Am 15. Oktober 2021 erreicht die Retrocommunity ein Hilferuf! Andrés geliebter Commodore 64 funktioniert nicht mehr und wirft nur noch ein schwarzes Bild auf die Röhre. Nach einem Ideenaustausch mit und vielfältigen Hilfsangeboten von vielen lieben Menschen, entscheidet sich André seinen C64 in meine Hände zu geben. Aber was ist eigentlich defekt? Das ist die spannende Frage und Gegenstand der Diagnose.
Vorwort
Von André Eymann
Dieser Beitrag und der Einsatz von Thilo für meinen C64 ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie liebenswert und hilfreich die Community rund um „alte Hardware“ heuzutage ist. Mich bewegt es sehr, wie schnell und unbürokratisch man sich hier gegenseitig hilft und das sogar länderübergreifend. Für jedes Problem findet man eine Lösung und das wichtigste: man wird nicht allein gelassen. Danke an alle da draußen, die sich kümmern und mit viel Leidenschaft anderen helfen! Ihr seid die guten Seelen, ohne die viele großartige Geräte im Sondermüll landen würden und so manche Stunde des Glücks, mit eben diesen Systemen, nicht mehr geteilt werden könnte.
Die Retro-Community
Aus der Community kommen schnell mehrere Vermutungen und Hinweise, sowie Hilfsangebote. Großartig!
Die häufigsten Verdächtigen sind hier der VIC-II, der PLA, der RAM oder die Logikchips. Vor allem die RAM und Logik-ICs von µT (Micron Technology) und MOS (MOS Technology, später Commodore Semiconductor Group) sind berüchtigt für ihre hohe Ausschußquote.
Es kann auch sein, daß defekte ROM-Chips den C64 lahmlegen. In den ROMs sind das BASIC und beispielweise der Zeichensatz abgelegt.
Exkurs: Die wichtigsten Chips des C64
- Der VIC-II ist der Videochip des C64 und für die Graphikausgabe in Richtung Monitor oder Modulator zuständig.
- Der PLA ist quasi das Gehirn des C64, das allen anderen Chips, auch der CPU, sagt, wann sie mit wem arbeiten dürfen.
- Der RAM ist der flüchtige Hauptspeicher.
- Die Logikchips unterstützen den RAM und die Schnittstellen dabei festzulegen, wer sonst noch an der Reihe ist.
Diagnose und Reparatur
Eine knappe Woche nach dem Notruf kommt ein großes Paket aus Norddeutschland bei mir an.
Im allerersten (!) Schritt nehme ich mir Andrés Netzteil vor. Das Original Commodore-Netzteil hat von Haus aus etliche Konstruktionsfehler und nach so langer Zeit kann es durchaus sein, daß es kaputt ist. Der typische Fall ist das Versagen des 5V-Spannungsreglers und damit zu hohe Spannungen am C64. Das würde einen großen Schaden anrichten.
Zum Glück ist das Netzteil aber okay. Es bekommt von mir zunächst temporär, später dauerhaft einen C64Saver eingebaut. Der C64Saver unterbricht die 5V-Spannungsversorgung, wenn die Spannung vom Netzteil zu hoch wird und schützt den C64 vor Schäden. C64Saver halt. 😀
Also weiter zum C64. Vorläufig hängt er an meinem eigenen Netzteil, ebenfalls mit C64Saver.
Der erste Hinweis ist, was der C64 tut – oder vielmehr nicht tut: Es erscheint kein Bild und der Monitor bleibt schwarz. So weit, so gut.
Für die Diagnose gibt es ein paar sehr nützliche Helferlein. Allen voran das Diagnosemodul 586220 und das Dead-Test-Modul 781220. Deren Ergebnisse sind zwar nicht immer konkret und eindeutig, geben aber sehr viele Hinweise, wo der Fehler zu suchen ist.
Der erste Durchlauf mit dem Diagnosemodul und dem vollständigen Testgeschirr ergibt Fehler in den 4264-RAM-Bausteinen U9 bis U24. Das engt das Feld schon etwas ein. Hier vermute ich zunächst defekte RAM-Bausteine oder einen defekten PLA.
Da ich bereits Ersatz-ICs für den RAM habe, und die alten auch noch der berüchtigten µT-Marke angehören, sind das die ersten Kandidaten. Man kann RAM-Chips zwar testen, die Ergebnisse sind aber nicht immer schlüssig. Zuerst versuche ich, einzelne Chips zu wechseln, tausche aber später das komplette Paket von acht Chips.
Erfreulicherweise sind sie bereits gesockelt – vermutlich von früheren Reparaturen – und daher sehr schnell getauscht.
Es wird besser, aber noch nicht gut. Meine nächsten Verdächtigen sind die ROMs. Also entferne ich alle und setze sie nach und nach wieder ein. Mit dem Character ROM 901225 habe ich wieder Ausfälle. Ich setze auch testweise ein Ersatz-ROM ein, komme aber schnell darauf, daß das eine falsche Fährte ist.
Also weiter zum Hauptverdächtigen: dem PLA 906114.
Auch hier habe ich Ersatz auf Lager. Vor langer Zeit hatte ich ein Paar PLA auf Basis von schnellen OTP-ROMs von Tynemouth Software erstanden. Einer der beiden verrichtet seinen Dienst in meinem eigenen C64, der andere wartete auf einen Einsatz.
Mit dem Austausch-PLA läuft der C64 wieder einigermaßen, aber noch nicht zuverlässig. Zu diesem Zeitpunkt sind noch nicht alle RAMs getauscht. Das hole ich jetzt nach.
Er lebt!
Das Ergebnis: Ein glücklicher C64 mit frischem Herzschlag und einem gutem Gedächtnis!
Nach etwas Recherche entscheide ich gemeinsam mit André, den ROM-PLA nicht beizubehalten, sondern eine neuere Lösung auf Basis von GALs einzusetzen. GAL oder Generic Array Logic sind integrierte Schaltkreise, die sich auf einfache, aber dafür sehr schnelle Logikverknüpfungen programmieren lassen.
Daniël Mantione hat diese Lösung für sich entwickelt und bietet sie auch für kleines Geld der Community an. Über sein Forum nehme ich Kontakt zu Daniël auf und bekomme innerhalb weniger Tage druckfrische PLA-Module.
Damit ist Andrés Commodore 64 zumindest elektronisch wieder fit für lange Spieleabende.
Verbesserungen
Ich habe schon beim Öffnen gesehen, daß das Gehäuse über die Zeit auch gelitten hat. Wie bei vielen anderen Gehäusen sind es hier die Clips an der Rückseite, die abgebrochen sind.
Dafür finden sich in meinem Fundus ebenfalls Ersatzteile, hier aus dem 3D-Drucker eines Freundes in Wales.
So ganz passen sie dann doch nicht. Dank Dremel ist das aber fix angepaßt und das Gehäuse schließt wieder ganz sicher.
Ach ja, das Netzteil: André hat sich zwar, genauso wie ich, ein neues Netzteil zugelegt. Ich möchte seines aber nicht unnötig entsorgen. Aus früheren Experimenten habe ich C64Saver-Module sowie passende Projektboxen da. Daher versehe ich sein Netzteil dauerhaft mit einem C64Saver-Überspannungsschutz.
Falls das Netzteil dann doch mal kaputtgeht, läßt sich der C64Saver bergen und für das nächste Netzteil anpassen. Also nicht wegwerfen, André! 😉
Ende gut…
Knappe drei Wochen nach dem Notruf ist der gute alte Brotkasten wieder in den Händen des Eigentümers. Vielen Dank für Dein Vertrauen, André! Ich bin froh, daß ich helfen konnte.
Es ist immer wieder schön, einen Klassiker zu reanimieren und danach in Aktion zu sehen.
Weiterführende Links
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