Obwohl ich nicht mit klassischen Adventures großgeworden bin, bin ich den Point-und-Clicks verfallen. Das liegt vor allem an dem frischen Wind, den Detektive in das geradezu antik anmutende Genre bringen.
Numerisch bin ich 26 Jahre jung, im Bezug auf Videospiele bin ich aber geradezu eine Greisin. Meine Lieblingsgenres gleichen auf die analoge Welt übertragen eher Krimi und Kreuzworträtsel als Turniertanzen oder Tennis. Ich habe es gerne langsam, bedacht und tiefgründig. Nicht umsonst war ich als Kind eine Leseratte, die kaum von der Lektüre der Wahl wegzubekommen war. Sogar in Computerspielen als Raum der unbegrenzten Möglichkeiten mag ich nicht aus meiner Haut und traue mich kaum an flottere Plattformer.
Metroidvania, Roguelike, Action und Shooter sind Stichwörter für mich, das fragliche Spiel links liegen zu lassen. Das ist zum einen auf meine Persönlichkeit zurückzuführen, da ich als introvertierte Person nicht zu Action und Risiko neige. Aber meine Abneigung gegen schnelle, präzise Games mit Notwendigkeit zum Üben, Wiederholen und Lernen ist auch hausgemacht.
Was lange währt, zündet endlich spät
Ich bin eine Spätzünderin. Ironie des Schicksals, dass ich Point-und-Click-Adventures als mein Lieblingsgenre anführe. Denn eigentlich bin ich überhaupt nicht mit diesen Spielen aufgewachsen. Meine frühen Spieleerfahrungen beschränken sich auf Browsergames (erinnert sich noch jemand an Ikariam?), Die Sims, ein paar mehr oder weniger steuerbare Rennspiele wie Cars (das Spiel zum Film) und das begrenzte Angebot auf meinem Nintendo DS lite. Das war meine erste Konsole.
Da waren namhafte Wegbereiter wie Day of the Tentacle, Maniac Mansion oder Monkey Island schon fast 20 Jahre alt! Von diesen Adventures habe ich vor meiner Karriere als Autorin für Indie-Magazine noch nie etwas gehört. Die gerade erfolgte Ankündigung Ron Gilberts, einen neuen Monkey-Island-Teil zu veröffentlichen, hat mir nur ein müdes Schulterzucken entlockt. Das grenzt schon an Ketzerei, ich weiß.
Nostalgie ist es also schon einmal nicht, die mich zu den Point-und-Clicks gebracht hat. Stattdessen war es ein Match made in Heaven, die perfekte Fusion zweier Sub-Genres: Die Erfolgsgeschichte der Detective Games. Wann die genau begann, ist schwer zu sagen, aber für mich begann sie um 2018 mit einem Bundle. Ein Bundle von CDs, um genau zu sein, früher hättest du dazu altmodisch „Box-Set“ gesagt. Darin befanden sich drei Fälle der drei ??? zum Spielen, nämlich Die drei ??? und der Riesenkrake und zwei weitere, die ich vergessen habe.
Mein Exfreund hat sie mir damals geschenkt, wohl, weil ich meine Begeisterung über einen gewissen Podcast über die drei ??? deutlich genug zum Ausdruck gebracht habe. Zu meinem Glück verfügte mein damaliger Laptop über ein CD-Laufwerk. Das ist seinem Nachfolger nicht vergönnt. Vielleicht ist das der Grund, dass ich zwei von drei Fällen nie angefasst habe.
Das Boot, eine Tragödie in zehn Gegenständen
Doch schon dieses Spiel lässt die Stärke erkennen, die mich später in den Bann der Detektiv-Point-und-Clicks ziehen würde. Jede Umgebung musste genau abgesucht, Personen geschickt befragt und Gegenstände clever kombiniert werden. Und wenn das Hirn mit dem Latein am Ende ist, dann wird eben ausprobiert. Nicht selten endete das in Sessions, in denen ich immer und immer wieder zwei, drei Umgebungen durchforstete auf der Suche nach der einen Sache, die mich weiterbringen würde.
Eigentlich ist eine solche Sackgasse etwas, das Spieleentwickler_innen dringend vermeiden sollten: Ich will als Spielerin immer mein Ziel und meine Ressourcen kennen, sodass ich auf die Methode schlussfolgern kann. Ein Beispiel: In jedem mehr oder weniger klassischen Point-und-Click-Adventure wird ein Gegenstand repariert. Da es mir schon in zwei Spielen begegnet ist, betrachte ich einfach ein Boot. Das Boot nimmt die Rolle des Transportmittels ein, damit erzähle ich dir nichts Neues, in Wahrheit aber verspricht es das nächste Level.
Irgendwo da warten eine neue Umgebung, neue Spuren und ein Erfolgserlebnis, endlich einen Schritt weiter gekommen zu sein. Typisch drei ???, aber eben auch typisch Point-und-Click. Doch zuvor muss das Boot immer repariert werden. Wundersamerweise sind solche Boote nie seetüchtig! Also müssen Klebstoff, Klebeband, Kaugummi oder Segeltuch, sucht es euch aus, aufgetrieben werden.
Diese liegen selten am Strand herum, sondern müssen ertauscht oder gegen Gefälligkeiten erworben werden. In Point-und-Clicks gibt es nichts umsonst außer das erste Item, merk dir das! Jedenfalls kann ich feststellen, dass meine Leidenschaft geweckt war und langsam, aber sicher, meinen übermäßigen Kreuzworträtselkonsum ablöste. Ja, den hatte ich tatsächlich.
Lamplight City, Stadt der hellen Leuchten
Das erste Spiel, das ich mit einem bewussten Auge betrachtete, war Lamplight City. Und es dient mir gleich als Paradebeispiel für die perfekte Ausführung eines perfekten Matchs. Lamplight City ist ein Point-und-Click-Adventure der neuen Schule, die ein altbewährtes System ablöste. Falls du wie ich ohne Monkey Island aufgewachsen bist: Ich beziehe mich auf das Menü.
In den älteren Spielen (und einigen, die sich liebevoll auf solche Vorbilder beziehen) gibt es eine Vielzahl an Optionen, was du und ich mit den Gegenständen, Türen und Personen anstellen können. Öffnen, ansprechen, aufheben, benutzen, anlecken, essen, einstecken, betrachten, wirklich alles ist möglich. Das führt dazu, dass allein das Öffnen einer Tür mit dem dafür vorgesehenen Schlüssel zu einem Kraftakt verkommt. Benutzerfreundlich ist das nicht, auch wenn es damals der technischen Limitation der Computer geschuldet war.
Heute wäre ein solches Menü aber nicht nur überflüssig, es ist auch anti-immersiv. Darum verzichtet Lamplight City vollständig auf ein Menü und lässt Hauptcharakter Miles Fordham mit einem Klick immer genau das machen, was ich will. Er öffnet die Tür, wenn ich die Tür anklicke, und er spricht die Dockarbeiter an, wenn ich die Dockarbeiter ansteuere. Ein Inventar entfällt, stattdessen werden gesammelte Beweise in einer Art Tagebuch dokumentiert.
Obwohl Lamplight City sowohl stilistisch als auch spielerisch ein typisches Point-und-Click ist, verschmelze ich mit dem Spiel. Wie bereits angedeutet, ist es auch ein Detektivspiel, immerhin muss Miles einen Mord aufklären. Und selten hat sich die Schnüffelei so gut angefühlt! Mein Inventar ist eigentlich in meinem Kopf, die Informationen muss ich in langen Gesprächen aus Zeug_innen und Verdächtigen herauskitzeln. Auf jedem Hintergrund warten neue Informationen darauf, von mir entdeckt zu werden.
Do you speak The Darkside Detective?
Auch hier wird mir nichts geschenkt. Aber statt endlos Menschen abzuklappern, ob jemand zufällig Klebeband in der Badehose mit sich trägt, folge ich einer sorgfältig ausgelegten Spur. Wie bei einer Schnitzeljagd liegen kleine Hinweise an der Stelle versteckt, an die mich meine Spürnase führen muss. Ich gebe zu, es hat gedauert, bis ich die Sprache von Lamplight City erlernt habe.
Sprache im übertragenen Sinne, ich spreche von der Eigenart eines Spiels, seine Puzzles zu konstruieren. Im Falle von Lamplight City besteht diese Eigenart darin, nach Schlüsselgesprächen an bestimmten Orten neue Interaktionsmöglichkeiten auftauchen zu lassen. Andere Spiele zählen darauf, dass die Absurdität einer Aktion schon reicht, um mich zum Ausprobieren zu motivieren.
Andere Spiele, wie mysteriös. Ich rede natürlich von The Darkside Detective. Hier stehen die Ermittler schon im Titel, wenig überraschend also, dass auch hier nach Lust und Laune kombiniert wird. Allerdings wohnt dem Spiel rund um McQueen und seinen stets völlig ironieresistenten Partner Dooley eine gehörige Prise irische Komik inne. Diese sorgt für häufiges Kopfschütteln und noch häufigeres Lachen. The Darkside Detective nimmt die genretypischen Eigenheiten und schüttelt sie einmal gehörig durch. Dabei heraus kommen selbstironische Witze und absurde Ermittlungen auf der dunklen Seite, wortwörtlich.
Regelmäßig wird die vierte Wand durchbrochen und augenzwinkernd auf eben jene Absurdität verwiesen. Der Moderne wird Rechnung getragen, indem sich Gegenstände aus dem Inventar bequem per Drag & Drop auf das Ziel der Bemühungen bewegen lassen. Um cleveres Kombinieren und um-die-Ecke-Denken kommst du aber nicht herum. Je abstruser, desto besser. Keine Idee ist zu blöd, um dir nicht einen trockenen Kommentar von McQueen einzubringen.
Multifunktionswerkzeug Point-and-Click
Für trockene Kommentare ist auch Harper Pendrell berühmt und berüchtigt. In der deutsch-englischen Koproduktion Unforeseen Incidents stolpert der Bastler in einen Fall, der Querdenker_innen blass um die Nase werden ließe. Noch bevor Corona ein Ding war, hat Harper das ganze Szenario einmal durchgespielt. Wortwörtlich. Dass er es als unbedarfter, ja sogar naiver Mensch mit einer riesigen Verschwörung rund um einen bösen Konzern und eine mysteriöse Krankheit aufnehmen muss, sorgt direkt für Identifikationspotential.
Und als Bastler hat er beste Voraussetzungen für ein Point-und-Click: Sein Multitool würde Guybrush Threepwood vor Neid grün werden lassen. Vom Mitdenken bewahrt mich das Wunderwerkzeug allerdings nicht. Die Spur eines machthungrigen Konzerns verfolgt sich schließlich nicht mit dem Schraubenzieher! Stattdessen muss Harper ein ums andere Mal seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, wenn seine Tollpatschigkeit ihn mal wieder in eine brenzlige Situation manövriert hat.
Das Genre der Point-und-Clicks scheint wie gemacht für verkappte Hobby-Spürnasen. Die drei Beispiele dürften dir gezeigt haben, warum. Detektivspiele arbeiten oft mit spannenden Charakteren, die von einer Jugendbande auf Fahrrädern über den typischen Noir-Detektiv mit knapp ans Kinn heruntergezogenem Hut bis hin zu einem ungleichen Duo pixeliger Ermittler reichen. Obwohl Detektivspiele interessante Charaktere nicht gepachtet haben, verströmt das Bild des (Privat)Ermittlers einen gewissen Glanz, der sich auch von einer Menge Fell nicht vertreiben lässt.
Sogar mit tierischen Protagonist_innen funktioniert es ganz hervorragend. Das hat das völlig zu Unrecht von der allgemeinen Meinung abgestrafte Spiel Backbone bewiesen. Ich habe es für seine düstere Erzählung rund um einen macht- und ahnungslosen Howard Lotor direkt ins Herz geschlossen. Ob nun gebrochene Persönlichkeit oder ein bissiger Sherlock-Holmes-Abklatsch, mich ziehen solche Figuren magisch an.
Der Fall ist gelöst
Sie werden angetrieben von einem klaren Ziel. Am Ende winkt immer die Auflösung, die für mich wie eine Erlösung wirkt. Das Kreuzworträtsel ist geschafft, es ist wieder Ordnung in der Welt. Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan, die beinahe kathartische Reinigung ist vollendet. Ein Fall kann zu den Akten gelegt werden. Der Bühnenvorgang fällt und verhüllt die oft kulissenhaften Hintergründe eines Point-und-Clicks.
Viel mehr als die Maus und einen Bildschirm braucht es nicht, um für ein paar Stunden den Mantel umzulegen und den Fedora aufzuziehen. Oder drei-???-typisch den Bösewicht trotz vorgehaltener Waffe zu überwältigen! Ich könnte dir noch mehr Beispiele nennen, die alle auf ihre Art beweisen, wie recht ich habe – und wie gut eine Prise Cyberpunk in die Mixtur passt. Aber vielleicht klickt es auch nur mit mir so gut und füllt eine Lücke, von der ich nie wusste, dass ich sie habe.
Jetzt seid ihr dran. Was ist euer ganz persönliches Match made in heaven? Und habt ihr euch schon einmal Gedanken über die (Un)Logik von Puzzles in Adventure-Games gemacht?
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