschichte.

Zeitgleich habe ich Gris innerhalb von vier Stunden durch gespielt und war gefesselt von der Geschichte – wenn man es so nennen kann. Es gab einen losen Faden, aber einen Reim darauf machen musste ich mir selbst. Ich musste selbst kreativ werden, um zu verstehen, was dieses Spiel mir erzählen will. Und ich habe es genossen, mal nicht stumpf einer Geschichte zu folgen, sondern selbst meine Geschichte mitzuerleben – in gewisser Weise.

Was bleibt?

Am Ende muss jeder Spieler für sich entscheiden, was ihm liegt. Aber eben genau diese unglaubliche Vielfalt schafft es, dass neben den großen Mehr-Stunden-Spielen auch kleine Perlen liegen.

Nicht jeder hat ständig Lust auf die großen Epen unserer Zeit, manchmal müssen es auch leisere Töne sein. Damit man selbst zur Ruhe kommt oder selbst kreativ werden kann. Ich hätte noch auf so viel mehr eingehen können – Musik, Spielart, Dauer –, aber ich wollte nur einen Überblick verschaffen über Aspekte, die man beim Spielen nie vergessen sollte.

Gibt es bei euch in den endlosen Weiten eurer Mediatheken auch so unterschiedliche Spiele? Und wenn ja, warum? Was machen für euch Videospiele in all ihren Formen und Farben aus?

ClaudioLennyAndré EymannTobiJessica Kathmann

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19 Antworten zu „Es kommt nicht auf die Länge an …“

  1. Avatar von Alex

    Ich lese in den Beiträgen auf VSG immer die Stichworte Atmosphäre, Geschichte, Grafik manchmal auch Musik. Ich vermisse aber das Stichwort Herausforderung.
    Ja. Hauptsächlich möchte ich in meiner Freizeit von Spielen unterhalten werden und ein Abenteuer erleben. Es gibt aber auch Momente da möchte ich Rätsel lösen oder meine Geschicklichkeit testen. Dafür liebe ich die kleinen Häppchen die man mal eben ein paar Minuten spielen kann, So kommt es das in meiner Sammlung GT Sport, neben Catherine, neben Proteus und Red Dead Redemption steht.
    Manchmal treibt mich die Neugier dazu einen Titel anzuspielen. Es kommt nicht nur 1x vor das ich bei so einen Titel dann auch hängen bleibe. Gerade erst so passiert mit dem Landwirtschaftssimulator der durch PS+ den Weg auf meine PS4 gefunden hat. Ob ich tiefer in diese Simulation einsteige kann ich noch nicht sagen. Ich hab aber schon mehr Zeit damit verbracht als ich eigentlich wollte.
    Früher gab es mehr Vertreter des Genre Rätselspiele oder täusche ich mich? Das ist irgendwie ein ausgestorbenes Genre. Aber das ist ein anderes Thema.

    Sabine SeggewissTobiLenny
    1. Avatar von Lennart Koch

      Das liegt mit Sicherheit daran, dass den meisten die hier kommentiert haben, die Geschichte und Atmosphäre wichtiger ist als die Herausforderung. Wenn dir die Herausforderung wichtig ist und du deswegen ein Spiel gerne spielst, dann ist das ja auch gut.

      Tobi
    2. Avatar von Sabine Seggewiss

      Hallo Alex,
      erst mal danke für den Kommentar.
      Zum einen steht bei mir persönlich die Herausforderung weniger im Vordergrund – weshalb es ja auch ein Artikel aus der Sicht meiner eigenen Spielesammlung geschrieben ist (und das ich da gerade sehr am Witcher hänge und nebenbei Gris zum zweiten Mal spiele sollte aufgefallen sein xD). Aber natürlich hast du damit auch irgendwie Recht, es gibt Spieler, die die Herausforderung suchen. Sei es in Rätseln, sei es in der Art wie „schwer“ das Spiel ist oder wie verwirrend die Geschichte ist. Ich kann das sogar bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen – ich mag Point&Click Adventure in manchen Phasen echt gerne und dann suche ich auch die genau die Rätsel und kleinen Herausforderungen, die du ansprichst.
      Catherine und Proteus sagen mir persönlich nichts, aber vielleicht werfe ich mal einen Blick darauf 😉 mit Simulationen kann ich leider gar nichts anfangen, kenne aber jetzt schon einige Leute im Bekannten-/Freundeskreis, die genauso vom Landwirtschaftssimulator begeistert sind und darauf hängen geblieben sind. Finde ich toll…
      … vielleicht ist es Mal an der Zeit, dass jemand über solche Spiele schreibt oder Rätselspiele oder das Rätselspilgenre, damit es nicht in Vergessenheit gerät <3

      Tobi
  2. Avatar von Romplayer
    Romplayer

    Die Erkenntnis ist also, dass Spiele unterschiedlich sind und gerade diese Abwechslung gut ist?
    Das gilt natürlich auch für alle möglichen anderen Bereiche des Lebens. Heute Abend schaue ich mir eine Komödie an, morgen einen Actionfilm und übermorgen einen Horrorstreifen. Und ich wähle (nach Corona) nicht bei jedem Restaurantbesuch den Italiener, sondern besuche auch mal einen Asiaten oder die deutsche Küche. Wenn ich abends abschalten will, höre ich Lounge-Musik, wenn ich aber zum Feiern gehe, stehe ich mehr auf Techno. Und wenn ich zwei Wochen Urlaub mache, bin ich nicht die ganzen 14 Tage am Strand, sondern gehe auch mal in ein Museum oder schlendere durch die Orte in der Gegend.
    All diese Beispiele lassen sich auch ummünzen auf die jeweilige Dauer: Mal habe ich Lust auf 20 Minuten Sitcom, mal auf 2 Stunden Spielfilm. Mal auf McDonalds und dann wiederum auf den ruhigen Abend beim Italiener. 3 Wochen Malediven oder 3 Tage Kurzurlaub in Paris.
    Kurzum: Unsere Welt ist vielseitig und das ist auch gut so 🙂

    Sabine SeggewissTobiLenny
    1. Avatar von Sabine Seggewiss

      Hallo Romplayer 🙂
      danke für den Kommentar und ja, er trifft das, was ich unter anderem mit dem Artikel ausdrücken wollte ziemlich auf den Kopf: „unsere Welt ist vielseitig und das ist auch gut so“
      Trotzdem fand ich es einmal interessant, die Spiele von unterschiedlicher Länge nebeneinander zu stellen. Vor allem, weil ich das Gefühl habe, dass Spiele häufig nur mit Spielen gleicher Länge verglichen werden. Witcher mit GTA V oder Skyrim, Gris mit Journey oder Abzu – die Liste der jeweiligen Vergleichsspiele kann hier nach belieben erweitert werden.
      Und dabei habe ich mir eben die Frage gestellt, warum das so ist. Warum nicht mal ein 150+ Stunden-Spiel neben ein Spiel setzen, dass mich für zwei Stunden fasziniert und dann ist es vorbei? Vielleicht wollte ich mich auch selber damit testen, ob mir sowas gelingt und ich alle Punkte – die mir wichtig sind in Spielen – zu gleichen Teilen bei beiden Spielen im gleichen Maße finde.
      Und meine Antwort darauf: ja, definitiv 🙂 und das ist gut so

      Tobi
  3. Avatar von Tobi

    Danke Sabine für deinen Beitrag 🙂
    Ich finde, die Länge eines Spiels irgendwie relativ. Gemessen an der reinen Spielzeit, die ich mich dort aufhalte, war bis heute denke ich Final Fantasy VII auf der PS1 mit – wenn ich mich recht erinnere – 45h mein Mammutprojekt. Ja, nur. Richtig gelesen. Und das war 1997, als ich noch Unmengen mehr Freizeit hatte als heute.
    Ich hab’s anscheinend einfach nicht so mit epischen Stories. Ich finde sie interessant, das schon, aber ich erliege auch schnell dem Drang, im Spiel endlich weiterzukommen. Endloses Rumgeeiere oder immer wiederkehrende „hol dies, bring jenes“ Quests machen mich irre und töten ein Spiel für mich.
    Angesichts meiner heutigen Zeiteinteilung stehe ich tatsächlich auf kurze, nicht zu komplizierte Spiele mit wenig Leerlauf. Wobei ich Stress in Spielen ebenfalls verabscheue, ich möchte mich entspannen und abtauchen. Stress hab ich genug (und wieder ein hallo an Couchgesprache.de 👋)

    Ich habe z.B. Lost Ember auf Kickstarter mitfinanziert, welches ein wirklich gutes Spiel geworden ist. Dennoch habe ich es, seit ich damit durch bin, nicht noch einmal angefasst. Mir fehlen unglaublich viele Errungenschaften, weil ich weitgehend dem roten Faden gefolgt bin ohne ständig abzuschweifen. Das Spiel lädt dazu ein, aber nee, ich wollte einfach fertig werden. Dafür wurde es mir später schon wieder zu zäh und wirkte für mich persönlich in die Länge gezogen, dass ich mich echt zusammenreißen musste. Aber ich hab’s geschafft.
    Ich bin aber bestimmt nicht der Ideal-Standard-Spieler, manchmal mag ich Tage oder Wochen nicht, weil ich nicht kann, oder weil ich einfach nicht mag. Und wenn ich mag, dann möchte ich weiterkommen. Verständlich, denke ich. Daher sind meine Favoriten in erster Linie kürzere, überschaubare Spiele, die mich aber sofort ansprechen und in ihrer Atmosphäre gefangen nehmen. Das hatten wir gerade erst in einem anderen Beitrag. Schafft es das Spiel nicht ziemlich schnell, bin ich leider schon wieder weg, sorry.

    Sabine SeggewissJessica Kathmann
    1. Avatar von Tobi

      Ich merke gerade, dass ich etwas abgeschweift bin, die Uhrzeit…
      Womit ich meinen Kommentar begann, dass ich Spielzeit als relativ ansehe, daraus sollte der Gedanke werden, dass kurze Spiele – wenn sie denn gut für mich gefüllt sind – einfach fesseln können und die Zeit recht egal ist.
      Zieht sich das Geschehen hingegen, wird es zäh und die Spielzeit wird nicht effektiv und sinnvoll genutzt.
      Ähnlich wie bei einem Fußmarsch, die lange Gerade kann sich seeeehr dehnen. Ist der Weg hingegen kurvig und / oder abwechslungsreich, vergeht die Zeit viel schneller. So in etwa hatte ich mir das vorgestellt 😉

      Sabine Seggewiss
      1. Avatar von Sabine Seggewiss

        Hallo Tobi,
        danke für den langen Kommentar. Ich finde es nicht schlimm, dass du abgeschwiffen (?) xD bist.
        Lange habe ich auch gedacht, dass ich „zu“ langen Spielen nichts abgewinnen kann – ich brauche eine Geschichte, der ich folgen kann und die nicht irgendwann die Anziehungskraft verliert, weil einfach nichts vorwärts geht. Und deshalb habe ich auch nach langer Zeit Spiele wie WoW links liegen gelassen (obwohl ich da auch einiges an Zeit rein versenkt habe), weil ich keine Lust mehr auf das Sammeln von fünfzig Hauer-Zähnen hatte. Ich mag es, wenn lange oder große Spiele genug Quest und Geschichte haben, dass man auch nur durch verfolgen der Hauptquest genug Level erlangt, um bis zum Ende zu kommen. Spiele, bei denen ich gezwungenermaßen x Nebenquests erledigen muss, sind mir irgendwann zu öde. Gerade deshalb hat mich der Witcher so überrascht – mir ist es zum einen so vorgekommen als müsste ich die ganzen Nebengeschichten nicht verfolgen, um am Ende nicht instant tot zu sein und zum anderen ist mir teilweise gar nicht aufgefallen, dass das was ich da tue nur eine Nebenquest ist, bis die Quest abgeschlossen war und ich gemerkt habe, dass es keinen Fortschritt in der Hauptquest gab.

        Lost Ember – da klingelt irgendwo ganz entfernt eine Glocke, dass ich das schon mal gehört habe. Ich werde Mal einen Blick drauf werfen und falls ich es spiele, bekommst du eine Rückmeldung 😉

        Tobi
        1. Avatar von Tobi

          Ich finde, Lost Ember hat seine Schwächen und Längen, ist aber für ein Debütwerk einer jungen Spieleschmiede durchaus gelungen und vorzeigbar.
          Ich persönlich würde auf einen Sale warten.

  4. Avatar von André Eymann

    Richtig Sabine. Es kommt nicht auf die Länge an … Ich würde sogar ergänzen: die Länge ist auf gar keinen Fall ein Kriterium für ein „gutes“ Spiel.

    Je mehr Spiele ich spiele (und das mache ich ja bereits seit den frühen 1980er Jahren) desto klarer wird mir, dass das Kunstwerk Videospiel den gleichen Regeln unterworfen ist, wie beispielsweise die Literatur oder die Filmwelt. Damit meine ich, dass es viele verschiedene künstlerische Aspekte sind, die mich an das Werk binden. Ich vergleiche heutzutage Spiele mehr denn je mit Büchern. Deshalb ist mir „die Geschichte“ oder „die Aussage“ wichtiger denn je. Mich berühren deshalb Spiele wie Firewatch viel mehr, als ein Call of Duty. Obgleich beide Spiele, objektiv betrachtet, sehr gute Spiele sind.

    Tendenziell würde ich aber in meiner Wahrnehmung dazu neigen, „kurze“ Spiele mehr Schlagkraft zuschreiben, wenn sie gut gemacht sind. In Bezug auf das hier mehrfach erwähnte epochale The Witcher 3 ist das allerdings kein Widerspruch. Denn mit Geralt kann ich eben auch „kurze“ Spiele im Spiel erleben. Und auch diese Geschichten sind gut erzählt und geschrieben.

    Deshalb würde ich in jedem Fall als wichtiges Kriterium bemessen, „wie“ mich das Spiel anspricht und „was“ es mir mitteilen will. Und dabei spielt die Länge keine Rolle, sondern die Sprache, wie das Spiel mich berührt und welche Gefühle es in mir auslöst. Das eine Metapher oder Projektion dabei eine wichtige Rolle spielen kann ist für mich selbstverständlich. Genau so wie bei einem guten Buch.

    Sabine SeggewissJessica KathmannTobi
    1. Avatar von Sabine Seggewiss

      Lieber André,
      danke für deinen Kommentar. Den Vergleich zwischen Spiel und Buch finde ich einen guten. Vor allem weil ich Leseratte langsam entdecke, dass es für mich immer schwieriger wird ein Buch oder gar eine Buch-Reihe zu finden, die mich packt und mich über die Länge ihrer Seitenanzahl in Bann zu ziehen.
      Und ich muss zugeben, ich bin froh, dass es bei Videospielen bei mir noch nicht so weit ist (als aktive Spielerin würde ich mich erst seit Anfang 2010Jahre bezeichnen). Ja, ich gebe dir Recht, dass tendenziell kleine Spiele die größere Schlagkraft haben, weil sie eben auf sehr kleinem Raum mehr ausdrücken müssen, als die großen Giganten unserer Zeit. Und das ist bestimmt keine leichte Aufgabe. Aber die großen Giganten wie Witcher, GTA, Sykrim und wie sie alle heißen haben dafür eher das Problem, dass sie nicht abschweifen dürfen – das sie ihre Geschichten so erzählen müssen, dass sie nicht zäh, dröge oder langweilig wirken. Ich schätze, da hat jedes „Längen-Genre“ seine eigenen Probleme, die es meistern muss.

      Tobi
  5. Avatar von Jessica Kathmann

    Liebe Sabine,

    vielen Dank für diesen Beitrag! Mir geht es ganz ähnlich wie dir und sicher finden sich die meisten der Leser hier auch darin wieder. Für mich ist ebenfalls die Länge nicht entscheidend. Ich habe The Witcher 3 sehr genossen, aber auch Gris war auf seine Weise ganz fantastisch. Mir bleiben Spiele vor allem dann in Erinnerung, wenn sie mich auf irgendeine Art besonders berühren. Bei Gris war es die „Blue“-World, die mich endgültig verzaubert hat. Bei Witcher sind mir mehr die kleinen Details (ja, auch die wunderschönen Atmosphären und grafischen Tortenstücke) in Erinnerung geblieben, abgesehen natürlich von ein paar sehr einprägsamen Momenten der Hauptquest. Rakuen ist ebenfalls ein Spiel, das trotz seiner Kürze für mich zu den absolut prägenden Erfahrungen und Lieblingsgames zählt – in keinem Spiel habe ich so viel geweint wie dort.
    In eine ganz andere Kategorie von Lieblingsspiel fällt für mich „Stronghold“ (2001). Da kann ich nicht mal genau sagen, wieso. Ob es da der Nostalgiefaktor ist? Irgendwas reizt mich daran bis heute enorm. Sicher spielt auch die so sehr vertraute Musik eine große Rolle…
    „Child of Light“ ist für mich auch so ein Spiel, das wohl über die Atmosphäre wirkt. Über dieses Spiel wollte ich auch irgendwann mal einen Artikel verfassen…

    Ach, es gibt eine ganze Menge an Spielen, die mir aus verschiedensten Gründen im Gedächtnis bleiben werden und auf ihre ganz spezielle Art einen Platz in meinem Herzen gewonnen haben… aber wenn eine Sache dafür nicht entscheidend ist, dann ganz bestimmt die Länge, da schließe ich mich dir an!

    TobiAndré EymannSabine SeggewissLenny
    1. Avatar von Sabine Seggewiss

      Liebe Jessica,
      danke für deinen lieben Kommentar =)
      Ich muss zugeben, dass der Witcher bei mir sehr lange auf Halde lag und ich nie über den ersten „Endgegner“ (den Greifen) hinaus gekommen bin. Als ich es dann geschafft hatte, habe ich mich regelrecht geärgert, warum ich nicht früher weiter gekommen bin. Die Geschichte ist so toll erzählt, die Nebenquests ergeben Sinn und geben der Welt Tiefe und trotzdem ist es nicht so, dass man selbst nicht auch Einfluss auf die Welt mit seinen Entscheidungen hat. Einfach toll.
      Gris wurde mir geschenkt und kam zu einem Zeitpunkt in mein Leben, wo ich selber mit mir und meiner Umwelt zu kämpfen hatte – es hat also auf so vielen Ebenen in meinen Alltag gepasst, dass es mich von Anfang an gefangen genommen hat. Und ich bin froh, dass ich damit nicht die einzige bin.
      Rakuen liegt seit es bei den Rocketbeans vorgestellt wurde bzw. Game Two auf meinem Pile-of-Shame. Ich muss das immer noch spielen, weil ich das Setting so interessant finde und eben auch glaube, dass sich hier so eine tolle, erlebbare Geschichte verbirgt, dass ich dafür Mal Zeit brauche, um mich ganz darauf einzulassen. Child of Light ist eines der weniger Spiele, die ich auf der Playstation durch gespielt habe und ich fand es vom Stil, der Geschichte und der Aufmachung her einfach wundervoll! Danke fürs Erinnern 😉
      Und Stronghold sagt mir nichts – da ich aber nicht vor älteren Spielen zurück schrecke, setze ich es einfach auch Mal auf meine Liste.

      TobiLennyJessica Kathmann
      1. Avatar von Jessica Kathmann

        Liebe Sabine,

        ja, die Witcher-Welt hat es mir auch angetan, insbesondere durch die vielen kleinen, liebevollen Details. Ich erinnere mich z.B. an ein Kind, das Geralt lispelnd entgegenruft: „Mein Fahn ift rauf! Willft du mal fehen?“. Oder an die bürgerlichen Damen, die in Beauclair versuchen, einen Schmetterling auf ihre Hand zu bekommen… Nicht zu vergessen die unheimlich witzige Waideler-Quest, in der Geralt mit einem Glöckchen in der Hand eine Ziege durch die Gegend bimmelt und er das so fantastisch kommentiert (leider erinnere ich mich nicht an den genauen Wortlaut). Und ja, das hat Lennart ja schon angesprochen, das ist nicht in allen großen Welten so. Zwar hat man auch The Witcher 3 z.T. nachgesagt, manche Landstriche seien leer und lieblos, aber das habe ich so nie erlebt. Meine bisherigen Stunden in AC Odyssey lassen mich allerdings diese kleinen Details, die ich am dritten Witcher-Teil so liebe, tatsächlich vermissen…

        Ich freue mich, dass dir Gris offenbar gerade zum richtigen Zeitpunkt über den Weg kam und dich in dieser Zeit begleiten konnte!
        Das Rocketbeans-Video zu Rakuen muss ich mir unbedingt ansehen, das kenne ich noch nicht!

        Stronghold gibt es übrigens grade im Steamsale für 99ct ! (https://store.steampowered.com/app/40950/Stronghold_HD/)

        TobiLennySabine Seggewiss
        1. Avatar von Sabine Seggewiss

          Ja, eben diese kleinen Details machen es beim Witcher 3 aus meiner Sicht aus – ja an die Glocke erinnere ich mich gut xD oder an jede Begegnung mit meinen Lieblingsnebencharakteren: Godlings (ich habe auf Englisch gespielt) und insbesondere Johnny… diese frechen kleinen Biester 😀
          Ob es bei Rakuen wirklich ein längeres Video war oder nur ein Spiele-Beitrag während GameTwo kann ich leider nicht mehr genau sagen. Es ist nur während der Vorstellung des Spiels einfach in meinem Kopf hängen geblieben und dümpelt seitdem auf meiner Wishlist in Steam ^^°

          Jessica KathmannTobiLenny
  6. Avatar von Lennart Koch

    Sehr schöner Text, bei dem ich dir in vielen Belangen zustimme.
    Was mir sofort aufgefallen ist, dass du in deinem Text gar nicht auf die spielerische Komponente eingegangen bist. Es geht um die Geschichte, die Atmosphäre und die Grafik. Aberzieht darum, wie sich ein Spiel spielen lässt. Viele würden wahrscheinlich sagen, dass dies kein unwichtiger Punkt ist. Ich muss aber sagen, mir ist das Spielerische auch nie so wichtig. So lange es mich nicht nerv, dass heißt im Vorankommen hindert, dann ist die spielerische Ebene für mich zweitrangig. Deswegen mag ich es auch nicht, wenn Spiele schwer sind. Ja, scheitern und sterben gehört zu einem Spiel, ist für mich aber trotzdem Zeitverschwendung, da es nie in einer Geschichte sinnvoll eingebunden ist. Aber ich schweife ab.
    Was alle Titel, egal ob ich manche mag oder nicht, da ist jeder Geschmack unterschiedlich, gemeinsam haben, ist, dass sie mit Inhalt gefüllt sind. Inhalt den das Spiel von sich aus hat, aber auch Inhalt den ich mit ins Spiel bringe. Ein Witcher 3 steckt so voll mit Missionen, Geschichten, Figuren und so weiter, aber auch ein GRIS steckt voller Geschichten. Sei es die des Mädchens, aber vielleicht auch die eigene. Gerade ist gefühlt 95% im Animal Crossing-Fieber (ich auch) und auch dort gibt es immer wieder Geschichten und Erlebnisse. Vor kurzem habe ich das Spiel A Fold Apart gespielt. Eine Geschichte über eine Fernbeziehung. Wunderschön und klein mit einer tollen Atmosphäre, einer berührenden Geschichten tollen Figuren.
    Worauf es am Ende bei jedem Spiel ankommt ist der Inhalt. Nicht die Menge an Inhalt. Asssassin’s Crew Odyssey hat tonnenweise Inhalt, aber die Welt ist trotzdem tot und leer für mich. Es geht darum, ob mich der Inhalt begeistern kann, ob er mich mitfühlen lassen kann. Wenn ein Spiel das schafft, kann ein 100 Stunden Spiel die Zeit deines Lebens sein, aber wenn es das nicht schafft, kann ein Spiel von einer Stunde die reinste Zeitverschwendung sein.

    TobiAndré EymannJessica KathmannSabine Seggewiss
    1. Avatar von Sabine Seggewiss

      Hallo Lennart,
      vielen Dank für deinen Kommentar =)
      Freut mich, dass dir der Artikel gefallen hat und du mir in vielen Dingen zustimmen kannst. Ich finde, du schweifst gar nicht ab, weil natürlich auch die spielerische Ebene wichtig ist und dazu gehört. Aber ich bin da ganz bei dir: Souls like Spiele reizen mich nicht und ich hab eine sehr niedrige Frustationsgrenze, was häufig sterben angeht. Bin im Moment dabei „Ori and the blind forest“ zu spielen und zwar auf niedrigster Schwierigkeitsstufe, weil mich die Umgebung schon so oft killt, dass ich dieses – wirklich schöne Spiel – meist nie länger als 1-2 Stunden spielen kann, bevor ich es genervt abschalte. Die Grafik und auch die Atmosphäre hier sind einfach toll, dass ist das was mich hier hält – aber ein Bloodborne oder Dark Souls packt mich in diesen Belangen einfach gar nicht und da ist mir die Geschichte an sich auch viel zu verworren – wie war das: du musst eigentlich um die Geschichte von Bloodborne zu verstehen, dass extra Lore-Buch lesen, weil sonst versteht man das nicht? Danke, ich bin raus 😀
      Und ja, da sind für mich eben Spiele wie Witcher 3 und Gris und Journey und und und so viel angenehmer. Ich kriege eine Geschichte erzählt und kann trotzdem noch selber Einwirken um mich in die Geschichte mit einzubringen, oder sie auf meine eigene Realität übertragen. Sowas ist für mich einfach wundervoll… sich verlieren, die Zeit vergessen und dann nach 10 Stunden am Stück langsam wieder auftauchen. Wie bei einem guten Buch!
      Von A Fold Apart hatte ich auch schon gehört und werde es mir jetzt mal auf meine Liste bzw. meinen Pile-of-Shame dazu fügen 🙂

      TobiJessica KathmannLenny
    2. Avatar von Jessica Kathmann

      Lieber Lennart,

      ich kann mich dir auch nur anschließen! Für mich persönlich ist die Spielmechanik meist auch nur insoweit bedeutsam, wie sie den Spielfluss fördert bzw. schlimmstenfalls hemmt. Zwar ist es durchaus erfreulich, wenn mir ein Game viele Möglichkeiten bietet, z.B. Gegner elegant um die Ecke zu bringen, aber deswegen landet es bei mir nicht automatisch auf der Liste der für mich wirklich bedeutsamen Spiele. Die neuen Tomb Raider-Teile sind da für mich ein gutes Beispiel. Sie haben mir wirklich Spaß gemacht, ich hatte auch viel Freude daran, mit den Kill-Mechaniken zu experimentieren oder die meist wirklich gut funktionierenden Kletterpassagen zu absolvieren, aber deswegen würde ich die Games nicht nochmal spielen. Zwar gab es einzelne Cutscenes, die mich sehr bewegt haben, aber irgendwie hat es für mich doch nicht ales „Ganzes“ so richtig gut funktioniert, bzw. kann ich mir auf magische Weise die Storys der Tomb Raider-Reihe einfach nie merken… *grübel* Aber ich weiß, dass ich in Paititi Lamas gestreichelt habe!

      Mir scheint es, als ob es einfach sehr verschiedene Herangehensweisen daran gibt, was ein Spiel für einen zum Lieblingsspiel macht. Manche Menschen brauchen gerade die Herausforderung, erleben ihre größten Momente in Soulslike-Games, wenn sie nach dem hundertsten Versuch endlich den Gegner killen. Klar, das setzt Dopamin frei und kitzelt das Belohnungssystem, sorgt für Selbstwirksamkeitserfahrungen und so weiter. Vielleicht ist das insbesondere für Menschen, denen im realen Leben solche Erfahrungen schmerzhaft fehlen, ein besonders wichtiger Punkt.
      Auf den schweren Schwierigkeitsgraden spiele ich tatsächlich höchstens mal Simulationen wie Stronghold – da habe ich großen Spaß, ggf. auch mehrere Anläufe zu brauchen und dann belohnt zu werden.
      Aber bei Story-getriebenen Spielen wähle ich immer den „normalen“ Schwierigkeitsgrad (mal abgesehen von Celeste, wo mir der Assist Mode in den letzten Levels großartige Dienste geleistet hat…). In ganz seltenen Fällen auch mal den leichten, weil ich da nicht zig Mal scheitern will und bis dahin schon wieder halb vergessen haben möchte, warum ich eigentlich grade mache, was ich mache…

      TobiLennySabine Seggewiss
      1. Avatar von Lennart Koch

        Oh was Tomb Raider betrifft, ist das die berühmte Ausnahme die die Regel bestätigt. Ich stimme dir vollkommen darin zu, dass das Tomb Raider Reboot auf der geschichtlichen Ebene und auf der Figuren Ebene eine Katastrophe ist. Aber rein spielerisch ist die Reihe ein Hochgenuss. Es macht einfach soviel Spaß, weil es sich gut anfühlt und so befriedigend ist. Ähnlich war es dann bei mir später auch mit Horizon Zero Dawn. Die Geschichte hat mich null gepackt, aber die Welt und wie sich das Spiel spielt ist einfach richtig gut.

        Eine Spiele-Reihe die ich aber unbedingt noch nennen muss, ist Mass Effect.. Die ganze Reihe (ja auch Teil 4) sind für mich die perfekte Symbiose aus allem was hier schon angebracht wurde. Die Geschichte ist toll. Die Figuren liebe ich und noch mehr als die große Geschichte über den Kampf gegen die Reaper, liebe ich die kleinen persönlichen Geschichten meiner Crewmitglieder. Dazu die Atmosphäre und die Musik. Besser geht es fast nicht.

        Sabine SeggewissJessica KathmannTobi