Schon zum dritten Mal finde ich mich in einem abgeschlossenen Levelbereich wieder. Alle Feinde wurden von mir besiegt, die Musik ist verstummt und ich weiß, dass es hier irgendwo einen Ausweg geben muss. Und da steht sie wieder, die Kiste, an der ich meine Explosivgranaten aufstocken kann. Und das bedeutet für mich vor allem: Hier muss ich irgendwo eine Granate hinwerfen, die irgendetwas zerstört, woraufhin dann irgendwo der Weg geöffnet wird. Willkommen in der Half-Life 2 Mod Year Long Alarm.
Wie ich Half-Life suchte und Granaten fand
Vieles, wenn nicht sogar alles, erinnert dabei an Half-Life 2: Klebrige Schlingen von Barnacles hängen von den Decken und wollen uns zu sich in ihren hungrigen Rachen ziehen, Combine-Soldaten jagen durch dunkle Gänge und auch die brennenden, auf uns zurollenden Explosivfässer dürfen nicht fehlen.
Year Long Alarm bedient sich an bekannten Mechaniken, Situationen und Settings der großen Originals und versucht sich an einer kurzen und kurzweiligen Imitation. Ist das nun Half-Life oder ist das nur Source-Engine?
Die Antwort lautet: Half-Life ist mehr als die Summe seiner Assets, und genau das ist auch der größte Kritikpunkt an Year Long Alarm. Denn während ich durch die Levels streife und dabei in gewohnter Manier Combine und Headcrabs mit Maschinenpistole und Farbeimern beschieße, vermisse ich ein großes Ganzes.
Wer bin ich hier? Für was kämpfe ich? Wo laufe ich hin und vor was laufe ich davon? Eine solche Rahmung, die Einbettung der Spielmechaniken in eine Geschichte, fehlt hier leider völlig. Schade, denn hier verschenkt Year Long Alarm viel Potenzial.
Immer wieder Half-Life
Es ist schon irgendwie erstaunlich, dass motivierte Entwickler und Modder immer noch Spiele und Mods im Stil von Half-Life 2 entwickeln – schließlich hat das Spiel mittlerweile schon 14 Jahr auf dem Buckel. Das liegt vor allem daran, dass die Entwicklung in der Source-Engine sehr eingängig ist und viele Assets, Abläufe und Teilaspekte wie beispielsweise das KI-Verhalten, perfekte Vorlagen bieten.
Year Long Alarm gehört in diesem Mod-Umfeld dabei zu den besseren Versuchen, auch wenn es relativ kurz ist und völlig ohne Story auskommt. Der Einsatz der Half-Life-typischen Industrial-Musik, die kurzen und knackigen Kämpfe und die stimmigen Levels sorgen für wohlige Erinnerungen an das große Vorbild, obwohl es nie und in keiner Weise daran heranreichen kann.
Und so endet die Mod genauso schnell, wie sie begonnen hatte. Dass bei meinem Spieldurchlauf dann auch noch eine (ungewollt) komische und Source-Engine-typische Physikeinlage das letzte Bild ist, das ich von Year Long Alarm zu sehen bekomme, vervollständigt dabei meinen persönlichen Eindruck.
Wer Wert auf Story und Tiefe legt, dem kann man Year Long Alarm leider nicht empfehlen. Wer sich jedoch in bester Old-School-Manier mit Gravity Gun durch Combine-Gruppen schießen und den Gameplay-Vibe von Half-Life 2 erleben will, sollte sich dieses kurze Abenteuer nicht entgehen lassen und dabei immer Ausschau nach Granatenkisten halten.
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