Haunted House war dann noch eine Stufe weiter in der Entwicklung. Wie immer supersimple Grafik, aber das macht gar nichts, denn meist ist sowieso der ganze Bildschirm dunkel und man sieht nur ein Augenpaar, in die Richtung blickend, in die man läuft.
Per Knopfdruck kann man ein Streichholz anzünden und sieht dann einen klotzigen Lichtschein um das Augenpaar. In dem Lichtschein kann man die Wände wahrnehmen, gegen die man sowieso dauernd rennt. Türen verbinden in jedem Stockwerk sechs Räume, Treppen an den Aussenseiten verbinden die Stockwerke. Superminimalistisch und mit echtem Charme.
Die Aufgabe? Drei Teile einer Urne finden, zusammensetzen – das geht automatisch – und in den Startraum bringen. In der einfachsten Stufe ganz simpel. In der nächsten wirds dann dunkel und man rennt immer gegen die Wand. Stufe drei: Die Türen sind teilweise verschlossen und man muss den Schlüssel tragen, um durchzukommen. Dabei hört man nur die tapsenden eigenen Schritte, das Türenschlagen wenn man durch eine Tür geht, das dauernde gegen die Wand rennen und das Treppensteige-Geräusch. Ansonsten Totenstille.
Im Haus irren diverse Monster umher: Eine Spinne, ein Geist, eine Fledermaus. Da man immer nur den einen Raum sieht in dem man gerade herumläuft, rennt man unweigerlich beim Durchqueren einer Tür in eines der Monster, was mit einem lauten Blitzdonnergeräusch quittiert wird und einem einen riesen Schreck durch die Glieder fahren lässt. Man sollte dieses Spiel auf jeden Fall in einem dunklen Zimmer spielen und den Ton laut aufdrehen. Tolle Atmosphäre, auch ohne aufwändige Grafik. Das macht sogar heute noch Spaß. Das einzige Spiel, an das ich mich erinnern kann, dass mir ähnlichen Schrecken eingejagt hatte, war Resident Evil auf der Playstation. Da gab es eine wirklich üble Situation: als ich einen Raum betreten hatte, nur ein tapsendes Geräusch hörte und sich plötzlich eine Riesenspinne von der Decke abseilte. Vor lauter Panik schaltete ich einfach das Gerät ab. Ohne zu speichern. So läuft das eben.
Nachdem dann viele der Programmierer bei Atari gegangen sind, ging es los mit den unabhängigen Firmen wie Activision und Imagic. Diese entwickelten jede Menge Spiele für das VCS, die allesamt viel bessere Grafik als die Originalspiele von Atari hatten. Ich erinnere mich an River Raid (seit 2002 nicht mehr auf dem Index, ist ja auch lächerlich), Seaquest, Demon Attack und Cosmic Arc.
Was da aus dem kleinen Prozessor und dem winzigen Speicher alles rausgequetscht wurde, war wirklich einmalig. Besonders lustig war Decathlon. Das ist eine Heimvariante des Spielhallenspieles Hyper Olympics, einer Simulation von verschiedenen Olympischen Sportarten. Man hat einen kleinen Mann und muss einen Zehnkampf bestehen. Dieser besteht in fast allen Disziplinen aus viel Laufen und im richtigen Moment den Feuerknopf drücken, um z.B. zu Springen oder zu Werfen. Der Knackpunkt ist das Laufen. Man muss den Joystick so schnell wie möglich nach links und rechts, links, rechts, links, rechts drücken, um den Mann zum Laufen zu bringen. Je schneller man hin- und her steuert, desto schneller läuft der Mann. Und ich meine wirklich: schnell. Der-100 Meter-Lauf dauert nur ein paar Sekunden, aber man kommt dabei wirklich ins Schwitzen, so anstrengend ist es. Die absolute Krönung ist dann der 1000 Meter Lauf. Hier waren die Programmierer gnädig und man musst relativ langsam und locker hin- und her steuern.
Aber da der Lauf einige Minuten dauert, hat man schon nach der Hälfte richtige Schmerzen in der Hand und musste die Hand wechseln. Auf diese Weise entwickelte man die seltsamsten Joystick-Festhalte-Techniken. Die letzten 100 Meter sind dann der Endspurt, bei dem man wie vorher beim 100 Meter Lauf das richtige Tempo einlegen muss – mit bereits schmerzender Hand. Diesem Spiel fielen sehr viele Joysticks zum Opfer. Ein paar Runden Decathlon und jeder noch so robuste Joystick war hinüber. Das Spiel hatte bald den Spitznamen „Joystickkiller“.
Zu dieser Zeit war das kleine Atari längst nicht mehr der neueste Stand der Technik. Es kamen andere Konsolen auf den Markt: Colecovision, Intellivision und wie sie alle hiessen. Mit diesen modernen Grafikfeatures konnte das VCS einfach nicht mithalten. Aber diese Systeme hatten auch ihre Macken. So waren z.B. die Spiele des Colecovision immer ziemlich langsam. Das lag wohl am Prozessor, der mit der größeren Belastung durch die aufwändige Grafik einfach nicht mehr mithalten konnte. So träge Spiele gab es beim VCS nicht. Natürlich lief die ganze Sache genauso ab wie heute noch: Die Käufer schauen in erster Linie auf die Grafik und die technischen Daten. So wurde es für das kleine Atari immer schwerer.
Auch die unabhängigen Firmen wie Activision fingen an, ihre Spiele für die neuen Systeme umzusetzen.
Buch: Level 1 – Gulp, Kapitel 4, Seite 25
GULP SPLAT ZONG – DAS BUCH
Dieser Text ist Yodas Buch „Gulp Splat Zong“ entnommen.
Dank seiner Lektüre werden wir nicht nur in die ersten Sternstunden der Arcade-Automaten in Deutschland zurückversetzt, sondern erinnern uns an Atari VCS Klassiker wie Haunted House und an das schier endlose Abtippen von BASIC-Listings in den goldenen Tagen der Heimcomputer. Bei uns könnt ihr verschiedene Texte von Yoda lesen; sein Buch in gedruckter Form könnt ihr direkt auf seiner Webseite erwerben.
Wir versprechen: es lohnt sich!
Schreibe einen Kommentar