Der Retro Nerds Münsterland e.V. betreibt in Vreden eine Spielhalle, in der weit über 100 Spielautomaten und Flipper auf die Besucher warten. Nach dem „Culture meets Retro Games“-Abend am 23.06.2023 schließt die Spielhalle erst einmal. Doch zum Glück nicht für immer. Wann und wo genau es weitergeht, ist noch nicht spruchreif. Die Nerds planen aktuell den Umzug in eine neue Location.
In den 80er-Jahren waren die Verhältnisse noch klar. Zigaretten kaufen war für Jugendliche ab 16 Jahren in Ordnung und der Marlboro Man versuchte uns zu vermitteln, wieviel cooler man war, wenn man einen Glimmstängel im Mundwinkel hatte. Spielautomaten dagegen waren so böse, dass die Jugend vor ihnen geschützt werden musste. Mit Spielautomaten meine ich keine einarmigen und sonstigen Banditen, die dem Benutzer das Geld mit unfairen Glücksspielen aus den Taschen ziehen. Videospielautomaten, wie beispielsweise Pong, Pac-Man oder Frogger, bedrohten unseren jugendlichen Seelenfrieden damals.
Dass Pong ein Fall für den Jugendschutz war, klingt nach einem Aprilscherz. Da wirkt es fast konsequent, dass das „Gesetz zur Neuregelung des Jugendschutzes in der Öffentlichkeit“ im Jahr 1985 ausgerechnet am 1. April in Kraft trat. Der Zugang zu Spielhallen war nun in Deutschland für Kinder und Jugendliche verboten. Daher habe ich selbst fast keine Erinnerungen an Spielhallen. Lediglich im Spanien-Urlaub mit meinen Eltern hatte ich hin und wieder die Gelegenheit, Spielautomatenspiele zu erleben.
- Hintergründe: Das Verschwinden der Videospielautomaten in Deutschland
Spielen aus Leidenschaft
Umso schöner ist es, dass es heute noch ein paar Liebhaber gibt, die die alten Spielautomaten pflegen und heute noch erlebbar machen. Genau das tun die Retro Nerds Münsterland. Der gemeinnützige Verein betreibt mit viel Herzblut eine Spielhalle mit weit über 100 Spielautomaten und Flippergeräten aus fünf Jahrzehnten. Zusätzlich gibt es eine „Gamebox“, in der diverse Konsolen und Röhrenfernseher auf die Besucher warten. Die Spielhalle befindet sich in einer ehemaligen Diskothek im Ort Vreden. Die Automaten sind heute übrigens keine Groschengräber mehr. Alle Geräte sind auf Freispiel eingestellt. Man zahlt einmalig für den Eintritt und kann dann so viel spielen, wie man möchte.
Neben den klassischen Spielautomaten aus den 80ern und 90ern sind auch deutlich ältere, elektromechanische Automaten vorhanden, die mit Relais, Federn, Spulen oder Ketten betriebenen Elektromotoren arbeiten und aus der Zeit vor 1975 stammen. Auch wenn diese Spiele naturgemäß eher simpel gehalten sind, lassen sie das Spielerherz schneller schlagen, denn solche „Museumsstücke“ sieht man heutzutage tatsächlich sehr selten.
Ein Highlight der neueren Arcades ist sicherlich der Sega Touring Car Automat, auf dem bis zu acht Spieler gleichzeitig um die Wette fahren können. Ein weiteres Schmuckstück der Arcade ist die Jukebox aus den 80er Jahren. Die Musik wird nicht digital abgespielt, sondern von einer der bis zu 120 Schallplatten, die in der Box Platz haben.
Culture meets Retro Games
Auch die Fans von Flipperautomaten kommen voll auf ihre Kosten. Der Terminator 2 Flipper von Williams Electronics aus dem Jahre 1991 ist dabei mein persönlicher Favorit. Es gibt aber auch einige kuriose Flipper, die man einmal erleben sollte. Der Challenger von Gottlieb aus 1971 ist beispielweise ein Flipper, an dem zwei Spieler gegeneinander spielen. Die Spielfläche des Flippers liegt auf einer Wippe und man versucht, den Ball im gegnerischen Tor unterzubringen. Der Challenger wurde weltweit nur etwa 100 mal gebaut – einer davon steht bei den Retro Nerds.
Kurios ist zudem der Hercules Flipper, der 1979 von Atari gebaut wurde und bis heute als der weltweit größte kommerzielle Flipper gilt. Er ist 2,36 m tief und die Kugeln sind in etwa so groß wie Billardkugeln.
Man muss ehrlich sagen: Möchte man auf einem schnellen, actionreichen Flipper spielen, sollte man um beide Geräte einen großen Bogen machen. Allein aufgrund der Bauform ist das Spielgeschehen recht gemächlich. Ein kurioses Erlebnis bieten diese Flipperautomaten aber auf jeden Fall.
Am 23.06.2023 öffnete die Spielhalle vorerst zum letzten Mal. Der Abend „Culture meets Retro Games“ begann mit einer Lesung. Marc Friedrich las aus seinem Roman „Im Sternbild der Hydra“, eine nerdige Geschichte im beginnenden 21. Jahrhundert. Danach konnten die Besucher noch einmal nach Belieben bis tief in die Nacht an den Automaten spielen.
Nun steht erstmal ein Umzug an. Und der wird bei über 100 schweren Spielautomaten und über 20 Treppenstufen schweißtreibend. Der Verein hat bereits eine neue Location in Aussicht. Spruchreif ist das aktuell noch nicht. Daher drücke ich den Retro Nerds die Daumen, dass sich die Gespräche weiterhin gut entwickeln und freue mich auf ein baldiges Wiedersehen am neuen Standort.
Fotogalerie
Wie sieht es mit Euch aus? Reizt Euch der Besuch einer Spielhalle heute noch oder bevorzugt ihr vielleicht die bequeme Emulation der alten Spiele zu Hause am PC, auf der Spielkonsole oder ggf. mit einem eigenen Bartop?
Links
- Webseite der Retro Nerds Münsterland
- Twitter-Account der Retro Nerds Münsterland
Schreibe einen Kommentar