Das Thema Gewalt und Videospiele sorgte schon immer für viel Zündstoff in den deutschen Medien. Solche Diskussionen sind fast so alt wie die ersten kommerziellen Ballerspiele und sie werden wohl auch in Zukunft zu keiner akzeptablen Lösung führen.
Aufgewachsen im kalten Krieg, mit klarem Feindbild und unter ständiger atomarer Bedrohung, beeinflussten „brutale“ Videogames die Jugendlichen meiner Generation eigentlich nur unwesentlich.
Allerdings spielten wir damals noch keine blutigen 3D-Shooter oder militärische Echtzeitstrategie am persischen Golf. Nein, bei uns ging es um mehr. Viel mehr – daß Schicksal von Millionen Menschen leben lag in unserer Hand. Ganze Städte wurden in Schutt und Asche gelegt, wenn unsere Mission als Kommandant der interkontinentalen Raketenabwehr versagen sollte.
Weltkrieg am Bildschirm!
Endlose Wellen feindlicher Marschflugkörper bedrohten zivile Einrichtungen, Killersatelliten und Atombomber verstreuten ihre tödliche Fracht und intelligente Nuklearsprengköpfe stürzten sich gezielt auf wehrlose Städte. Zusätzlich wechselte in den höheren Spielstufen der Hintergrund in ein grelles Spektrum aus gelb, rot, violett oder hellblau und sorgte so schon zu Beginn einer neuen Angriffswelle für puren Nervenkitzel.
Aber worin lag nun genau der große Erfolg des alten Spielhallen-Klassikers?
Missile Command oder Städte verteidigen, wie die (harmlose) deutsche Übersetzung lautete, ist ein Spiel das im Grunde nichts anderes verkörpert als den schlimmsten Alptraum der Menschheit: thermonuklearer Weltkrieg!
Später relativierte Atari jedoch das Spielprinzip indem sich der Ort der Handlung auf einen imaginären Planeten mit dem Namen „Zardon“ verlagerte. Ironischer Originaltext aus der Atari VCS Spielanleitung: „Zardon der Glücks- und Harmonie Planet“.
Nun konnten anstatt der Sowjets fiese Aliens, die Krytolianer, unsere Städte attackieren. Doch das änderte nichts an der Tatsache, daß Missile Command ursprünglich den Namen Armageddon trug und die bedrohten Ziele die Metropole San Francisco, Los Angeles, San Diego, Santa Barbara, Eureka und Monterey an der amerikanischen Westküste darstellten.
Die politische Situation des kalten Krieges spiegelte sich nicht nur in Missile Command wieder. Im Kino wurde die Angst vor einem dritten Weltkrieg mit Filmen wie WarGames (1983) oderThe Day After (1983) verarbeitet. Doch wir – die Videospieler jener Zeit – gingen recht unbefangen mit der ganzen Thematik um. Vielleicht lag aber auch gerade im Inhalt der besondere Reiz des Spiels?
Erfolgsgeheimnis „Trackball“
Ein anderes Erfolgsgeheimnis von Missile Command war die innovative Steuereinheit, der sogenannte „Trackball“. Anfangs vermittelte er ein sehr ungewohntes Spielgefühl, doch schon nach kurzer Zeit stellte sich schnell Routine ein.
Der Trackball ermöglichte eine rasche und millimetergenaue Steuerung, wesentlich exakter als ein handelsüblicher Arcade Joystick. Ihren Einstand feierte die ungewöhnliche Steuerkugel aber bereits im Jahr 1978 zusammen mit dem Automaten Atari Football. Dort wird das neue Steuergerät mit den Worten „New Trak Ball allows instant movement and control of key players in any direction„ beworben.
Spielerisch bot Missile Command ebenfalls viele neue Features. Zum ersten Mal hatte der Spieler gleichzeitig drei verschiedene Raketenstellungen zur Verfügung, damit erhielt die Entfernung zum gegnerischen Objekt eine wichtige Bedeutung. Der Abschuss einer Rakete von der falschen Basis aus führte in der Regel zum Einschlag feindlicher Flugkörper und dem Verlust eigener Städte. Das Erfolgsrezept für einen guten High Score bestand in der Fähigkeit die Verzögerung der Raketenflugdauer richtig abzuschätzen.
Feuerte der Spieler, so konnte er nicht abwarten ob dieser Schuss auch wirklich treffen würde. Er musste sich sofort dem nächsten Angreifer zuwenden. Sollte die vorangegangene Rakete das Ziel doch verfehlen, führte ein zweiter Versuch den Angriff zu stoppen, oft in ein endgültiges Desaster. Missile Command erlaubte keine Fehler!
Ein weiteres Handicap stellte das Szenario durch einen begrenzten Munitionsvorrat. Jedes Level startete mit genau der gleichen Anzahl von 30 Abwehrraketen. Dave Theurer, der Entwickler von Missile Command, wollte damit verhindern, dass man ohne jede Taktik mit Dauerfeuer alle Gegner vernichten konnte.
Überhaupt erforderte das Spiel im Vergleich zu anderen Automaten jener Zeit ein hohes Maß an Strategie. Der Einsatz von Abwehrraketen musste immer so effizient wie möglich erfolgen, eine voll bestückte Basis zu verlieren kam einer kleinen Katastrophe gleich.
Bomben auf San Francisco?
Missile Radar, ein bereits älteres Konkurrenzprodukt inspirierte Atari dazu, ein ähnliches Spiel auf den Markt zu bringen. Dave Theurer erhielt also den Auftrag für ein Konzept, bei dem russische ICBM (Intercontinental Balisitic Missiles) bestückt mit Nuklearsprengköpfen das amerikanische Festland angreifen.
Interessant sind hier besonders Theurers Erzählungen im Buch „The Ultimate History of Video Games“ über einige geplante, aber nicht mehr umgesetzte Features während der Entwicklungszeit.
Ursprünglich sollten die bedrohten Städte selbst neue Raketen produzieren und über ein Schienensystem zu den Silos transportieren. Wenn die Angreifer das Schienenetz zerstören, wäre auch der Nachschub abgeschnitten worden. Außerdem verbrachte er einige Zeit damit, zusätzlich Atom U-Boote mit in das Programm einzubauen. Doch beides wurde aufgrund technischer Probleme und Angst das Spiel eventuell zu überladen später wieder verworfen. Danach konzentrierte sich Theurer auf die reinen Basiselemente und entwickelte Missile Command so zu Ende wie wir es heute kennen, als schlichtes und geniales Reaktionsspiel.
Zurück in die Gegenwart
Missile Commander schien zuerst im Sommer 1980 als Arcadeautomat in drei verschiedenen Gehäuseversionen.
Neben Asteroids, Battle Zone und Centipede gehört dieses Spiel heute mit zu den erfolgreichsten Eigenentwicklungen aus dem Hause Atari. Es folgten zahlreiche Umsetzungen auf den damaligen Spielkonsolen und Homecomputern. Wegen des fehlenden Trackballs und der abgespeckten Grafik, verloren die Umsetzungen aber etwas an Spielspaß im Vergleich zum Original.
Der Amerikaner Victor Ali aus San Francisco erreichte am 23. Dezember 1982 nach einer Spielzeit von ca. zwei Tagen die Punktzahl 80.364.995 und hält damit bis heute den Weltrekord.
Bereits ein Jahr zuvor, also 1981, veröffentlichte Dave Theurer sein nächstes Spiel mit dem Namen Tempest. Dieser Titel zählt heute ebenfalls zu den ganz großen Atari-Hits. Dank neuer Adaptionen, Emulatoren und Classic Games Collections wird Missile Command immer noch auf fast allen modernen PCs und Spielkonsolen angeboten. Dabei lässt sich mit Hilfe einer Computermaus das Spielgefühl des Trackballs ziemlich realistisch vermitteln.
Ich kann also allen Videospielern der heutigen Generation nur empfehlen, sich Missile Command erneut auf den Bildschirm zu holen. Das Spiel hat nichts von seiner alten Faszination verloren, genauso wenig wie viele andere Klassiker aus dem goldenen Zeitalter der Videospielautomaten.
Tipps und Strategien für Missile Command
Klar: Missile Command ist grundsätzlich ein sehr schnelles Reaktionsspiel. Spieletipps sind hier nur begrenzt einsetzbar und immer abhängig von der Geschicklichkeit des Spielers. Doch es existieren recht hilfreiche Strategien, die mit etwas Übung bald zu sichtbaren Erfolgen führen.
Grundregeln
Zur Abwehr der verschiedenen Angreifer stehen insgesamt drei Silos mit je zehn Boden-Luft Raketen zur Verfügung. Die Geschosse der seitlichen Silos sind etwas langsamer als von der mittleren Basis. Es empfiehlt sich daher, die mittlere Raketenstellung besonders überlegt und nur bei großer Gefahr einzusetzen. Grundsätzlich gilt: angreifende Marschflugkörper die bereits zerstörte Flächen ansteuern nicht weiter zu beachten. Der ständige Mangel an Abwehraketen zwingt zu dieser Taktik.
Deshalb sollte immer Ziel sein, mit einem Schuss so viele Gegner wie möglich zu treffen. Da viele der Raketen über Kreuz fliegen, lässt sich mit etwas Glück manchmal eine richtige Kettenreaktion erzeugen.
Killersatelliten und feindliche Bomber können jederzeit eine große Anzahl Atomsprengköpfe ausklinken. Durch die kurze Entfernung zu den Städten besteht hier ein enormes Risiko. Darum alle gegnerischen Objekte die sich horizontal durch das Bild bewegen, so schnell wie möglich ausschalten. Wer gezielt feuert kann dabei wieder Munition sparen, wenn die Explosionen zusätzlich anfliegende Raketen zerstören.
Wie schon gesagt: Missile Command verzeiht keine Fehler, trotzdem bleibt das Spiel immer fair. Bricht die Abwehr einmal komplett zusammen, zerstört das Spiel nie mehr als drei Städte pro Level. Hat der Spieler also drei Städte eingebüßt, ist es klüger danach sofort auf Punktejagd zu gehen, um schneller die nächste Bonusstadt zu erreichen.
Taktik für Profis
Die wohl bekannteste Art sich bei Missile Command einen Vorteil zu verschaffen ist das sogenannte „Teppich legen“ (engl. to build a wall).
Das Spiel startet zweimal pro Level eine umfangreiche Angriffswelle. In den höheren Stufen ist die gegnerische Anzahl der Raketen so groß, daß für einzelne gezielte Abwehrmaßnahmen keine Zeit mehr bleibt.
Deshalb wird circa ab Level 5 vor jeder neuen Welle einen „Teppich“ aus Explosionen ausgelegt. Ist dieser Teppich in der richtigen Höhe (je schneller die Angreifer desto niedriger der Teppich) und sind alle Explosionen in richtigem Abstand nebeneinander, lässt sich mit einem relativ geringen Verbrauch an Raketen der Angriff mit einem Schlag abwehren.
Wichtig ist jedoch, dass auf keinen Fall die mittlere Raketenbasis zum Einsatz kommt. Sollte die Situation im Spiel erneut außer Kontrolle geraten, kann ein weiterer kleiner Teppich die Gefahr ebenfalls oft wieder entschärfen.
In den höheren Spielstufen schaffen es auch die besten Spieler nicht mehr, alle sechs Städte gleichzeitig zu beschützen. Wer das versucht, wird feststellen dass bei dieser Strategie die Verluste sogar noch zunehmen. Nur wer später, wenn das Spiel richtig schnell wird, sich auf einzelne Städte konzentriert hält länger durch.
Dabei ist es sinnvoll, nur Städte zu schützen die direkt neben einer Raketenbasis liegen. ich allerdings nur auf eine einzige Stadt festzulegen ist sehr riskant, die optimale Anzahl der zu schützenden Objekte hängt von der eigenen Geschicklichkeit ab. Ich selbst habe gute Erfahrungen gemacht eine ganze Seite zu sichern, also 3 Städte links oder rechts. Die Basis auf der gegenüberliegenden Seite wird für den ersten Teppich verwendet und somit reduziert sich die gesamte Abwehrfläche um ganze 50 Prozent.
Die Bonus City und das unvermeidliche Ende
Missile Command gewährt dem Spieler alle 10.000 Punkte eine „Bonus City“. Wer intelligent spielt, kann mit dieser Bonusstadt in bestimmten Situationen sein überleben sichern.
Hier gibt es zwei verschieden Möglichkeiten: verliert der Spieler die letzte Stadt und steht kurz vor der nächsten 10.000er Grenze, sollte er versuchen mit seinen letzten Raketen nur die wertvollen Angreifer abzuschießen. Also Satelliten, Flugzeuge oder Nuklearbomben. Mit etwas Glück erreicht er so gerade noch die nächste Bonus City. Steht der Spieler regulär am Ende eines Levels kurz vor der 10.000er Grenze, ist es besser weniger Gegner zu vernichten. Erreicht der Score dann nicht mehr ganz die benötigte Punktzahl, hat der Spieler eine ganze Spielstufe gesichert. Die Bonusstadt erscheint so erst im übernächsten Level. Es lohnt sich also immer seine Punktzahl im Auge zu behalten, die Bonusstadt ist ein gutes Instrument um das Spiel künstlich zu verlängern.
One lunchtime I had this urge to try something cool. I could make this huge explosion on the screen. Steve Calfree walked through on his way back from lunch and said, „Why don’t you put The End in there?“ So I stuck it in. Everybody liked it…
Dave Theurer
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