Immer wenn ich in meiner gemütlich-chaotischen Leseecke im nach Informationen zu klassischen Videospielthemen recherchiere, bleibe ich an ihr hängen. An ihren drei Buchstaben, die so schön in einem knalligen Magenta auf einem ebenso gelben Gelb gebettet sind. Die Zeitschrift RUN – ein Synonym der Heimcomputerzeit.
Denn „RUN“ war mit Sicherheit das wichtigste Kommando eines fleißigen BASIC-Listing-Abtippers, wenn sie oder er nach stundenlanger Arbeit der Texteingabe endlich das ersehnte Programm starten wollte. Und RUN war eben auch der Name einer deutschen Heimcomputerzeitschrift, die von 1984-1988 im CW-Verlag, München erschienen ist. Scheinbar hatte es die Redaktion auf einen sicheren Markt abgesehen. Der etwas sperrige Untertitel des Magazins „Unabhängiges Commodore Computermagazin“ zielte eindeutig auf die heimische Commodore-Gemeinde. Und diese war seinerzeit weit größer, als die Gemeinden anderer Heimcomputersysteme.
Ich selbst hatte unter dem Umstand gelitten, nicht zu dieser großen Anhängerschaft zu gehören. Denn meine Eltern schenkten mir einen ZX81, mit dem ich selbstverständlich auf dem Schulhof allein dagestanden hatte. Niemand wollte, besser noch konnte mit mir Programme tauschen. Und ich war gezwungen zu anderen Heimcomputerzeitschriften im Händlerregal zu greifen.
So entwickelte ich mich zum Stammleser von Multisystemzeitschriften wie Happy Computer oder HC Mein Home-Computer. Neben dem Import einiger Programm-Kassetten aus England, beschränkte sich mein Spielspaß auf das Abtippen von Listings, die in den soeben erwähnten Zeitschriften abgedruckt wurden. Aber nach einiger Zeit war auch ich im Besitz des legendären C64 und nun ebenfalls Käufer der etablierten Zeitschrift 64er sowie der hier besprochenen RUN. Ab sofort war ich auch nicht mehr zum Eingeben ellenlanger Programmcodezeilen verdammt.
Meist überschlug ich das Editorial von Manfred S. Schmidt und stieg direkt in die Titelthemen und Spieletests ein, die in der RUN abgedruckt waren. Dabei lag der Schwerpunkt der RUN keineswegs auf Spiele-Reviews. Auch die Szene, neue Hardware und natürlich und die damals obligatorischen Tips & Tricks für Heimcomputerbesitzer wurden behandelt. Sogenannte „Computerstorys“ beleuchteten Spezialthemen.
Dealer, Cracker, Listing-Tipper
So musste ich erst neulich schmunzeln, als ich den Beitrag „Vom Auto-Dealer zum Papa Cracker“ in der März Ausgabe von 1985 wiederfand. Dort ging es um Dr. Achim Becker, den damaligen Chef des 2014 aufgelösten Fachverlags Data Becker, und seinen Bruder Harald Becker. Die Story beschreibt ihren gemeinsamen Werdegang. Ihr Vater, Wilhelm Becker, war Autohändler. Und so baute Achim Becker die folgende Gedankenbrücke.
Mit Autos oder Computern zu handeln, macht keinen Unterschied … beide sind mittlerweile zu unverzichtbaren Bestandteilen des täglichen Lebens geworden, die viel Spaß bringen können.
Dr. Achim Becker (1985)
Etwas später im Text vergeht Becker der Spaß. Und zwar beim Thema „Raubkopierer“. Diesen habe er den Kampf angesagt und persönlich die „Schutzgemeinschaft Deutscher Softwarehersteller“ ins Leben gerufen. Denn: „wer braucht schon ein (Data Becker) Buch ohne die dazugehörige Diskette?“ Solche Details gingen seinerzeit an mir vorüber. Vermutlich habe ich beim Lesen der RUN andere Schwerpunkte gesetzt und mich mehr über den Spielebericht zum Grafikadventure Mask Of The Sun von Brøderbund gefreut, als über ernsthafte Texte zur deutschen Spieleindustrie.
Abschließend möchte ich noch ein Geheimnis gestehen: obwohl ich mit dem C64 und meinen Sicherheitskopien vom Schulhof softwareseitig gut ausgestattet war, habe ich immer wieder Listings aus der RUN Zeitschrift in meinen Brotkasten gehämmert. Warum nur? Eine gute Frage. Vielleicht lag es an meiner Sinclair-Vorprägung. Oder einfach nur daran, dass es selbst in den späten Ausgabe der RUN noch interessante Listings gab, deren digitale Entsprechungen ich nicht auf dem Schulhof fand. Diese Programme waren allerdings eher der Kategorie „Tools“ zuzuordnen. Ein komplexes Spiel wie „Crabyx“ mit 12 (!) Seiten Maschinencode hatte ich sicher nie abgetippt.
Dann doch lieber in den Diskettenkasten greifen.
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