Heutzutage ist Videospielmusik so vielfältig. Sie kann kühl und technologisch sein, klassisch und episch, sie kann Szenen untermalen und uns zum Lachen und zum Weinen bringen.
Moderne Videospielmusik besteht zumeist aus aufgenommenen, echten Musikstücken, die im Speicher der Konsolen in jeweils passend geschnittenen Stücken komprimiert vorliegen.
In der Vergangenheit mussten die Komponistinnen und Komponisten allerdings auf andere Technologien zugreifen, um in den oft spärlich mit Speicher bestückten Geräten entsprechend gute Klangwelten zaubern zu können.
Einige dieser besonderen Musikchips möchte ich euch in diesem Artikel vorstellen. Natürlich kennt ihr sicherlich schon den ein oder anderen davon, daher würde ich mich freuen, wenn ihr mir Beispiele oder eure Lieblingsstücke von diesen Chips in den Kommentaren vorstellen könntet!
Einige technische Hintergründe
Wieso sorgt ein dedizierter Soundchip dafür, dass weniger Speicher benötigt wird?
Musikschaffende konnten auf verschiedene Formen digital erstellter Töne zugreifen: Verschiedene Tonwellen standen zur Verfügung, und manchmal war es auch noch möglich, ein „Sample“ wiederzugeben.
Tonwellen sind diejenigen Töne, die man heute landläufig mit den frühen Computerspielen assoziert – die Ausgabe eines digital erzeugten „Piep“-Tons, der durch Verformung der Welle einen härteren, weicheren, schrilleren oder sanfteren Ton erzeugen konnte – einfach gesagt.
Samples sind tatsächlich aufgenommene und digital abgespeicherte Töne – beispielsweise eine Aufnahme, wie mit einem echten Klavier die Note „C“ gedrückt wird. Durch verändern der Tonfrequenz kann mit diesem einen Sample dann auch eine höhere oder niedrigere Note ausgegeben werden, wobei eine gewisse Synthetik im Klang dadurch nicht verhindert werden kann.
So muss man nicht für ein Musikstück eine ganze Aufnahme digital vorhalten (was vor der Erfindung von Kompressionstechniken wie MP3 ein Riesenaufwand war), sondern muss entweder nur die Instruktionen vorhalten, wie Tonwellen zu verändern waren, oder einmal ein Sample speichern und dann die Instruktionen, wie es zu verändern ist.
Ein Musikstück der früheren Soundchips in der folgenden Liste war in einer Größenordnung von wenigen Kilobyte (KB) abgelegt. Wertvoll in einer Zeit, in der selbst Speichermedien kaum die dreistelligen KB-Anzahl erreicht haben.
Atari POKEY (1979)
![Atari POKEY (1979) - Quelle: Wikipedia, CC-BY-SA-3.0](https://www.videospielgeschichten.de/wp-content/uploads/2023/09/Atari_POKEY_1979.jpg)
Der POKEY, ein Chip, der in den ganz frühen Heimcomputern Atari 800 und Atari 400 noch in den 1970er-Jahren veröffentlicht wurde, war seiner Zeit weit voraus.
Der Chip konnte vier Tonkanäle gleichzeitig ausgeben – das heißt, es war beispielsweise möglich, eine Melodie und einen vollen Dreiklang-Akkord gleichzeitig zu spielen. Zusätzlich konnten mit einem der Kanäle tatsächlich schon Samples verwendet werden!
POKEY war für 1979 revolutionär, und mit einer der ersten klangkräftigen Soundchips, der zu komplexeren Kompositionen in der Lage war.
Leider war die Musik der tatsächlich auf Atari-Geräten veröffentlichten Spiele oft schlicht, aber die Demoszene hat seitdem die ganzen Möglichkeiten des Chips liebgewonnen.
Hört doch mal rein:
Stellt euch vor, dieser Klang war schon in den 70ern möglich – einer Zeit, in der Videospiele gerade einmal schlichte Pieptöne von sich geben konnten.
MOS SID (1982)
![MOS SID (1982) - Quelle: Wikipedia CC-BY-SA-4.0](https://www.videospielgeschichten.de/wp-content/uploads/2023/09/MOS_SID_1982.jpg)
Der SID von MOS Technologies, verwendet im Commodore 64, ist wohl mit einer der bekanntesten Soundchips der 8-Bit-Generation. Ihm fehlten zwar die Sample-Fähigkeiten des POKEY, dafür können die Töne aus bis zu drei Kanälen parallel wesentlich flexibler verwendet werden.
Durch die große Verbreitung des C64 weltweit, war der SID der Einstieg vieler Musiker in die Welt des digitalen Musikschaffens.
Bekannter Musiker aus dieser Zeit war beispielsweise Rob Hubbard, der viele frühe Musikstücke des C64 komponiert hat.
Der SID ist immer noch bei so vielen Komponisten digitaler Musik beliebt, dass es für moderne Sound-Software Plugins oder sogar ganze Hardware gibt. Samples vom SID werden sogar in der Neuzeit noch von Musikern wie Timbaland oder Nelly Furtado verwendet.
In diesem Video ist eine Auswahl von SID Musik enthalten – das ist doch die tongewordene 1980er-Erinnerung, oder?
Amiga PAULA (1985)
![Amiga PAULA (1985) - Quelle: Wikipedia, CC-BY-SA-2.5](https://www.videospielgeschichten.de/wp-content/uploads/2023/09/Amiga_PAULA_1985.jpg)
1985, noch vor der Übernahme durch Commodore, wurde der legendäre Computer Amiga 1000 veröffentlicht, und ihm war der Chip PAULA für die Tongenerierung zuständig.
Im Gegensatz zum SID verwendet die PAULA bis zu vier Stimmen von Samples in 8-Bit Tonqualität. Diese können noch mannigfaltig verändert und manipuliert werden, um diesen typischen Amiga-Sound zu erschaffen, der eine ganze Generation von 16-Bit-Heimcomputer-Usern geprägt hat.
Einer der bekanntesten PAULA-Komponisten war Chris Hülsbeck, der die Musik von Turrican auf dem Amiga geschrieben hat. Chris hat zwar auf dem SID zuerst die Musik komponiert, doch auch auf dem Amiga ist ihm ein großer Wurf gelungen:
Der SID klingt satt und synthetisch, PAULA schon beinahe wie moderne elektronische Musik.
Wobei auch viele Musiker auf dem Paula-Chip Samples von Tonwellen verwendet haben, um einen Sound wie in den 8-Bit-Chips zu erzeugen. Die Möglichkeiten standen ihnen frei!
Sony SPC700 (1990)
Der Sony Soundchip SPC700 von PlayStation-Erfinder Ken Kutaragi ist, für manche überraschend, der Soundchip des Super Famicom / Super Nintendo Entertainment Systems von 1990.
Es handelt sich dabei um einen rein Sample-basierten Soundchip, der aber auch in der Lage ist, einige Soundeffekte selbst zu erzeugen (wie beispielsweise den berühmten Wind in Chrono Trigger).
Vor der Einführung der CD-basierten Konsolen war der SPC700 einer der mächtigsten Soundchips in der Konsolenbranche und hat das Super Nintendo bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre mit getragen.
Hier zum Beispiel die Kampfmusik von Final Fantasy 7 (PlayStation, 1997) mit dem Soundchip des Super Nintendo in beinahe Originalqualität wiedergegeben:
Oder hier, wer’s kennt, sogar Final Fantasy 8 von 1999 ist kein Problem für den SPC700:
PlayStation 1 und 2 SPU (1994, 2000)
Die Geschichte, wie Sony und Nintendo sich zerstritten haben und aus dem CD-Addon von Sony die PlayStation Konsole entstand, ist legendär. Und so wurde auch der Soundchip des Super Nintendo weiter entwickelt und in der PlayStation in ähnlicher Form weiter verwendet.
Moment, die PlayStation war eine CD-basierte Konsole? Wieso wurde da nicht in jedem Spiel einfach CD-Audio für die Musik verwendet?
CD-Audio ist ein sehr speicherfressendes Format. In diesem Format passen nur 74 Minuten auf eine Scheibe – und da sind die Daten für die Spiele noch nicht mit einberechnet.
Frühe CD-Konsolen oder Addons wie bei der PC-Engine verwenden nur CD-Audio, doch dieses Format hat noch einen weiteren Mangel – so ohne weiteres lassen sich die Musikstücke nicht reibungslos wiederholen, sodass oftmals ein Musikstück mitten in einem Level oder Rennen beendet wurde.
Daher hat die PlayStation noch einen Sample-basierten Soundchip ähnlich des SPC700 verwendet, um eine deutlich größere Anzahl an Musikstücken unterzubringen.
Der SPU-Soundchip wurde bei vielen bekannten Spielen anstelle von CD-Audio verwendet – Final Fantasy (VII bis IX), Suikoden 2, Alundra – ihr seht, vor allen Dingen bei Rollenspielen mit größerer Musikauswahl war der Playstation SPU gefragt.
Der SPU wurde in einer erweiterten Form sogar noch in der PlayStation 2 verwendet – und vertonte dort unter anderem so legendäre Spiele wie Final Fantasy XII!
Hier ein Hörbeispiel, was der Soundchip zu leisten in der Lage war!
Der ganze Soundtrack aus dieser Playlist nimmt auf der CD übrigens nicht einmal 80 Megabyte (MB) ein.
Und sonst so?
Natürlich gibt es noch weitere Soundchips die von Spielerinnen und Spielern weltweit geliebt werden – zum Beispiel die FM Sound Unit des Sega Master Systems (und darauf aufbauend eine wahre Fangemeinde an Yamaha-Soundchips), oder auch den recht flexiblen Klang des Sega Mega Drive. Schreibt doch mal, auf welchen Konsolen euch die Musik besonders gut gefallen hat und warum das so ist!
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