Was braucht ein Spiel? Gutes Gameplay. Eine gute Geschichte. Gut aussehen muss es. Am besten noch einen Multiplayer. Das alles sind wichtige Faktoren. Ich möchte aber über etwas sprechen, was sich nicht so einfach bewerten lässt. Die Zeit.
Nicht die Spielzeit, nicht ob die Spiellänge dem Preis entsprechend ist. Mir geht es um die richtige Zeit. Wann ist der richtige Zeitpunkt, ein Spiel anzufangen? Im größten Hype um ein neues Spiel? Oder doch lieber warten? Schwierig, wo doch heutzutage ein Hype schneller vergeht als das Leben einer Eintagsfliege.
Es sind aber nicht (nur) die äußeren Faktoren. Es sind persönliche. Wie ist meine Stimmung? Kann ich der Geschichte folgen? Will ich das überhaupt? Stört mich gerade eine Kleinigkeit am Gameplay und macht mir die gesamte Erfahrung kaputt? Gibt es vielleicht auch etwas am Spiel, was mein Spielerlebnis bereichert? Es gibt Spiele, die müssen reifen. Die müssen zu einem anderen Zeitpunkt noch mal gespielt werden. Der Blickwinkel muss verändert werden.
Spiele nehmen einen wichtigen Teil in meinem Leben ein, deshalb versuche ich ihnen die richtige Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen.
Lennart Koch
Horizon Zero Dawn ist so ein Spiel. Denn trotz all meiner Skepsis ist es mittlerweile eines meiner liebsten Spiele geworden, das mich immer wieder begeistern kann.
Dabei war es keine Liebe auf den ersten Blick. Im Gegenteil. Am Anfang war da Enttäuschung. Enttäuschung über die Geschichte, in die ich so viel Hoffnung gelegt hatte. Wie konnte ich auch nicht, wo mich doch so viel an mein Enslaved erinnerte. Die Welt, die Maschinen, vielleicht ja auch die Geschichte und die Figuren. Relativ früh im ersten Durchgang merkte ich aber, dass mir Horizon Zero Dawn genau das nicht bieten konnte. Ich fand die Geschichte vorhersehbar, Entscheidungen, die im Laufe des Spiels getroffen wurden, fand ich unlogisch und vieles mehr. Dieser Eindruck zog sich durch den ganzen ersten Spieldurchlauf und mit dieser Einstellung fielen mir natürlich die Aspekte stärker auf, die meine negative Sicht auf das Spiel bestätigten.
Trotzdem spiele ich Horizon jetzt schon zum dritten Mal. Denn ich habe meinen Blickwinkel auf das Spiel geändert. Bei all der Kritik, die ich am Spiel hatte und immer noch habe, war es mir doch immer wieder im Kopf. Es war das Spiel an sich. Abseits von der Geschichte hatte ich einfach viel Freude daran, in der Welt zu sein. Mich dort zu bewegen, die Atmosphäre zu genießen. Vor allem ist es jedoch der Kampf gegen die Maschinen. Egal ob es ein leiser Kill ist, der Kampf gegen eine ganze Horde oder eins gegen eins mit den größten Maschinen der Welt. Alles fühlt sich richtig und befriedigend an.
Gab oder gibt es dieses Phänomen häufiger? Mit Sicherheit. Aber was für Spiele sind das? Die Tomb-Raider-Trilogie gehört zu dieser Art von Spiel. Sie hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, kann aber auch mit ähnlichen Stärken aufwarten. Lara sollte eine Person sein, an der nicht alles spurlos vorbeizieht. Die es mitnimmt, was sie erlebt, sieht und selbst macht. Okay, also schaue ich mir das Spiel genau unter diesen Gesichtspunkten an. Doch was ist? Lara wird nach einer Stunde zu genau dem, was sie eigentlich nicht sein sollte. Eine kalte, emotionslose Killerin, an der alles abprallt, und von Teil zu Teil wird sie abgestumpfter. Was jedoch auf geschichtlicher Ebene überhaupt nicht funktioniert, klappt spielerisch hervorragend. Der Umgang mit Pfeil und Bogen fühlt sich einfach richtig an.
Wo Teil 1 noch zu sehr auf die Schusswechsel gesetzt hatte, fand gerade Teil 2 die richtige Mischung aus Action, Erkundung von Dungeons und Atmosphäre. Bei Rise of the Tomb Raider kam es mir aber auch zugute, dass ich nach dem ersten Teil mit einer anderen Erwartungshaltung an das Spiel herangegangen bin. Ich wusste, welche Stärken das Spiel haben würde und welche eben nicht.
Das waren jetzt zwei Beispiele dafür, wie mich Spiele erst beim zweiten Versuch oder auch mit dem zweiten Teil für sich gewinnen konnten. Wenn ich weiß, was mir das Spiel bieten kann und wie ich es zu nehmen habe.
Manchmal reicht eine kleine Änderung der Sichtweise, um ein Spiel in anderem Licht zu sehen.
Lennart Koch
Es geht aber auch anders. Wie das Beispiel Final Fantasy V zeigt. JRPGs und ich, wir werden wohl niemals eine innige Verbindung eingehen. Dafür sind mir die Random Encounter zu sehr ein Dorn im Auge. Zudem waren mir die Geschichten oft zu lang. Das lag aber vielleicht auch an den zahlreichen Zufallskämpfen. Trotzdem versuchte ich mich an Final Fantasy V. Zuvor hatte ich aus der Reihe nur Final Fantasy I durchgespielt und Final Fantasy VII angespielt. Mit entsprechenden Erwartungen ging ich dann auch an den fünften Teil.
Es ist jetzt sicher keine allzu tiefgreifende Erkenntnis, dass ein Spiel eher positive Akzente setzen kann, wenn man mit geringen Erwartungen an es herangeht. Bei aller Simplizität der Geschichte, ich mochte sie. Ich habe die Figuren sehr gemocht und vor allem ihre kleinen persönlichen Geschichten. Was Final Fantasy V aber zu einem besonderen Spiel machte, war das Gameplay.
Denn es ist genau die Probleme angegangen, die ich mit JRPGs und den Zufallskämpfen habe. Die Möglichkeit, Berufe und Klassen in immer neuen Variationen zu kombinieren, macht die Kämpfe niemals langweilig. Dass ich nie zu lange einen Kampfstil habe, bietet mir die nötige Abwechslung in einem durch Random Encounter nicht kampfarmen Spiel. Seitdem suche ich nach JRPGs, die ähnliche Spielmechaniken bieten.
Mit Bravely Default habe ich im letzten Jahr so ein Spiel gefunden. Mit ähnlichen Mechaniken und auch einer Geschichte, die mich in ihrer emotionalen Tiefe beeindruckt hat. Neben einem ganz, ganz tollen Gameplay.
Es scheint also auch darauf anzukommen, Spielen eine Chance zu geben, von denen man denkt, sie sind nichts für einen. Dann können sie einen ganz unerwartet treffen. Durch eine besondere Geschichte, durch vielschichtige Figuren, durch spielerische Elemente.
Am wichtigsten ist jedoch mit Sicherheit der richtige Zeitpunkt und sich selbst zu fragen, ob ein Spiel wirklich schlecht ist. Oder nicht doch einfach die falsche Zeit.
Spiele können dich überraschen, wenn du sie zur richtigen Zeit spielst. Selbst wenn das Genre nicht deins ist.
Lennart Koch
Es kann ebenso sein, dass es das richtige Spiel zur richtigen Zeit ist. Ein Spiel wie Mass Effect Andromeda konnte sich bei mir voll entfalten, weil ich es nicht zu Beginn des Release gespielt habe, wo es nur um die technischen Mängel ging und weniger um das Spiel an sich und welche Geschichte erzählt wird.
Andererseits habe ich ein Spiel wie A Plaque Tale: Innocence vielleicht zum falschen Zeitpunkt gespielt. Mitten im Hype. Beeinflusst von den sehr positiven Stimmen rund um das Spiel war die eigene Erwartung womöglich zu groß und das Spiel konnte eben nicht damit punkten, was so vielen anderen gefallen hatte.
Wie sieht es aus? Gebt ihr Spielen eine zweite Chance, wenn sie euch nicht gefallen haben? Beachtet ihr, in welcher Stimmung ihr beim Spielen seid? Wenn ja, was sind eure Beispiele?
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