Mein Rückzug aus dem Bombardement der Daten und Infos
Früher war alles besser! Oder? Das würde ich pauschal so nicht unterschreiben wollen. Jede Zeit hat ihre schönen Seiten, aber auch ihre Abgründe. Ich jedenfalls vermisse heute schmerzlich diese Leichtigkeit aus meiner Jugend. Beinahe täglich. Einerseits ist dieses Gefühl natürlich unglaublich stark bestimmt durch meine persönliche Geschichte. Auf der anderen Seite muss ich heute aber auch gegen viele Zwänge und Normalitäten der Gesellschaft ankämpfen, die ich so gar nicht haben will. Darauf möchte ich in den nächsten paar Minuten ein wenig eingehen.
Viel hilft viel
Gehört es nicht zum „guten Ton“, oder anders gesagt, ist es nicht normal oder gar Voraussetzung, dass man heute überall vernetzt ist? Immer online, immer erreichbar. Das geht los mit „schreib mir bei WhatsApp“ oder einem anderen Messenger, Facebook, geht über Instagram Seiten und macht auch vor einem Account bei Twitter, Accounts zum Kommentieren (Disqus zum Beispiel), oder auch der Teilen-Funktion, Clubs & Co. auf den neueren Konsolen nicht Halt. Von diversen Filmstreaming-Diensten mal ganz zu schweigen, am besten brauche ich ja alle Abos, um irgendwo mitreden zu können.
Es ist zu viel. Die Masse erdrückt mich.
Versteht mich nicht falsch, ich ziehe gerne mal neue Infos z.B. zu Games aus den digitalen Medien und mag sehr, dass ich hier über VSG (+ Gravatar Account ^^) und auch bei Twitter mit netten Menschen im Austausch sein kann. Früher hatten wir die Printmagazine und der ein oder andere vielleicht regelmäßige Szene-News auf Disk. Es ist so einfach heute, Dinge zu recherchieren. Das ist schon cool, keine Frage!
Nachrichten (nicht unbedingt gute, das macht es zusätzlich kompliziert für mich) prasseln wie bei einem Hagelschauer auf mich herab. Ich denke, dass es nur ein natürlicher Reflex ist, da irgendwann Deckung zu suchen. Es ist einfach viel zu viel für mein Gemüt. Schlechte News gab es ja schon immer, aber die Vernetzung der Welt ballt es ziemlich. Täglich. Stündlich. Sofort. Ein Buschfeuer jagt das nächste. Rückzug.
So schütze ich meine wackelige, mentale Gesundheit vor dem Dauerfeuer, indem ich in letzter Zeit systematisch den geplanten Rückzug angetreten habe. Habe Accounts gelöscht, Mitteilungen deaktiviert, Pausen eingelegt, Abstand genommen oder mich aus meiner Sicht sogar befreit von ein paar selbstverständlichen Dingen der heutigen Zeit. „Warum liest du deine Nachrichten nie?!“ höre ich oft. Mache ich ja, vielleicht aber nur nicht dann, wenn andere es erwarten. Die Erwartungshaltung „sofort“ ist ein ziemlicher Druck heute. Mein Internet ist in der Regel ausgeschaltet, wenn ich aus dem Haus gehe. Man könnte mich ja beispielsweise auch einfach anrufen? Ging doch vor den Smartphones auch. So fällt vieles für mich in die Kategorie „Kann dann ja wohl nicht so wichtig sein“.
Die „Tumbleweed-Gabe“
Ich denke viel nach, sage aber meistens wenig, oder nur, wenn ich gefragt werde. Öfters bin ich aber einfach nur im Leerlauf. Auf „Was denkst du gerade?“, wenn ich abwesend wirke, weiss ich oft keine Antwort, denn da gab es einfach nichts. Der berühmte Busch, der durch’s Bild rollt, Tumbleweed.
Das stört mich nicht und ich bin froh, dass ich das so kann. Das war schon in der Grundschule so. Was kann ich dafür, wenn die Tagträume mit Blick auf die Vögel draußen oft interessanter als der Unterricht waren? Das haben damals wohl auch meine Noten widergespiegelt. Meine Frau beneidet mich um diese „Gabe“, wie sie sagt. Sie kann das nicht, es rattert ständig in ihrem Kopf und sie kann kaum abschalten.
Ich, Mitte 40, grüble viel über meine Zeit hier. Letztendlich ist es mir oft erschreckend egal, wie lange ich noch habe, das liegt nicht in meiner Hand. Ich kann es vielleicht auch nur minimal durch meine Lebensweise beeinflussen, kann gesund leben und dennoch mit einem Herzinfarkt umfallen. Das hoffe ich natürlich nicht, aber wer weiß das schon? Das schreibe ich vielleicht auch unter dem Einfluss meiner depressiven Launen, denn wirkliche und nachhaltige „Freude“ am Leben hab ich schon lange nicht mehr. Es ist oft eher das Gefühl eines Hamsterrads, Geld verdienen, um das Zuhause zu bezahlen, in dem man kaum ist, weil man gerade Geld für das Zuhause erwirtschaftet, in dem man so wenig zuhause ist, weil man gerade Geld… Ach mann 🙁 Es sind wohl eher gesellschaftliche „Balls & Chains“ über die ich täglich stolpere, denn so viel Lebenszeit geht für die Erwerbstätigkeit drauf. Was bleibt?
Als Christ glaube ich, dass es nach dem Tod weitergeht. Das hilft mir oft, wahrscheinlich gehe ich auch deshalb relativ gelassen mit einem der schwierigsten Themen des Lebens um. Aber sinnvoll nutzen möchte ich diese Zeitspanne hier schon, egal wie lang oder kurz sie sein mag.
Jetzt kommt dann doch noch die Kurve zu den Games. Danke für’s Durchhalten!
Qualität statt Quantität
In Verbindung mit Spielen, die ich ja auch gerne mal spiele, heißt das für mich dann aber auch, dass ich vieles einfach links liegen lasse, wenn es mich nicht wirklich packt. Stress à la Horror & Grusel kann mir dabei aber mittlerweile grundsätzlich gerne gestohlen bleiben. Ich mag meine „Quality Time“, wie es mir ein lieber online-Bekannter (danke Marco!) neulich perfekt beschrieben hat. Nicht sinnlos rumdaddeln, sondern gezielt Auszeiten nehmen, bewusst spielen, spielerisch etwas erleben und nicht spielen, nur um die Zeit totzuschlagen. Genauso sehe ich das auch für Zeit-Blackhole Streaming-Serien, da bin ich überhaupt kein Fan von.
Jetzt hab ich doch ziemlich ausgeholt, um hier zu landen. Hat das Ganze auch etwas mit Videospielgeschichten zu tun? Ja.
Spiele sind für mich etwas Greifbares, wenn vieles andere nicht mehr greifbar ist und mir – so sehr ich mich auch bemühe – einfach durch die Finger rinnt. Ein wenig Ablenkung, ein wenig Erinnerung, ein wenig Vertrautes. So wie damals. Mein innerer Streichelzoo.
Ist das Ganze dann vielleicht ein Stück Retro für mich? Heule ich Vergangenem hinterher? Ja, das kann man bestimmt so sehen, ich denke, der Vergleich hinkt überhaupt nicht. Ich vermisse die Zeiten, in denen es so unkompliziert war. Schule aus, Essen, Hausaufgaben, ab in den Wald \o/ An anderen Tagen: Spiel an. Ohne online, ohne Schnickschnack, ohne und und und. Ich und das Spiel, abtauchen und weg. Simple Spielmechaniken aus der Urzeit finde ich dabei auch heute noch alles andere als abschreckend. Das habe ich gerade wieder bei Outcast-Second Contact, dem Remake des 99er Titels, erkannt. Einfach gut! Aber auch Observation, welches im Prinzip billige Rätsel mit einer unglaublich dichten SciFi Atmosphäre verknüpft. Fantastisch 😀
Schön spielen!
Ich mag einfache Spiele. Vom Schwierigkeitsgrad her, aber auch von der Struktur und der Spielmechanik her. Ich mag mich in nicht zu komplizierte, digitale Welten zurückziehen, um eine schöne Zeit zu verbringen. Ein bisschen Flucht, ein bisschen Erinnerung, wie leicht alles mal war.
So wie beispielsweise auch in diesen für mich entspannten Abenteuern, ergänzend zu den drei weiter oben abgebildeten Titeln:
Ein Spiel wie Wandersong konnte an manchen Tagen positiv meine Laune unterstützen und der tänzelnde Barde mit der hellen Stimme schaffte es immer, mir ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Dafür bin ich dankbar, erinnert mich dieses total simpel anmutende, musikalische Abenteuer an manchen Ecken auch ein wenig an das Playstation PaRappa (kick, punch, block!) aus den 90ern.
Submerged hat mir auch sehr gefallen. Schon lange des Szenarios wegen auf meiner Xbox Wunschliste, war es irgendwann im Sale (ich weiß, ich bin Spielecompany’s Albtraum). Man tut eigentlich immer nur das gleiche, indem man Gegenstände für seinen kranken Bruder auf verwitterten Gebäuden im überfluteten Nirgendwo sucht. Aber auch dieses recht monotone Spiel hat seine Schönheit für mich, ist total entspannt und beruhigend. Ich mag ja solche übergrünten und verlassenen Schauplätze sowieso so gerne (hallo Enslaved 😀 ).
Jetzt bin ich gerade in State of Mind gefangen. Eine interessante Cyberpunk Low Poly Geschichte aus der Regionalschmiede Daedalic. Die vertreiben und/oder in diesem Fall entwickeln in meinen Augen teils echt tolle Abenteuer, die weder wirklich schwierig, noch technisch so richtig auf der Höhe sind, aber gerade atmosphärisch für mich total schön sind und zum träumen einladen. Dazu passt auch – wie ich finde – hervorragend dieser Low Poly Stil. Zu wenig, um wirklich schön zu sein, aber nicht zu viel, auf dass der Kopf noch genug Spielraum hat, um eigene Details auszuarbeiten. Ich mag das sehr. So wie ein virtuelles Buch, so würde ich diesen Stil beschreiben.
Einen weiteren Vertreter des Genres, AER – Memories of Old (leider auch Forgotten Key’s einziges Werk), kann ich da auch sehr empfehlen. Das glänzt für mich umso mehr von der oft minimalen, aber atmosphärischen, musikalischen Seite.
Ihr seht schon, ich mag es gerne einfach
Heute scheint mir vieles aufgekocht, oft auch ideenlos umgesetzt. Aber dafür in hübsch 🙂 Viele Neuerungen gibt es nicht wirklich, es war schon so viel da. Kompliziert muss es aber anscheinend sein. Denn oft sind neue Games dann auch wieder mit Onlinemodi zugepflastert und breitgetreten, die ich so gar nicht gebrauchen kann. Oder die Spielmechanik ist total verworren und es kommt dadurch keine Freude bei mir auf. Ich mag daher auch sehr gern die Indie-Ecke. Frische Ideen, an die sich manch fette Studios nicht rantrauen, wenn die Erfolgsprognose zu wackelig erscheint. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
Wie ist das bei euch? Werde ich einfach alt, oder geht es euch heute ähnlich mit dem Hagelschauer und Deckung suchen?
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