Im Sommer 1999 kamen mein bester Freund und ich auf eine weiterführende Schule. Raus aus unserem verschlafenen Dorf – irgendwo in Niedersachsen – rein in die Stadt. Für Jugendliche wie uns war das damals ein Paradies. Besonders weil wir nach der 6. Schulstunde noch genügend Zeit hatten, um in der Elektronikabteilung des nahegelegenen Einkaufszentrum die neusten PC- und Videospiele auszuprobieren. Es gab nicht wenige Tage, an denen wir dort weitaus länger als gewollt verbrachten, ganz zum Unmut unserer Eltern, die uns (nachdem wir mal wieder den Bus verpassten) abholen mussten.
Unweit der Elektronikabteilung gab es zudem einen (für damalige Verhältnisse) recht großen Kiosk mit einer Vielzahl an Magazinen und Comics. Es war eine von wenigen, wenn nicht die Quelle, um auf dem Schulhof oder zwischen den Schulstunden mit den neusten Informationen aus der Videospiel-Szene zu prahlen. Maniac, Bravo „Screenfun“, PC Games, GameStar und Co. waren ständige Begleiter meines Rucksacks.
Es muss September gewesen sein, als mich ein neues Magazin „anleuchtete“, von dem ich bis dato noch nie gehört hatte. DREAMCAST: „Das offizielle Magazin“ schimmerte mich in blau-weißem Hochglanz dort im Regal an. „Geblendet“ von dem – für damalige Verhältnisse – recht außergewöhnlichen, edlen Design investierte ich die wohl bis dahin besten 12,- DM meines noch recht jungen Lebens.
Zuhause angekommen verlor ich mich sofort in dem prall gefüllten Magazin, bis ich auf Seite 72 angekommen eine Art „Magic Moment“ erleben durfte.
„Shenmue – Zum neuen Dreamcast-Standard dürfte sich wohl dieser Titel entwickeln. Dafür stehen vier Jahre Entwicklungszeit und ein Budget von über 20 Millionen Dollar“.
Ich glaubte meine Augen nicht, was dort geschrieben stand. Das alles war für damalige Verhältnisse einfach völlig neu. Ein Spiel, in dem du einen Charakter durch eine wunderschön modellierte Welt begleiten kannst und dich „völlig frei“ bewegst. Du kannst einen Job ausführen? Du kannst kämpfen? Du kannst in einer Arcade-Halle Spiele spielen? Der Wahnsinn!
Für mich war klar, dass ich eine „Sega Dreamcast“ haben musste, auch wenn „Shenmue“ zu diesem Zeitpunkt noch über ein Jahr auf sich warten lassen würde. Und so plünderte ich mein Sparkonto nach einer langen Diskussion mit meinen Eltern und den Erklär-Versuchen, warum genau ich diese Konsole haben musste.
Am 14. Oktober 1999, dem Release-Tag der „Dreamcast“, fuhr ich dann mit meiner Mutter zum anfänglich erwähnten Einkaufszentrum, um mir die Konsole zu kaufen. Leider ging dabei mein ganzes erspartes Geld drauf, sodass ich mich die ersten Monate ausschließlich mit den Demo GD-Roms des „Dremcast Magazins“ vergnügen musste. Aber das war mir egal, denn mein eigentliches Ziel war ja „Shenmue“. Wenn auch noch in weiter Ferne.
Ich weiß noch genau, wie ich meine Freunde damit monatelang genervt habe. Ich war wie besessen, auch wenn kaum einer den Hype nachvollziehen konnte. Das war aber ein allgemeines Problem der „Dreamcast“, denn neben mir hatte niemand in meinem Freundes- und Bekanntenkreis eine. Ich wurde dafür eher nur belächelt, standen mit der „Sony PlayStation 2“ und der „Microsoft Xbox“ zwei neue Konsolen in der Pipeline, die eine weitaus größere Masse ansprachen.
Aber das war mir egal. Und als dann der 1. Dezember 2000 vor der Tür stand und die Post mir meine schon vor Monaten via Telefon vorbestellte Version von „Shenmue“ brachte, war ich einfach nur unfassbar glücklich. Am Nachmittag besuchten mich dann sogar drei meiner Freunde, sodass wir gemeinsam die ersten Stunden von „Ryo Hazuki“ erleben durften. Immerhin wollten sie genauso wissen, wovon ich da die letzten 14 Monaten immer gesprochen und womit ich sie vielleicht auch genervt habe. Es war fantastisch.
Das Erlebnis und auch die Vorfreude dieses Spiels hat sich so sehr in meinen Kopf eingebrannt, weshalb ich auch 20 Jahre danach noch immer ein ganz besondere Beziehung zu diesem Spiel, aber auch der Konsole habe.
Ich liebe Videospiele.
Video: Shenmue #01 mit Gregor und Simon
Abbildungen zu Shenmue

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