Der Commodore 64 war der erster Homecomputer, welchen ich im zarten Alter von 8 Jahren, also im Jahre 1989, benutzen durfte.
Gleichzeitig war er auch der einzige Computer, der ohne meine „Überredungskunst“ in unseren Haushalt fand. Somit blieben mir Argumente, wie „ich kann darauf meine Hausaufgaben machen“ (was mir im Volksschulalter ohnehin Niemand abgekauft hätte) erspart, jedoch stand ich vor einer ganz anderen Herausforderung: Dem Kampf des „spielen Dürfens“.
Folge dem Stern
Es war anfangs schwierig, den Commodore 64 überhaupt benutzen zu können, da ihn sofort mein Vater in Beschlag nahm. Verständlich, da er das Gerät samt Floppy und einem riesigen Konvolut an Disketten eigentlich für sich selbst gekauft hatte. Mir blieb somit nichts Anderes übrig, als fasziniert meinem Vater zuzusehen, wie er verzweifelt versuchte mit zur Hilfenahme des Handbuches ein Spiel zu starten. Mit LOAD „PROGRAMMNAME“,8 sollte man laut Beschreibung ein Programm starten können.
Also rein mit der schlabbrigen Diskette, Befehl eingegeben und – Nichts passierte. Ein „?FILE NOT FOUND ERROR“ war die Antwort des Brotkastens. Nicht aber, weil er den Namen des Programms falsch geschrieben hatte. Mein Vater schrieb in seiner computertechnischen Naivität die abgedruckte Zeile Zeichen für Zeichen, also inklusive „Programmname“ ab. Es wäre also purer Zufall gewesen, wenn dieser Ladeversuch positiv verliefen wäre…
Der zweite Versuch, bei welchem er den Namen durch den bekannten Stern ersetzte, war aber mit Erfolg gekrönt. „Alien Syndrome“ erstrahlte auf dem angeschlossenen, tragbaren Fernsehgerät. Voller Aufregung und kindlicher Begeisterung durfte ich meinem Vater zusehen, wie er kläglich versagte und ein Leben nach dem anderen verlor. Nachdem er die Invasion der Regenwürmer nicht vereiteln konnte, war das nächste (und vorerst letzte) Spiel an der Reihe: Giana Sisters.
In Erwartung noch ein wunderschönes Spiel zu sehen und vielleicht sogar selbst spielen zu dürfen wartete ich gebannt auf den Spielstart. Der einprägsame Jingle ertönte und Giana war in ihrer Anfangspose des ersten Levels zu sehen. Regungslos. Keine Eingabe möglich. Auch ein Neustart des Commodore 64 schaffte keine Abhilfe da das Gerät offensichtlich plötzlich defekt war. Also musste ich zerknirscht eine gefühlte Ewigkeit auf ein Ersatzgerät warten, bevor ich die virtuelle Welt der Videospiele betreten durfte.
Immer nur spieli, spieli
Mit dem neuen Computer war nun endlich auch ich an an der Reihe. Giana Sisters, Alien Syndrome, Krackout, Boulder Dash und wie sie alle heißen verschlangen einen immer größeren Anteil meiner Freizeit. Besonderen Spaß machten Spiele natürlich zu Zweit. Hierbei war es allerdings egal ob es ein Multiplayertitel war, oder der „Mitspieler“ einfach nur zusah und abwechselnd gespielt wurde, denn auch Zusehen machte damals Freude.
Klar, denn wir sprechen von einer Zeit (und natürlich auch dem Alter), zu welcher Videospiele immer noch recht neu und irrsinnig aufregend waren.
Playmobil, Lego und LCD Spiele haben ausgedient, meine Freizeit galt nach einiger Zeit ausschließlich dem Commodore 64. Da ein Familienmitglied nach dem anderen das Interesse am Spielen verlor, gehörten nun auch kämpfe um den Joystick der Vergangenheit an. Egal ob mich Freunde besuchten, oder ich zu ihnen nach Hause kam – es wurde gespielt.
Besonders bei meinem damaligen Kumpel Edi stand das Spielen an erster Stelle, da seine Mutter diesbezüglich etwas kulanter war. Ab und zu suchten wir zwar zwangsweise das Freie auf (Zitat: „Tuts nicht nur immer spieli, spieli, gehts jetzt einmal raus“), aber zu Hause ging das Zocken exzessiv weiter. Auch der Defekt des Joystickports seines C64 war halb so schlimm, denn durch die Handlichkeit des Commodore nahm ich mein Gerät einfach zu ihm nach Hause für eine Runde Detonators oder Ugh-Lympics mit. Ebenfalls konnte ich bei ihm Titel spielen, welche bei mir zu Hause auf wenig Gegenliebe meiner Eltern gestoßen wären.
Der oszillierende Arm und andere verbotene Spiele
Natürlich waren jedoch in meiner Sammlung unzähliger Disketten auch Spiele dabei, welche für Volksschüler eher weniger geeignet waren. Eindeutige Titel wie „Strip Poker“ oder „Sex Games“ wurden sofort von meinen Eltern eingezogen, Barbarian, Commando Lybia und Infernal Runner erst, nachdem ich damit erwischt wurde.
Ein besonderes „Denkt doch an die Kinder“ Highlight, war Stoker64. Unverdorben wie ich damals war fragte ich mich nach dem Spielstart des besagten Titels, was ich denn da mit dieser großen Nase(ja, wirklich!) am Fernseher tun sollte. Als meine Mutter sah wie ich den virtuellen Arm vertikal oszillierte, stürzte sie panisch zum C64, schaltete ihn hektisch ab und nahm die Diskette mit.
Als kleiner Junge nahm ich das einfach zur Kenntnis und steckte die nächste Diskette ins Laufwerk.
Stay awhile, stay forever!
Obwohl ein kleiner Teil der Spiele für mich (offiziell) nicht erreichbar war, blieben unzählige Disks zum Entdecken neuer Welten übrig. Einige der Spiele konnte ich stundenlang spielen, obwohl ich mangels Anleitung keinen blassen Schimmer hatte, was ich überhaupt tun muss.
Jack the Nipper 2 war einer dieser Titel. Ohne Plan sprang ich sinnlos im Level umher und freute mich jedes Mal aufs Neue, wenn Jack seine Windel als Fallschirm benutzte. Auch Impossible Mission stellte mich vor ein Rätsel, jedoch fand ich schon damals die Bewegungen der Spielfigur und besonders die Sprachausgabe faszinierend. Viele Partien bestanden einfach nur darin, absichtlich in den Abgrund zu stürzen und das „Aaaaaahhhhhhh!“ zu genießen.
Abseits der „Unschaffbaren“ begnügte ich mich mit zahllosen Spielen, welche ich damals – sagen wir einmal vorsichtig – mein Eigen nennen durfte (Stichwort: SYS 49152). Da ich in jungen Jahren einige Spiele nicht verstand, spielte ich hauptsächlich sogar altersgerechte Titel. Doch im Laufe der Zeit haben Mr. Do! und Snoopy ausgedient und verstaubten.
Als ich älter wurde und die Pubertät nahte, gerieten „Kinderspiele“ immer mehr in den Hintergrund. Nicht nur, dass nun Action angesagt war, wusste ich wo meine Eltern die besonders interessanten „bösen Disketten“ versteckten. Mit zunehmenden Alter verlagerte sich aber nicht nur die Gewichtung der einzelnen Genres, ich benutzte den Commodore 64 erstaunlicher Weise nicht mehr nur um Spiele zu zocken.
Hallo Welt!
Auch das Interesse eigene Programme zu erschaffen wurde durch den C64 in mir geweckt. Nach zaghaften ersten Versuchen konnte ich behaupten, mein erstes Programm erfolgreich geschrieben zu haben. Ein abgetipptes „Hallo Welt“ Listing inklusive Löschen des Bildschirmes. Dies klingt nun wenig aufregend, aber für mich war es damals eine kleine Sensation!
Darauf folgten ein paar einfache Listings wie der fliegende Commodore-Ballon und eine Art Mindmaster-Spiel. Letzteres erweiterte ich um einen kleinen Kniff: Ab einer bestimmten Punkteanzahl wurde ein Passwort ausgespuckt (Spoiler: Es war „Leberwurst“) um ein weiteres Spiel starten zu können. Dieses Spiel (64’er Listing: Springvogel) bekam ich nur leider nie zu laufen, da sich irgendwo im Code ein Fehler eingeschlichen hatte. Sogar an ein Listing in Maschinensprache habe ich mich einmal erfolglos herangewagt. Ohne Checksummen findet man nur eher eine Nadel im Heuhaufen als einen Fehler im Code. Daher beendete ich diesen Ausflug in die Welt der Maschinensprache recht schnell.
Einer meiner letzten unvollständigen Programmierversuche war eine C64er Version der Spielshow „Super Grips“, welches ich mangels Durchführbarkeit wieder verwarf. Hier halfen mir auch diverse Fachbücher nicht mehr weiter.
Und weg ist das Taschengeld
Taschengeld sparen war angesagt. Nicht aber nur zum Kauf von Spielen (man wusste sich damals zu versorgen), sondern um Bücher und Magazine zu kaufen. Hier darf natürlich die Pflichtlektüre „64’er“ nicht unerwähnt bleiben, aber auch „GameOn“ und „Magic Disk“ haben es mir (nicht zuletzt wegen der Spiele) angetan. Zusätzlich waren viele Fachbücher und Lösungshefte erhältlich, die ich natürlich alle haben wollte.
Mein ganzer Stolz war „Das große Commodore 64 Buch“, welches ich nach langem Sparen um teure 300,– Schilling erstand. Es war für mich der heilige Gral der Computerbücher, die Bibel des Commodore 64. Über 1000 hauchdünne Seiten vollgestopft mit Erklärungen und Listings warteten darauf, von mir verschlungen zu werden. Wie weit ich dieses Buch wirklich las kann ich heute nicht mehr sagen. Komplett gelesen habe ich es sicherlich nicht, denn die Programmierung von Sprites habe ich bis heute nicht verstanden.
Auch Hardware musste manchmal neu angeschafft werden. Größtenteils bestanden diese Anschaffungen aus Joysticks, da die ein oder andere Partie Decathlon schon mal einem Quickshot das Genick brach.
Stolz war ich auf den Kauf des Final Cartridge III. Zugegeben, es war ein billiger Nachbau, welcher neben der Schnelladefunktion und dem Resetknopf keinerlei Extras hatte, aber er gab mir das Gefühl eines kleinen Commodore-Hackers.
Am Ende des Commodore 64 Lebenszyklus verschleuderte eine nicht mehr existente Elektronikkette den Commodore 64 um sagenhafte 50 Schilling (also nicht einmal 4 Euro!). Da auch hier das Interesse eher meinem neuen Sega Mega-Drive galt, endet hier ebenfalls meine Story. Damals wusste ich noch nicht, wie wichtig der C64 mehr als 20 Jahre später für mich werden wird.
Zurück in die Vergangenheit
Der Commodore 64 hat aus nostalgischen Gründen heute einen ganz besonderen Stellenwert für mich. Er war mein erster richtiger Computer und mein Einstieg in die Computerwelt.
Zusätzlich verbinde ich mit ihm viele Erlebnisse mit Freunden und eine größtenteils unbeschwerte, glückliche Kindheit (welche ich nicht nur aufgrund des C64 genießen durfte). Ich bin gleichermaßen froh und auch stolz, dass ich diesen Teil der Videospielgeschichte miterleben durfte und blicke mit einem Lächeln im Gesicht auf dieses wunderschöne Stück Vergangenheit zurück.
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