Dummheit ist ein Segen – so lautet ein altes Sprichwort von was-weiß-ich-woher. Natürlich wissen wir alle, dass dieser Spruch eigentlich totaler Humbug ist. Ein Funken Wahrheit steckt aber doch schon dahinter. Denn durch das Internet bekomme ich nicht nur alle Informationen zu einem neuen Spiel. Ich bekomme auch alle Ansichten und Meinungen der anderen Nutzer dazugeliefert. Die Schwarmintelligenz aller Videospielenthusiasten kann einen wirklich stark beeinflussen.
Mein liebstes soziales Netzwerk ist derzeit Twitter. Ein nettes Plätzchen mit vielen smarten Menschen. Dort verderbe ich mir allerdings auch leider meist das Interesse an einem Spiel, noch bevor es im Laden zu kaufen ist. Warum? Nun, es ist so …
Irgendwie schaffen es alle vor mir, ein Spiel zu bekommen. Journalisten, Experten, Betatester, ja sogar Ali vom Kiosk nebenan würde wahrscheinlich ein Spiel vor dem offiziellen Releasetermin besorgen können! Es kommt wirklich sehr selten vor, dass ich kaum auf ein Spiel warten kann. Doch selbst dann renne ich nicht am ersten Tag in die Geschäfte und suche aufgepeitscht nach … (Tragen Sie hier einen aktuellen Blockbustertitel ein, dessen Name jeder in drei Monaten vergessen hat).
Das Problem mit der Massenkommunikation
Ich bin allerdings jeden Tag in meiner Twitterbubble unterwegs. Dort tauschen sich natürlich alle immer schon eifrig über den neuen Titel und ihre Erfahrungen damit aus. Wie gesagt, in der Regel folge ich ziemlich klugen Menschen. Das Problem mit diesen klugen Menschen ist, dass ihnen meist auch kluge Kritikpunkte auffallen. Alleine würde ich nie im Leben alle Schwächen bemerken.
Durch die Masse an Spielern, die zusammen Jahrhunderte an Spielerfahrung auf dem Buckel haben, fällt natürlich jeder Fehler im Gamedesign auf. Story-Fehler schaffen es auch nie, unentdeckt zu bleiben.
Das meine ich überhaupt nicht wertend. Es ist ganz klar, dass viele Menschen auch viel Wissen zusammentragen können. Dafür existiert so eine Plattform wie Twitter ja schließlich auch. Was mich daran stört, ist, wenn wegen jedem umgefallenen Pixel ein Shitstorm ausbricht.
Ich selbst würde Fehler wahrscheinlich ganz oft einfach hinnehmen. Im Online-Schwarm skaliert aber jeder Makel eines Spiels ins Unermessliche. Dort regt sich nicht nur eine Person über einen Fehler auf, nein es regen sich hunderte über diesen einen Fehler auf. Manche stört es dann auch unheimlich stark, dass bei Assassin’s Creed die Gesichtstexturen fehlen.
Na klar, da schaukeln sich die Tweets und Emotionen hoch und der Tag ist versaut … kann ich vollkommen nachvollziehen … nicht.
Kommentare werden gelikt, retweetet, kommentiert.
Meinungsmacher XY empört sich ganz besonders über fehlende Texturen. Er bekommt 350 Antworten. 300 davon sagen genau das Gleiche. 20 haben eine andere Meinung und die restlichen 30 finden sein neues Profilbild echt cute.
Dieses Verhalten findet natürlich nicht nur bei Twitter statt. Wie gesagt, es ist mein Lieblings-Land im World Wide Web. Auf YouTube, Facebook oder sonstigen Kontinenten kann man sich genauso gut spoilern lassen oder Meinungen lesen, wenn man möchte. Echauffiertheit und Kritik gibt es überall.
Ohne Internet war es genauso. Nur weniger.
Gehen wir ein paar Jährchen zurück. In einem Land vor unserem Internet. Dort war es nicht viel anders als jetzt. Nur eben weniger … VIEL weniger. Games, die zum Beispiel eine Geschichte erzählten, wurden Zuhause gespielt. Am nächsten Tag tauschte man sich darüber in der Schule aus. Der Unterschied war lediglich, dass alles in einem weitaus kleinerem Maßstab ablief. Ich hatte vielleicht zwei bis drei Freunde, mit denen ich über ein Spiel quatschen konnte. Das waren zwei bis drei Hohlbratzen, denen genauso wenig Gamedesign-Fehler aufgefallen sind, wie mir.
Jetzt kommt aber der wesentliche Unterschied …
Wenn wir uns nicht privat nach der Schule verabredeten, konnten wir uns auch nachmittags nicht austauschen. In dieser Zeit wurde ein Spiel vollkommen ohne den Einfluss von außen erlebt.
Stellt euch vor, ihr kauft ein neues Spiel und das Internet wird immer dann geblockt, wenn ihr spielt. Einmal am Tag darf man sich bei Twitter einloggen und bekommt aber nur drei Personen angezeigt, die über das Spiel tweeten. Ich garantiere euch, ihr werdet ein komplett anderes Spielerlebnis haben!
Der „Fall Final Fantasy XV“
Zuletzt wollte ich mich mit dem neusten Teil der Final Fantasy-Reihe isolieren. Alles schön in Ruhe alleine erkunden, ohne dabei auf jede Macke aufmerksam gemacht zu werden. Diesmal hatte ich sogar das Vergnügen FF15 auf einer Pressevorführung noch vor Release spielen zu können.
Auch wenn ich von der Grafik an diesem Tag etwas enttäuscht wurde, hatte mich der Hypetrain dennoch endgültig erwischt. Dieses Spiel musste ich direkt zum Release haben! Endlich mal wieder ein Final Fantasy-Teil auf den ich mich echt gefreut hatte.
Doch noch innerhalb der ersten Woche wurde der Twitter-Entzug für mich echt stressig. Leider bin ich mediensüchtig und es kribbelte mir dann doch recht schnell in den Fingern. Ab und zu habe ich einen kurzen Blick in meine Twitterbubble riskiert.
„Oh, man kann Screenshots aus dem Spiel per Twitter teilen. Aha, alles Orte an denen ich noch nicht war!“ Handy aus. Handy weg. Raus aus meiner Reichweite, du Spoilerapparat!
Was soll ich sagen … Ich konnte es dann doch nicht lassen. Hier und dort musste ich dann doch auf Twitter mit ein paar Leuten über dieses und jenes aus dem Spiel quatschen. Der Feed wurde allerdings bewusst übergangen. Anfangs hat es wieder richtig Spaß gemacht. Ich habe mich gefühlt wie damals in der Schulzeit. Irgendwann stagnierte mein Fortschritt im Spiel.
Während ich mich in die Atmosphäre einbuddelte und jedem Strauch der Spielwelt einmal „Hallo“ sagte, rasten alle anderen durch die Hauptstory.
An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich ein ziemlicher Lahmarsch sein kann. Wenn mir andere Menschen beim Spielen zusehen könnten, wie ich im Gehschritt durch Altissia schlendere, würden wahrscheinlich die meisten einfach nur den Kopf schütteln.
Angriff der Schwarmintelligenz!
Nachdem ich dann endlich durch war, las ich die Verrisse und Meinungen von Journalisten, Experten und Bekannten. Mir war schon bewusst, das die Story ein bisschen kacke und flach war. Durch die (berechtigten und gut ausgearbeiteten) Kritiken auf Twitter, fiel mir immer mehr auf, wie objektiv schlecht dieses Spiel doch eigentlich ist.
Ich habe echt ein paar Tage damit zugebracht, die öffentliche Meinung und meine eigene miteinander zu vergleichen.
Am Ende stehe ich jetzt da und finde ein echt unfertiges Spiel ziemlich gut. Werde ich die DLCs spielen? Vermutlich nicht. Die Luft ist irgendwie raus. Fachkundige Meinungen haben mir die Augen geöffnet und mir aufgezeigt, warum das Spiel doch nicht so geil ist.
#dankeTwitter
Am meisten ärgert mich die Tatsache, dass ich mir nun auch noch selbst die Punkte kleinrede, an denen ich am meisten Freude hatte. Mir haben mir die Kämpfe in Final Fantasy 15 Spaß gemacht. Dank der Kritiken kann ich mir aber lebhaft vorstellen, wie viel besser es hätte werden können. Eine weniger störende Kameraführung wäre schon besser gewesen.
Dabei hat die Kamera mich während des Spielens überhaupt nicht gestört!
Etwas mehr Tiefgang beim Kampfsystem hätte auch nicht schaden können.
Beim Spielen selbst habe ich versucht herauszufinden, mit welcher Waffe ich am besten gegen welchen Feind kämpfe. Pfff! Das ist nicht Dark Souls. Das ist Final Fantasy XV. Es ist egal, welche Waffe ich benutze. Ich hänge sowieso nur in der Gegend herum, während die anderen kämpfen.
Bei diesem Gedanken könnte ich mir jedesmal selbst eine Ohrfeige verpassen. Über Dinge zu meckern, die einem eigentlich Spaß bereiten, ist nicht nur dumm, sondern auch ein typisches Verhalten des heutigen Internetnutzers. Also da wo ich herkomme, hätte man mich auf dem Schulhof für dieses verwöhnte Genörgel mit dem Kopf in die Kloschüssel gesteckt.
Und womit? Mit Recht!
Was würde ich dafür geben, ein tolles Spiel mal wieder nur mit meinen zwei Hohlbratzen entdecken zu können.
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