Am 31. Oktober 2018 wird Half-Life schon wieder 20 Jahre alt. Was war das damals für ein Hype um dieses Spiel! Und wenn ich an dieser Stelle von „Hype“ spreche, meine ich nicht die heutigen von der Spielindustrie erzeugten Werbekampagnen, Monate vor dem Release. Ich spreche von einem natürlichen, von den Spielern ausgelösten Hype, der sich unentwegt durch Mundpropaganda verselbstständigt und bedingungsloses Verlangen nach einem Spiel auslöst.
Jeder – aber auch wirklich jeder, der mit Computerspielen was anfangen konnte, redete auf einmal über Black Mesa, Facehugger, Gordon Freeman und die mysteriöse Bedeutung des G-Man.
Ich weiß noch gut, welchen PC ich damals hatte…
Einen in tristem grau gehaltenen Big-Tower, in dem ein Cyrix 6×86-Hauptprozessor steckte. Dazu eine mich mit Stolz erfüllende Matrox Mystique 3D Grafikkarte. Maximal 32 MB SD-RAM mussten reichen. Vom Rest der Hardware möchte ich an dieser Stelle dann doch keine Gedächtnis-Vermutungen anstellen.
Monitor? Natürlich ein 15 Zoll Farbmonitor. Weitere Merkmale für das Display waren zu dieser Zeit noch unwichtig. Es zählte nur die Größe der Mattscheibe.
Ja so ist das bei Gamern. Wenn du gefragt wirst, wie deine PC-Konfiguration zu einem bestimmten Zeitpunkt aussah, kommst du nie drauf. Wenn du gefragt wirst, wie sie zu einem bestimmten Spiel aussah, kommt die totale Erinnerung…
Half-Life – Halbwertszeit – Installationszeit
Für Teenager im Jahr 1998 war das nötige Kleingeld für ein neues Spiel nicht immer flüssig. Wie gut, dass wir Spiele noch ohne digitale Rechteverwaltung über eine Sicherungskopie von Freunden ausleihen konnten.
Also nichts wie rein mit der (mit Edding bekritzelten) Half-Life Sicherungskopie und schon brummte der Autostart los. Kurz darauf tauchte auch das etwas verstörende Valve-Logo mit seinem mysteriösen Sound auf…
Nach dem Installations-Akt, der nicht nur gefühlt eine halbe Ewigkeit dauerte, war das Spiel für den ersten Start bereit. Dieses aufregende Gefühl, ein neues Spiel das erste Mal zu starten, kennst du bestimmt!
Unvorhergesehene Konsequenzen
Weisst du noch? Dieses Intro? Keiner wird es je vergessen! Die Fahrt mit dem Service Train in die Tiefen der Black Mesa Forschungsanlage.
Diese Stimme. Diese Spannung. Diese Grafik!
„Aber Moment – was ist das!?“
Kaum ein paar Meter gefahren, schon er erste Ansatz von Ernüchterung. Dieses revolutionäre 3D-Spiel brauchte so viel Saft, dass meine sogenannte 3D-Karte nur so vor sich hin stotterte.
Als der berühmte „Zwischenfall“ im Kernlabor dann einen Grafiklag noch nie erlebter Ausmaße auslöste, kam ich zu einer Erkenntnis, die man heute gar nicht mehr kennt:
Das Spiel und dessen Systemanforderungen sind nichts für meinen PC!
1998 war ich 15 Jahre alt. Alt genug, um in die Stadt zu kommen und mir eine von diesen coolen Voodoo-Karten zu holen. Ich wollte doch verdammt nochmal Half-Life spielen! Jedoch auch arm genug, um diese Idee zu verwerfen und das Spiel trotzdem mit gefühlten 13 FPS weiterzuspielen. Schließlich wollte ich ja mitreden können.
Sorry Gordon, James Raynor übernimmt
Wie du dir vorstellen kannst, trübte der schlechte PC bzw. das ressourcenhungrige Spiel den Spaß an der Sache. Die Schmerzgrenze lag aufgrund des genialen Gameplays komischerweise hoch genug, um mich weiter durchzukämpfen. Als mir dann zwischenzeitlich StarCraft in die Hände fiel, war kurzerhand Schluss mit Gordon Freeman. Das Strategiespiel war bei weitem dankbarer zu meiner PC-Konfiguration und bot gleichermaßen Gesprächsstoff in der Schule. Denn auch StarCraft mit seinem Protagonisten James Raynor hatte etwas Magisches zu seiner Zeit.
Half-Life wurde somit erst einmal auf Eis gelegt, bis sich eine neue Grafikkarte oder ein neuer PC in Aussicht stellte. Und sch… auf das Savegame! Sobald die Technik mitspielt, wird das Spiel nochmal von Anfang an gezockt…
Ostern 1999 – Diamond Monster 3D
Mit dem Weihnachtsgeld und dem Ostergeld zusammen konnte ich mir endlich einen kleinen Traum erfüllen: Eine Voodoo 3Dfx Karte! Und zwar die die Diamond Monster 3D.
Inzwischen war diese nicht mehr primär für Half-Life vorgesehen. Sämtliche Spiele nutzten die 3Dfx Schnittstelle. Mein Rechner mit seiner „eigentlich“ guten Direct 3D Karte war zu nichts mehr zu gebrauchen. Aus heutiger Sicht eine furchtbare Zeit der 3D-Entwicklung.
Also die Karte noch in den Osterferien eingebaut und Half-Life erneut installiert. Ja richtig, es musste in der Zwischenzeit anderen Spielen weichen. Valve’s Erfolgsspiel war zu dieser Zeit im Verhältnis ein Gigant an Speicherbedarf.
Koop für Anfänger
Dieses Mal schnurrte die Grafik wie ein Kätzchen und selbst der Ton rauschte nicht mehr in zerhacktem Kauderwelsch aus den Aktivboxen. Jedoch spielte ich Half-Life nicht allein. Mein bester Freund und ich wollten es zusammen durchspielen. Schließlich hatte ICH die Diamond Monster 3D. Das machte mich für kurze Zeit zu einem VIP auf dem Schulhof.
Und warum Koop? Gab es das zu jener Zeit überhaupt bei Half-Life oder anderen Spielen? Nö, keineswegs. Der Koop-Modus sah so aus, dass einer die Tastatur auf den Schoß legte (laufen, hüpfen, etc.) und der andere die Maus steuerte (schauen, zielen, feuern). Schon mal probiert? Mach tierisch Spaß und sorgt für echte Lacher und Absprache-Geschrei in brenzligen Situationen.
So kämpften wir uns in wenigen Tagen bis zum Finale und zum legendären G-Man!
Endlich war Half-Life eine weitere Kerbe in meiner Tastatur!
Multiplayer im Boot-Camp
Ende der 90er entdeckten wir das gemeinsame Zocken per Netzwerk. Mit zusammen gekratztem Taschengeld legte sich jeder eine Netzwerkkarte zu. Dazu koaxiales Kabel, T- und Endstücke für die Reihenschaltung.
Wir sperrten uns zu 3-5 Personen in einem Hobbyraum ein und zockten das ganze Wochenende durch. Half-Life gehörte selbstverständlich zu den Favoriten!
Noch ein knappes Jahr vor dem Counter-Strike-Boom spielten wir klassisches Death-Match. Jeder gegen Jeden. Die meisten Kills gewinnen am Ende einer Runde. Basta.
Oh Freunde, hat das damals Spaß gemacht!
Sagt dir die die Karte Boot-Camp noch was? Das Gebäude in der Mitte mit der Dachterrasse nannten wir immer Krähennest. „Wo ist Benny?“ – „Der campt bestimmt wieder im Krähennest!“.
Dem Gegner mit der Armbrust aufzulauern und aus weiter Entfernung lautlos mit einem einzigen Bolzen zu erledigen, galt als Königsdisziplin. Oder mit dem Alienarm und dessen fleischfressenden Mücken einen Camper aus seinem Versteck zu zwingen. Und warum nicht zwischendurch mit der Brechstange aufeinander losgehen?
Das Aufstellen von Sprengfallen zählte zu einer meiner Lieblingsstreiche. Ob in dunklen Ecken oder in engen Gängen. Stolperte jemand rein, zählte der Kill und ging auf mein Konto.
Half-Life ging – Counter-Strike kam
Nachdem sich der Mod und die spätere Standalone-Version Counter-Strike immer mehr Beliebtheit erfreuten, spielten wir Half-Life seltener. Und dann gar nicht mehr. Aber das war ok. Jedes große Spiel findet irgendwann ein Ende und macht Platz für Neues.
Was jedoch bleibt, sind die unvergesslichen Momente aus meinem Half-Life Koop, dem riesigen Spaß im Multiplayer und Szenen aus dem Spiel, die ich wahrscheinlich in 20 weiteren Jahren noch nachzeichnen kann.
Und bestimmt spürst du heute auch noch diese Angst vor dem nächsten Facehugger, der dir ins Gesicht springt!
Schlusswort
Genau diese Spiele wie Half-Life sind es, die uns so tief in Erinnerung bleiben. Spiele, die aus der endlosen Masse über Jahre herausragen. Spiele, die du so gerne nochmal ein allererstes mal spielen würdest. Genau für diese Spiele gibt auf es gamer83.de die Rubrik „Weisst du noch?“
Half-Life ist definitiv eines davon und hat die Ego-Shooter nachhaltig verändert. Half-Life ist ganz klar ein Stück Computerspiel-Geschichte oder besser gesagt eine wunderbare Videospielgeschichte.
Weiterführende Links
- Rubrik „Weisst du noch?“ auf gamer83.de
- Das Geheimnis von Half-Life 2 hier bei Videospielgeschichten
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