Buchrezension: Das Computerbuch für Vater und Sohn (Tom und Fabian Werneck)

Von André Eymann am
Kommentiert von: André Eymann, bluntman3000
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Wenn man heute ein Buch über Computer aus dem Jahre 1984 rezensieren möchte, muss man auf einiges vorbereitet sein. Soviel war mir klar. Ich bin also nicht leichtfertig an diese Aufgabe herangetreten. Auf das Schlimmste gefasst, was die Aktualität des Stoffes betrifft, nehme ich vorweg: auch gegenwärtig kann man von Tom und Fabian Werneck noch einiges lernen. Nicht nur über Technik.

Mit dem Satz „Wir brauchen einen Computer“, öffnet das erste Kapitel seine Pforten und baut damit eine Brücke zu uns, die in der Nach-Millennium-Zeit leben. Denn dass Computer mehr denn je gebraucht werden (auch wenn das vielleicht nicht immer zweifelsfrei zugegeben wird), ist mittlerweile ein unbestreitbarer Fakt. Kurze Zeit später wird klar, was für eine Art von Computer der Sohnemann da beim Abendessen meint. Einen Heimcomputer! Das ist es. Hier finde ich mich wieder. Wir sind also doch noch nicht in der seelenlosen IBM-PC Ära angekommen, sondern befinden uns in einer Welt, in der sich Computer noch individuell unterscheiden. Sowohl optisch, als auch seitens ihrer Fähigkeiten. Wer die Wahl hat, hat die Qual.

Das Drama beginnt

Die Herleitung, die Fabian seinem Vater folgend eröffnet, könnte auch vor wenigen Minuten auf dem hiesigen Schulhof ausgesprochen worden sein: „Die Freunde haben auch alle einen. Und außerdem brauche ich den für den Informatikunterricht.“ Alles klar. Das kommt uns bekannt vor. Nur dass es derzeit Smartphones und Tablets sind, um die gekämpft werden. Alles andere ist geblieben. Nun ist es aber nicht so, dass Vater Tom komplett hinter dem Mond lebte und sich von den Commodore- oder Atari-Prospekten seines Sohnes blenden lies. Er durchdachte das Thema umfassend und es macht Spaß, seinen Gedankengängen in den Zeilen des Buches zu folgen. Nach seiner bejahenden Entscheidung hält er fest, dass das „häusliche Computerdrama“ begonnen hatte.

Computerkunst in den 1980er-Jahren: mit dem KoalaPad und KoalaPainter wurden Grafikträume wahr. (Bild: Heyne Verlag)
Computerkunst in den 1980er-Jahren: mit dem KoalaPad und KoalaPainter wurden Grafikträume wahr. (Bild: Heyne Verlag)

Dramatisch war seinerzeit, dass es eine verwirrende Menge an Computern gab. Gefühlt täglich wurden neue Akronyme geboren und trugen geschickt zur Verwässerung der Wahrnehmung bei. Wo heute iPhones als Standard gelten, gab es damals lediglich „Androiden“, die mit ihrer Vielzahl an Optionen einem Dschungel glichen. Außerdem gab es kein Internet. Man wälzte sich also durch Kataloge, Preislisten oder sprach verstohlen den Fachberater im Computerfachhandel an. Ausprägungen von Zentraleinheiten, externen Speichern und Druckern wurden verglichen.

So enthält dieses Taschenbuch neben vielen Abbildungen auch Tabellen mit schönen Vergleichswerten zu „RAM-Kapazität“, „Zeichen pro Zeile“ oder der „Anzahl der Farben“. Dabei wird aber vom Autor nicht vergessen, alles typisch haus- aber dennoch fachmännisch verständlich zu erläutern. So wird das „Computer-Buch“ nicht langweilig, sondern liest sich auch im unserem Jahrzehnt noch interessant.

An dieser Stelle kommen wir zum wesentlichen Merkmal dieses kleinen Ratgebers. Vater und Sohn besprechen ihr Vorhaben in anekdotenhaften Dialogen, die lebendig und authentisch sind. Dadurch macht es auch heute noch Spaß, den „Gesprächen“ beider zu folgen. Immer wieder werden Sofa-Debatten, Taschengeld-Einwände und reale Zwiegespräche eingebaut.

Es wird im Buch nicht verraten, aber da Vater Werneck davon spricht, einen 16k-Computer kaufen zu wollen und wenig später die Fehlermeldung „BOOT ERROR“ erwähnt wird, können wir davon ausgehen, dass es sich bei der ersten häuslichen Anschaffung um einen Atari 600 XL gehandelt haben muss.

Jagd im Gewächshaus

Nun aber endlich zu den Computerspielen! Der ersten Begeisterung über die „bestechende Grafik“ und der „beeindruckenden Geräuschkulisse“ folgte schnell die Ernüchterung, dass die Unterschiede zur „Telespielkonsole“ nur graduell waren. Die Weltraumballerei oder die Jagd im Gewächshaus (Centipede) erschien als Sackgasse, denn schließlich hatte man von der Investition mehr erwartet. Und es gab mehr! Über die Nutzung des Adressprogramms und dem Abtippen von Programmlistings landeten die neuen Computerbesitzer schlussendlich beim „Abenteuer Programmieren“. Was heutzutage Entwicklungs-Debütanten in Form von JavaScript oder Visual Basic begegnet, war in den 1980er-Jahren die Programmiersprache BASIC, ein ideal geeigneter Sprachdialekt, um in die Welt der eigenen Programme einzusteigen.

Fabian und Tom unterhalten sich über Weltraumspiele und ihre Grenzen. (Bild: André Eymann)
Fabian und Tom unterhalten sich über Weltraumspiele und ihre Grenzen. (Bild: André Eymann)

70 PRINT „ENDE DES PROGRAMMS“

Das farbenfrohe Deckblatt des Taschenbuchs. (Bild: Heyne Verlag)
Das farbenfrohe Deckblatt des Taschenbuchs. (Bild: Heyne Verlag)

Auch dieses Phänomen kennen wir: wer etwas entwickeln möchte, braucht eine sinnstiftende Idee. Das war natürlich auch Tom und Fabian Werneck schnell klar. Deshalb geben sie zum Abschluss ihres Computerratgebers eine Auflistung, was man entwickeln könnte. Nicht schlecht: ein „Notenspiegel-Programm“ oder „Der Rechen-Trainer“ würden sinngemäß wahrscheinlich noch immer Eltern zum Kauf eines Computers für Zuhause motivieren.

Das letzte Wort hat die Frau, natürlich auch in diesem Buch. Deshalb schließt das finale Kapitel mit den „Kommentaren einer computergeplagten Ehefrau“. Noch heute wichtige Regeln werden eingeführt: maximal zwei Stunden Computerzeit pro Tag. Aber obwohl sie sich von den „Computer-Narren“ nicht zum selbigen halten lassen möchte, hat sie mühelos Weitblick bewiesen. Denn „so beschäftigen sie sich miteinander“ fasst sie zusammen und überlegt was sie selbst mit dem neuen Mitbewohner anstellen könnte: was steht eigentlich morgen auf dem Programm?

Das Werk der beiden Wernecks ist ein unterhaltsamer Ratgeber zum Thema Computer im Haushalt, der erstaunlich oft Entscheidungen thematisiert, die wir auch 32 Jahre nach Erscheinen des Buches noch treffen müssen. Mit vielen Fakten und Abbildungen ist das Buch außerdem ein wertvoller Zeitspiegel, der manchmal zum Schmunzeln anregt.

Hardcover-Ausgabe

Dank Christian Drackert können wir euch folgend auch die Hardcover-Ausgabe vom Heyne Verlag mit Schutzumschlag zeigen. Die Farben dieser Ausgabe weichen vom Taschenbuch ab und zeigen auch ein anderes Foto auf der Vorderseite. Das Einbandfoto stammt von Hartmut Blume. Die Einbandgestaltung hat Erich Gebhardt realisiert.

Mediadaten (Heyne Taschenbuch)

  • Titel: “Das Computer-Buch für Vater & Sohn”
  • Verlag: Wilhelm Verlag, GmbH & Co. KG, München.
  • Preis: 9,80 DM.
  • Veröffentlicht: 1984
  • Autoren: Tom und Fabian Werneck.
  • Umschlagfoto: Patrick La Blanca, München.
  • Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München.
  • ISBN-Nummer: 3-453-47043-5.

Herzlichen Dank an René Achter von für das Aufmacherbild zum Beitrag!


Veröffentlicht in: Medien & Literatur

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