Es war ein paar Wochen vor Weihnachten 1979. Mein Bruder, 15 und ich – 10, wir saßen in unserem Zimmer vor dem Fernseher und spielten Combat auf dem Atari VCS 2600.
Auf dem Atari VCS 2600, das wir zu Weihnachten geschenkt bekommen werden. Ja, bekommen werden. Zum Glück wussten wir schon, dass wir das Ding geschenkt bekommen werden. Und netterweise wussten wir auch, wo unsere Mutter es versteckt hatte.
Also holten wir es Tag für Tag aus dem Schrank und packten es aus, kurz nachdem unsere Mutter zur Arbeit gegangen war. So wurde den ganzen Tag gezockt, bis die Finger wund waren. Und kurz bevor sie wieder von der Arbeit nach Hause kam, wurde das Ding wieder schön sorgfältig eingepackt und in den Schrank zurückgestellt. Und zu Weihnachten waren wir dann total überrascht – „Wow, so ein tolles Geschenk, damit hatten wir ja gar nicht gerechnet! Und dieses Spiel, das müssen wir gleich ausprobieren.“ Der Weihnachtsmann war uns nie böse deswegen. Unsere Mutter hat es erst jetzt erfahren.
Eines der Spiele mit superklotziger Pixelgrafik: Combat. Jeder Spieler steuert einen Panzer, kann ihn drehen und schießen. Natürlich immer nur einen Schuss. Man versucht, den anderen abzuschießen. Gelingt einem das, bekommt man einen Punkt. Und dann gibt es, wie das so beim VCS üblich war, immer ganz viele verschiedene Spielvarianten zu jedem Spiel. Abprallende Schüsse, Wände, Labyrinthe, unsichtbare Wände, unsichtbare Panzer, lenkbare Schüsse, und alle erdenklichen Kombinationen daraus. Es machte einfach immer wieder Spaß sich gegenseitig abzuknallen.
Es wurde gezockt, bis die Finger wund waren.
Yoda Zhang
Combat war noch eines der sehr primitiven Spiele für das VCS. Erst später haben die Programmierer die echten Tricks herausgefunden. Der große Durchbruch kam mit der Umsetzung von Space Invaders, dem Spielhallenhit von Taito aus Japan. Nun konnte man endlich das Arcadespiel auch zu Hause spielen. Keinen störte es, dass die Umsetzung nun gar nicht aussah wie das Original: Die Invaders hatten schon ziemlich seltsame Formen. Das Spielprinzip war jedenfalls gleich. Das bedrohliche Marschgeräusch war auch vorhanden, da lief einem echt der Schweiß runter.
Und wie üblich hatte die VCS-Version auch wieder unendlich viele Spielvarianten: Bewegliche Bunker, lenkbare Schüsse und vieles mehr. Das VCS hatte eine seltsame Eigenheit: Wenn man den Ein-Aus-Schalter nur so halb hoch- oder runterschob, konnte es vorkommen, dass das Spiel zwar lief, aber irgendwie anders. Die Grafik war dann zerstört, deformiert und es kamen die seltsamsten „Spielvarianten“ zum Vorschein. So saßen wir teilweise stundenlang da und fummelten am Schalter herum, bis endlich eine spielbare interessante Variante entstanden war. Komischerweise hat das VCS dabei nie den Geist aufgegeben, war wohl sehr robust gebaut das Ding.
Richtig spannend wurde es dann mit Asteroids, einem der ersten wirklich komplexen Spiele für das kleine Atari. Im Vergleich zur Arcade-Version total pixelig und viel zu einfach. Aber trotzdem: Man konnte es zu zweit spielen, es machte jede Menge Spaß, Welle für Welle der grobklotzingen Felsbrocken zu zerkleinern und dabei den Ufos auszuweichen. Auch wenn die Felsbrocken so stark flimmerten, dass einem schon fast die Augen wehtaten.
Tja, die technischen Möglichkeiten des kleinen Atari waren eben nicht so berauschend. Umso mehr war es schon eine echte Meisterleistung der Programmierer, ein Spiel wie Asteroids auf dieses System umzusetzen. Mein Respekt noch heute! Und das mit dem begrenzten ROM-Speicher von nur 2 Kilobyte. Ja, Kilobyte, nicht Megabyte. Ein Megabyte sind tausend Kilobyte, ein Kilobyte hat nur 1024 Byte.
Wer es schafft, damit ein so komplexes Spiel zu programmieren, verdient heute noch meinen Respekt.
Buch: Level 1 – Gulp, Kapitel 2, Seite 20
GULP SPLAT ZONG – DAS BUCH
Dieser Text ist Yodas Buch „Gulp Splat Zong“ entnommen.
Dank seiner Lektüre werden wir nicht nur in die ersten Sternstunden der Arcade-Automaten in Deutschland zurückversetzt, sondern erinnern uns an Atari VCS Klassiker wie Haunted House und an das schier endlose Abtippen von BASIC-Listings in den goldenen Tagen der Heimcomputer. Bei uns könnt ihr verschiedene Texte von Yoda lesen; sein Buch in gedruckter Form könnt ihr direkt auf seiner Webseite erwerben.
Wir versprechen: es lohnt sich!
Herzlichen Dank an René Achter von für das Aufmacherbild zum Beitrag!
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