Der Mythos Atari. Unzählige Artikel haben Autoren über dieses Thema bereits verfasst, aber unsere eigene Vergangenheit in Deutschland ist dabei kaum berücksichtigt worden. Klaus Ollmann, Geschäftsführer in den Jahren 1980 bis 1984, berichtet in den nun folgenden Zeilen persönlich über die Einführung der Atari VCS-Spielkonsole. Er selbst war der Initiator und mitverantwortlich dafür, dass die Welle der Videospiele in den frühen 1980er Jahren auch nach Europa schwappte.
Wir sind stolz, ein bisher unbekanntes Kapitel aus der Geschichte von Atari präsentieren zu können, so wie es bis heute so noch nie erzählt wurde. Wir bedanken uns besonders bei Herrn Ollmann, der sich für unsere Leser jetzt die Mühe machte seine Erinnerungen ausführlich zu dokumentieren. Und wir sind gespannt auf noch weitere spannende Erzählungen über eine Epoche, die unsere Generation maßgeblich mit beeinflusst hat: „Die große Ära der Atari Videospiele.“
Text von Klaus Ollmann, Januar 2004
Mitte 1979 war ich stellvertretender Geschäftsführer der WEA Musik GmbH in Hamburg. Bei einer meiner Reisen nach New York zur Zentrale der Warner Communications am Rockefeller Plaza erzählte man mir beim Mittagessen im Top-Geschäftsleitungscasino so nebenbei, man habe eine Firma Atari gekauft von einem Herrn Nolan Bushnell. Das sagte mir damals überhaupt nichts.
Ende 1979 kam ein Paket zu Händen des Geschäftsführers der WEA Musik GmbH, Herrn Siggi Loch, auf dessen Tisch mit einem lapidaren Brief: „Hier ist was Neues. Ist das was für Euch?“ Inhalt: Ein Atari VCS noch in der alten Form mit geschwungener Holzleistenimitation. Da Siggi Loch sich nur als Künstler verstand, gab er mir das Paket mit dem Hinweis: „Guck mal“.
Ich hatte vorher schon Videospiele von Philips und Fairchild gesehen, nahm das Paket mit nach Hause, packte es aus, schloss es an und spielte los. Das Spiel hieß Space Invaders. Als ich morgens um 4 Uhr wieder aufhörte, war mir klar, dass ich eine Sternstunde erlebt hatte, wie man sie, wenn überhaupt, nur selten im Leben erlebt. „A Star was born“.
Erst sehr viel später erzählte mir der Vice President International der Atari Inc., Mr. Tony Bruehl, dass zu Beginn des Spiels der dumpfe Takt der angreifenden Sternenschiffe genau dem Takt des menschlichen Herzschlags entspricht und dass später, bei der Beschleunigung dieses Taktes, der menschliche Herzschlag sich automatisch anpasste und dadurch diese zwangsläufige Aufregung des Spielers entstand.
Am gleichen Tag schlug ich Loch vor, das Atari Repertoire in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu vermarkten. Der war gar nicht begeistert, hatte es doch nichts mit musikalischer künstlerischer Aussage zu tun. Er gab mir aber freie Hand, was blieb ihm auch anderes übrig, eine Atari-Abteilung bei der WEA zu gründen. Ich wurde Geschäftsführer. Nach WEA, Record Service, Warner Home Video und GOVI der fünfte Geschäftsführer in einem Firmenverbund. Die ersten Mitarbeiter für Verwaltung und Vertrieb wurden eingestellt.
Das alles passierte in der Arndtstraße 16 in Hamburg, dem Firmensitz der WEA Musik GmbH. Die ersten Geräte wurden Anfang 1980 aus Sunnyvale, dem Firmensitz von Atari Inc. und bald meinem bevorzugten Reiseziel, importiert. In diesen ersten Geräten waren das VCS, Space Invaders als Spielkassette und ein Paar Joysticks enthalten. Die Kassette und die Joysticks nahmen wir raus und verkauften sie separat.
Anfang 1980 wurden auch die ersten Verkäufe getätigt. Damals noch einzeln oder, wenn es hoch kam, im zweistelligen Stückzahlenbereich. Ich beschäftigte mich an jedem Morgen damit, in den ersten zehn Minuten die Rechnungen des Vortages durchzublättern.
Den frischgebackenen Verkäufern, deren Hauptaufgabe es war, dieses brandneue Produkt dem Handel vorzustellen, empfahl ich während der ersten Vertriebstagung in Hamburg, das Spiel Shootout (amerikanischer Titel: Outlaw), ein simples Cowboy-Schießspiel, vorzustellen und das Gesicht des Einkäufers zu beobachten.
Wenn er beim ersten Mal, wenn der Cowboy umfällt, nicht wenigstens lächelt, gleich wieder einpacken und zum Nächsten. Denn mir war klar, wir mussten ganz schnell Umsatz generieren, bevor den Controllern nach den ersten Monaten auffiel, dass wir Kosten und Verluste produzierten.
So ging es los und es sollte noch bis April 1981 dauern, bevor Atari ein selbständiges Unternehmen losgelöst vom Musikbereich wurde.
Aber das ist wieder eine andere, sehr interessante Geschichte.
Dieser Beitrag gehört zur Atari-History-Reihe bei Videospielgeschichten.
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