Mein letzter Besuch der Hamburger Kunsthalle liegt schon etwas zurück. Dennoch kann ich mich gut an die Bilder und Werke erinnern, die das Haus seit 1869 beherbergt. Die romantischen Motive von Caspar David Friedrich („Wanderer über dem Nebelmeer“, 1818) oder Philipp Otto Runge („Die Ruhe auf der Flucht“, 1805) haben sich in meinem Gedächtnis verewigt und sind dort sesshaft geworden. Als zeitlose Erinnerungen leben sie für immer in mir fort.
Warum aber überdauern diese Werke? Weshalb werden sie nicht unter den Unmengen neuer Motive, die ständig auf mich einwirken, begraben?
Kunst berührt uns im Innersten. Für mich liegt der Grund in der Metapher. Im Gleichnis der Kunst mit ihrem Kontext. Mal sind es technische Fertigkeiten, mal die Aussagen der Motive, die mich berühren und von vergangenen Zeiten erzählen, als wäre es gestern gewesen. Die Gegenständlichkeit der Bilder von Carl Spitzweg, Ludwig Richter oder Johan Christian Clausen Dahl übt Ehrfurcht auf mich aus. Vor allem, weil sie unwiederbringliche Momente für immer festgehalten haben.
Natürlich sind Kunstwerke im Kontext ihrer Zeit zu bewerten. Und genau so ist es mit Videospielen. Jedes Spiel hat seine Zeit. Und in diesem zeitlichen Kontext „lebt“ es.
Am digitalen Strand
Meine Erinnerungen an die „Strandspaziergänge“ in Half-Life 2 haben sich ebenfalls in meinem Gedächtnis verewigt. Ich habe Holzwippen mit Steinen beschwert, auf Hügeln Ausschau gehalten und immer wieder aufs Meer geschaut. Ähnlich wie der „Wanderer“ von Caspar David Friedrich.
Das Spiel und mein primäres Erlebnis damit liegen viele Jahre zurück. Half-Life 2 ist von 2004 und ich habe es noch vor Weihnachten des gleichen Jahres durchgespielt. Dennoch kann ich mich noch heute an jede Szene und jeden Ort im Spiel erinnern.
Damals hatte der Entwickler des Spiels eine episodenhafte Fortschreibung der Geschichte angekündigt. Nach Episode 2 im Jahre 2007 war allerdings Schluss. Seither warten viele Liebhaber auf eine Fortsetzung, oder ein neues Hauptspiel, das im Internet oft als „Half-Life 3“ betitelt wird.
Tatsächlich aber brauchen wir aus meiner Sicht kein Half-Life 3.
Was Valve uns mit Half-Life 2 gegeben hat, ist einmalig und lebt im Kontext seiner Zeit. Und was sich viele Freunde der Serie durch ein neues Spiel erhoffen, ist die Wiederholung oder Wiederbelebung des großartigen Erlebnisses von damals. Aus Sicht der Kunst ist das aber überflüssig, denn das Erlebte steht bereits auf festem Boden. Es gehört in seine Zeit und wird dort überdauern.
Sophia Henning hat in ihrem Beitrag Früher war alles besser auf diesem Blog behandelt, wie mit den Emotionen und Erwartungen der Spielenden „gespielt“ wird, wenn es um das Thema Remakes geht. Dabei macht Sophia deutlich, wie schwierig es ist, einem einmal erlebten Moment durch eine „Renaissance“ gerecht zu werden.
Genau das ist der Grund, warum ich vom einem möglichen neuen Half-Life Spiel keine Fortsetzung des Erlebten erwarte. Was vor 15 Jahren passierte, ist perfekt und braucht keine Erneuerung. Der Wunsch danach ist nachvollziehbar, aber die Ehrfurcht vor dem Erlebten ist für mich persönlich wichtiger. Sie ist wie eine Ikone für mich. Wie ein Abbild, das ich verehre und in meinem Innersten bewahre.
Für mich steht deshalb fest: wir brauchen kein Half-Life 3. Die Bilder von Half-Life 2 aber gehören in die Hamburger Kunsthalle.
Wie denkst Du darüber? Wie stehst Du zu Fortsetzungen, Remakes oder Reboots und eventuellen Enttäuschungen? Kennst Du auch Videospiele, die für Dich zeitlose Kunst sind und lieber für sich allein stehen sollten? Haben Videospiele für Dich den gleichen Stellenwert wie „richtige“ Kunstwerke?
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