Gedanken können ein Gefängnis sein. Unsichtbare Wände, die sich jeden Tag verhärten. “Sky: Kinder des Lichts” ist ein Online-Multiplayer Titel, den es inzwischen auch für den PC gibt. Er handelt von Leichtigkeit, Freundschaft und Neugierde. Ich möchte euch von einer kleinen Entdeckung in diesem Spiel erzählen, die mir ein wenig weiterhelfen konnte, als es mir nicht so gut ging.
Es war die Folgende: In der Spielwelt befinden sich an bestimmten Orten, meistens auf Aussichtspunkten über den Wolken, in Nischen oder einfach am Wegesrand, kleine Steinkreise auf dem Boden mit brennenden Kerzen darauf. Seid ihr hingegen am Ufer eines Meeres, an einem Fluss oder See, dann treiben dort auch kleine, gold-gelbe Papierboote still und leise vor sich hin.
Anfangs dachte ich noch, das alles wäre nur Deko – ganz schick, mehr aber auch nicht. Aber das war weit verfehlt: Die Kerzen und Papierboote tragen anonyme Nachrichten bei sich und bilden damit eine Art Brücke in die “reale Welt”. Jeder, der an ihnen vorbeikommt, kann selbst ein paar Zeilen hinterlassen, oder die Mitteilungen der anderen lesen. Es ist jedoch nicht möglich, auf sie zu antworten.
Einige davon sind leider nicht der Rede wert, doch manche sind wirklich poetisch, vermitteln Glück, Sehnsucht, aber ebenso Hoffnungslosigkeit, Probleme und Schmerz.
Auf einem Papierschiff stand beispielsweise: „Schätzen Sie all Ihre kostbaren Momente, halten Sie sie fest und erinnern Sie sich inmitten dunkler Tage an sie. Alles Liebe.“ An anderer Stelle schreibt jemand: „Je mehr Tage vergehen, desto zerrütteter wird mein Gemüt. Trotz dieser Tatsache und all der schlimmen Dinge, die ich durchgemacht habe, konnte ich weitermachen, aber ich habe das Gefühl, dass ich kurz vor dem Zusammenbruch stehe, ich hoffe, ich falle nicht.”
Unsichtbare Verbindungen
Diese Nachrichten sind mir sehr nahe gegangen, aber was soll man mit ihnen anfangen? Zuerst bin ich weiter gezogen, ohne weiter darauf zu achten. Außerdem fällt eine Kerze oder ein winziges Papierboot nicht wirklich ins Auge, weshalb sie in der Regel schnell übersehen werden. Doch je öfter ich diese unscheinbaren Stellen besucht habe, desto stärker wurde mir bewusst, wie wichtig sie sind. Ich musste daher in letzter Zeit oft daran denken und das wollte ich kurz mit euch teilen.
Zunächst passen sie sehr gut in das Spielkonzept: Das Studio dahinter, „Thatgamecompany“, besitzt eine wundervolle Philosophie. Bevor sie ein Spiel entwickeln, stellen sie sich zuallererst die Frage: Was für Emotionen möchten wir mit unserer Kunst entstehen lassen? In “Sky: Kinder des Lichts” ist es das Gefühl der Freiheit, aber auch Verbundenheit. Somit sind diese kurzen, hinterlassenen Texte nicht nur Brücken in die “echte Welt”, sondern ebenso Verbindungen zu den Emotionen eines anderen Menschen irgendwoanders auf der Erde.
Hinzu kommt, dass sie in vielen, verschiedenen Sprachen verfasst und übersetzt sind, was mich daran erinnerte, dass zwischen mir und den Menschen, die diese Zeilen geschrieben hatten, viele tausend Kilometer liegen und wir dennoch viel mehr gemeinsam haben, als uns voneinander unterscheidet. Das Spiel lebt allgemein von dem Gefühl von: „Hey, ich bin nicht allein, sondern da hinten ist auch noch jemand und egal woher du im echten Leben kommst, vielleicht meistern wir zusammen den Weg”.
Zwischen den Zeilen
Darüber hinaus konnten diese kleinen Nachrichten, besonders vor dem Hintergrund der berührenden Atmosphäre in dieser Welt, in mir noch mehr auslösen: Eigentlich wollte ich meine Sorgen vergessen, vergraben und mich vom Spiel treiben lassen, aber ich glaube, niemand kann einfach so die eigenen Probleme vergessen.
Das wäre bestimmt auch nicht gesund. Sie sind dafür manchmal schon viel zu stark mit uns verbunden, wie Venom mit Spidey. Es geht vielmehr darum, Abstand von ihnen zu gewinnen, um sie mit neuen Emotionen wahrzunehmen, bevor sie dich auffressen. Kurz: Um sie verarbeiten zu können. Mitunter hilft es den Menschen deshalb bereits ein wenig, sie als kleine Nachricht in Form einer winzigen Kerze auf einem Berg abzulegen, oder auch, um dort den Anderen ein paar liebe Worte zu hinterlassen.
Spiele wecken Emotionen und verändern die Art zu denken. Sie nehmen den Druck aus dem Kopf, wie Musik. Wenn es dann die Möglichkeit gibt, eigene poetische, glückliche oder vielleicht sehr traurige Gedanken auf ein kleines Papierboot zu schreiben, um es danach ins Wasser zu setzen, so ist das eine wunderschöne Idee.
Abschließende Gedanken
“Sky: Kinder des Lichts” hat mich auf liebevolle Weise daran erinnert, wie wichtig es ist, aus dem Grübeln auszubrechen, weg vom isolierten Gedankenkarussell, selbst wenn es nicht immer gelingen mag und oft leichter gesagt als getan ist. Kleine Schritte sind besonders wertvoll. Ich glaube, der Kopf braucht kurze Ausflüge in neue Welten oder zu geliebten Plätzen, auch wenn sie digital sind und ich bin mir sicher, dass es gut und essentiell ist, sich verzaubern lassen zu dürfen. Ohne Druck. Das ist keine Zeitverschwendung, sondern eine Bereicherung im Fühlen und Denken.
Wir sind keine 24/7 Problemlöse-Maschinen. Jeder schöne Augenblick ist seine Zeit wert, allein oder mit anderen, im Spiel, oder auch außerhalb, selbst wenn die eigenen Probleme sich nicht vollständig auflösen. Das ist ok, denn dafür haben wir umso mehr gewonnen.
Vielen Dank fürs Lesen.
PS: Ihr seid wundervoll.
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